Führungschaos bei Infineon:Kopfloser Chipkonzern

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Infineon-Chef Wolfgang Ziebart muss gehen, doch es gibt noch keinen Nachfolger. Nun soll Ex-Siemens-Vorstand Klaus Wucherer Interimschef werden. Das bringt ein Zerwürfnis im Aufsichtsrat.

Markus Balser

Mit einer Notlösung will Europas zweitgrößter Chiphersteller in der Führungskrise Zeit gewinnen. Konzernchef Wolfgang Ziebart muss gehen, doch ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Nun soll Ex-Siemens-Vorstand Klaus Wucherer Interimschef werden. Aufsichtsräte fordern wegen der "chaotischen Zustände" den Sturz von Chefkontrolleur Max Dietrich Kley.

Die Infineon-Zentrale in München (Foto: Foto: AP)

Wolfgang Ziebart ließ das Chaos bei Infineon am Wochenende hinter sich. In Kalifornien hielt der Infineon-Chef am Freitag einen Vortrag vor internationalen Chipmanagern. Am Wochenende jettete der 58-Jährige weiter nach Taipeh, um in Taiwan Kunden und Mitarbeiter zu besuchen.

Über die Zerwürfnisse im Konzern lasse sich Ziebart von Vertrauten aus der Zentrale Campeon in Neubiberg bei München informieren, sagen Mitarbeiter.

Die Drähte glühten heiß zwischen den USA, Asien und Ziebarts Büro auf dem Firmengelände Campeon. Hauen und Stechen haben zwar Tradition bei dem keine zehn Jahre alten Chiphersteller.

Doch seit einigen Tagen geht es in einem Ausmaß rund, das selbst hartgesottene Mitglieder der Konzernspitze fassungslos macht. "Wir stehen vor einem Scherbenhaufen", sagt ein Aufsichtsrat am Sonntag der Süddeutschen Zeitung.

Zwar gilt der Abschied Ziebarts unter Kontrolleuren als beschlossene Sache. Doch wie es weitergeht, darüber ist die Konzernspitze heillos zerstritten. Schon vor Wochen ging der Aufsichtsrat auf Distanz zum Management, doch nun droht ein neues Zerwürfnis unter den Kontrolleuren.

Einflussreiche Aufsichtsräte begehren gegen den heimlichen Herrscher bei Infineon auf. Die Personalpolitik Kleys sei "dilettantisch". Ziebarts Ablösung sei nun nicht mehr aufzuhalten, sagte ein Aufsichtsrat. "Die Frage ist nur, ob Kley mitstürzt."

Eine Notlösung soll dem angeschlagene Aufsichtsratschef Luft verschaffen. Ex-Siemens-Vorstand Klaus Wucherer soll erneut als Übergangskandidat den krisengeschüttelten Chiphersteller führen.

Doch der Vorschlag, den Aufsichtsräte offenbar auf einer eilig einberufenen Aufsichtsratssitzung am 31. Mai beraten sollen, kommt in Teilen der Konzernspitze nicht an. Er gilt als pikant und werde Infineon wohl kaum zur Ruhe kommen lassen, fürchtet ein Aufsichtsrat.

Wucherer musste im vergangenen Jahr als Siemens-Zentralvorstand gehen, als die neue Siemens-Führung nach dem Korruptionsskandal im Vorstand aufräumte. Der 63-jährige Ex-Zentralvorstand hat nur noch einen Beratervertrag bei Siemens.

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass fast der gesamte frühere Siemens-Zentralvorstand in der Korruptionsaffäre ins Visier der Münchner Staatsanwaltschaft gerät. Gegen bis zu zehn ehemalige Topmanager wurden Ordnungswidrigkeiten-Verfahren wegen Verletzung der Aufsichtspflicht eingeleitet.

Bislang ist offen, ob dazu auch Wucherer zählt. Doch Infineon brauche unbelastetes Personal für einen Neuanfang, fordert ein Aufsichtsrat. Als weiterer Kandidat für die Position des Interimschefs gilt Infineon-Vorstand Peter Bauer, der Leiter der Automobilsparte.

Serie von Personalpossen

Die Krise bei Infineon ist unübersehbar. Von Januar bis März machte der Konzern einen Verlust von 1,37 Milliarden Euro. Infineon wird von roten Zahlen der Speichertochter Qimonda belastet, der Aktienkurs hat sich innerhalb eines Jahres halbiert. "Wir müssen handeln", heißt es im Aufsichtsrat. Aber nur ein geräuschloser Übergang helfe dem Konzern.

Doch wie kein anderer machte Infineon schon in den vergangenen Jahren unter Kley mit missglückten Personalien Schlagzeilen. Vor vier Jahren stürzte Ex-Chef Ulrich Schumacher unter rätselhaften Umständen, 2007 musste Finanzchef Rüdiger Günther nach nur drei Monaten gehen. Auch ein erster Vorschlag für die Nachfolge Ziebarts war Anfang des Jahres auf Ablehnung gestoßen.

Nach Angaben aus dem Aufsichtsrat hatte Wucherer seinen langjährigen Siemens-Kollegen Johannes Feldmayer ins Spiel gebracht. Auch Feldmayer gehörte dem Siemens-Vorstand an. Arbeitnehmervertreter kündigten Widerstand an, denn die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ermittelt gegen Feldmayer in der Affäre um die heimliche Finanzierung der Betriebsräte-Organisation AUB.

© SZ vom 19.05.2008/sg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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