Fusion:Ist Reitzle der Richtige für Linde?

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Arbeitnehmer und Kapitalseite des Industriegase-Konzerns sind über den Fusionsplan zerstritten. Für den 27. April sind vor der Firmenzentrale in München Demonstrationen geplant, aber auch an anderen Standorten.

Von Karl-Heinz Büschemann, München

Bei dem Industriegase-Konzern Linde, der eine Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair plant, bekommt Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Reitzle zunehmend den Widerstand der Mitarbeiter zu spüren. Für den 27. April plant der europäische Linde Betriebsrat gemeinsam mit den Gewerkschaften IG Metall und IGBCE Demonstrationen der Mitarbeiter an allen wichtigen Standorten des Unternehmens in Deutschland, aber auch in Frankreich und Großbritannien. Auch vor der Firmenzentrale in der Münchner Innenstadt ist für den Tag eine Demonstration geplant. Die Arbeitnehmer fürchten den Verlust von Arbeitsplätzen durch den Zusammenschluss.

Am Donnerstag gab es während einer Aufsichtsratssitzung, auf der über den Fortschritt der Gespräche mit den amerikanischen Partnern gesprochen werden sollte, einen Eklat. Reitzle wurde eine Agentur-Meldung von der IG Metall in den Saal hereingereicht, die ihn offen als Linde-Aufsichtsratschef in Frage stellte. Bayerns IG- Metall-Chef Jürgen Wechsler beklagte sich öffentlich darüber, dass Reitzle die Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair gegen den Widerstand der Linde-Arbeitnehmervertreter durchzusetzen gedenke: "Das ist sehr befremdlich und besorgniserregend", so Wechsler. Mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, sei das Gegenteil von Mitbestimmung". Reitzle müsse sich fragen lassen, "ob er der Richtige für Linde ist". Wechsler appellierte indirekt an die Vertreter der Kapitalseite im Aufsichtsrat, die Fusion abzulehnen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die sehr erfahrenen und verdienten Kapitalvertreter im Aufsichtsrat in einer solchen Situation vor den Karren von Herrn Reitzle spannen lassen", so Wechsler.

Auf der Sitzung des Kontrollgremiums am Donnerstagvormittag war die Stimmung gereizt, wie aus Kreisen des Unternehmens zu hören ist. "Es hat ordentlich geraucht", wird ein Aufsichtsrat zitiert. Beide Seiten des Kontrollgremiums hätten sich unversöhnlich gegenüber gesessen: "Es gab keine Annäherung." Die Kapitalseite ist demnach entschlossen, die Entscheidung über die Fusion noch vor dem 10. Mai, dem Tag der Hauptversammlung, zu treffen, notfalls mit der Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden, mit der die Arbeitnehmerseite überstimmt werden könnte. Die Arbeitnehmer beharren auf der Einschätzung, das Linde den neuen amerikanischen Partner nicht brauche.

Für Aufregung sorgten erneut Aktiengeschäfte von Reitzle, die jetzt von der Münchner Staatsanwaltschaft geprüft werden. Nach monatelangen Untersuchungen wegen möglicher Insidergeschäfte hatte die Finanzmarktaufsicht Bafin den Ermittlern einen Sachstandsbericht geschickt. "Wir prüfen, ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat besteht", sagte Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl am Donnerstag. Reitzle hatte zwei Monate vor Bekanntgabe der Fusionsgespräche mit Praxair für eine halbe Million Euro Linde-Aktien gekauft, dies allerdings auch offiziell angezeigt.

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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