G20-Initiative:Afrikanische Zweckbeziehung

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Am Dienstag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel zwölf Regierungschefs aus Afrika empfangen. Sie will deutschen Unternehmen helfen, Geschäfte anzubahnen - auch wenn das Verhandlungen mit Diktatoren bedeutet.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Wenn am kommenden Dienstag zwölf afrikanische Staatschefs nach Berlin kommen, um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zu treffen, wird wenig dem Zufall überlassen, schon gar nicht das Gruppenfoto. Kurz vor der Mittagspause werden sich die Politiker in Pärchen aufstellen: Ruandas Staatschef Paul Kagame zum Beispiel tut sich dann mit einem Vertreter der Volkswagen AG zusammen und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi mit einem Siemens-Mann. Denn dieser Gipfel soll die Afrikaner vor allem mit deutschen Unternehmen vernetzen. Dies ist schließlich die Idee der G-20-Initiative "Compact with Africa", ersonnen unter der deutschen Präsidentschaft im vergangenen Jahr und Anlass dieser Konferenz.

Ziel der Initiative ist eine Art Tauschgeschäft. Die Industrie- und Schwellenländer der G 20 helfen bei der Anbahnung von Investitionen ihrer Privatunternehmen in den afrikanischen Partnerländern. Im Gegenzug lassen sich diese auf Reformen ein, zum Beispiel im Bankensektor oder in der Steuerpolitik. "Compact with Africa" entstand im vergangenen Jahr unter der Federführung des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU). Heute beteiligt sich Deutschland zwar an diesem Tausch. Allerdings hat sich Entwicklungsminister Müller dafür ein eigenes Konzept überlegt. Deutsche Entwicklungskredite etwa sollen nicht alle Compact-Länder bekommen, sondern nur ausgewählte "Reformchampions", wie er sagt.

Bislang waren von den zwölf afrikanischen Ländern der G-20-Initiative nur Tunesien, Ghana und die Elfenbeinküste Reformpartner der Bundesregierung geworden. Marokko, Äthiopien und Senegal sollen jetzt folgen. Um herauszufinden, ob ein Land für eine solche Partnerschaft infrage kommt, lege man unter anderem den Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International, den Doing Business Index der Weltbank oder den Bertelsmann Transformationsindex zugrunde, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Der Transformationsindex beobachtet unter anderem, wie sich Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit in einem Land entwickeln. Hier werden Ägypten und Ruanda als Autokratien der härteren Sorte geführt.

Dass die Regierungschefs solcher Staaten dennoch am kommenden Dienstag nach Berlin geladen sind, dass Ruandas Autokrat Kagame sogar die erste Rede nach Angla Merkel halten wird, wirft ein Licht auf den zwiespältigen Umgang der Bundesregierung mit afrikanischen Diktatoren. Auch wenn Müller ein Land wie Ruanda als Reformpartner zur Zeit ausschließt, unterstützt sein Ministerium doch das Volkswagen-Kooperationsprojekt "Moving Rwanda". Autoproduktion und Carsharing in der Hauptstadt Kigali seien eine Initiative im Rahmen des "Marshallplans mit Afrika", heißt es aus dem Ministerium - welcher wiederum ein anderes Partnerschaftsprogramm aus dem Hause Müller ist.

Volkswagen produziert in Ruandas Hauptstadt Kigali Autos und bietet Carsharing an – im Rahmen des „Marshallplans mit Afrika“. (Foto: Volkswagen AG)

Die linke Entwicklungspolitikerin Eva-Maria Schreiber kritisiert, dass die "drängendsten Probleme der afrikanischen Staaten - wie die enorme Ungleichheit in und zwischen den Ländern, die grassierende Armut oder autoritäre politische Strukturen" durch die Konzentration der Bundesregierung auf Privatinvestitionen "nicht gelöst, sondern eher verstärkt" würden. Demokratie, Gesundheit und Bildung oder die Unterstützung afrikanischer Unternehmer komme zu kurz, bemängelt sie.

Die drei Reformpartnerländer haben unterschiedliche Schwerpunkte setzen müssen, um deutsches Geld zu bekommen. Ghana und die Elfenbeinküste sollen ihren Energiesektor reformieren und erneuerbare Energien fördern. Das größte Problem für ausländische Unternehmen, die sich hier niederlassen sollen, seien schließlich die ständigen Stromausfälle. Tunesien dagegen baut laut Entwicklungsministerium derzeit eine neue Investitionsbehörde auf, "die Dienstleistungen für Unternehmen bündelt". In der Antikorruptionsbehörde des Landes seien 41 neue Stellen geschaffen worden. Und bald soll eine tunesische Förderbank entstehen, die dann Kredite an kleine und mittelständische Firmen im Land vergibt.

365 Millionen Euro sind bislang in die drei Partnerländer geflossen, ein Großteil als zinsverbilligter Entwicklungskredit. Künftig sollen diese und die drei neuen Reformpartner noch deutlich besser ausgestattet werden, heißt es aus dem Entwicklungsministerium. Angedacht sei außerdem ein "umfassendes Entwicklungsinvestitionspaket" für Unternehmen, die in Afrika investieren - egal, ob es sich um ein Reformpartnerland handelt oder nicht.

Die Abkommen mit ausgewählten Partnerländern haben für die Bundesregierung dennoch eine besondere Bedeutung. Die Reformländer finden sich schließlich ebenfalls im "Masterplan Migration" von CSU-Innenminister Horst Seehofer wieder. "Denn von einer erfolgreichen Bewältigung der großen Herausforderungen Afrikas hängt auch die Zukunft Europas ab", heißt es hier. Müllers Partner Tunesien und Ghana beraten mittlerweile auch potenzielle Migranten noch vor ihrer Abreise.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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