Freshfields:Die Kanzlei mit dem Erzengel

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Die Anwaltssozietät schrieb viele zweifelhafte Gutachten für Banken, die mit dubiosen Aktiendeals den Fiskus ausnahmen.

Von Klaus Ott, München

Die 34-seitige Expertise vom 14. Januar 2009, die für die Maple-Bank in Frankfurt gedacht war, liest sich wie eine Einladung zum Griff in die Staatskasse. Es ging um einen "gewissen Steuervorteil", den die deutsche Tochter eines kanadischen Geldinstituts bei speziellen Aktiendeals mit dem Namen Cum-Ex erzielen könne. Die Gutachter bescheinigten der Frankfurter Bank, sie könne sich bei dem Börsenhandel Kapitalertragsteuern anrechnen, sprich erstatten lassen. Und das "ungeachtet der Tatsache", dass der Fiskus diese Steuern zuvor gar nicht erhoben, also gar nicht bekommen habe. Für diese Auffassung sprächen "die besseren Argumente", notierten die beiden Verfasser des Gutachtens. Das kam gewissermaßen einem Freibrief gleich, das Finanzamt und damit den Staat auszunehmen.

Die Expertise stammte von Freshfields Bruckhaus Deringer, einer der weltweit führenden Anwaltskanzleien. Die Juristenfirma mit einem Gottesboten im Wappen, dem Erzengel Michael, kümmert sich um viele bedeutende Mandanten und Fälle. Um VW und den Abgas-Skandal; um den Deutschen Fußball-Bund und die Affäre um die Weltmeisterschaft 2006; und um anderes mehr. Aber himmlisch sind die Geschäfte und Schriftsätze von Freshfields wohl nicht immer gewesen.

Die Frankfurter Niederlassung hat jahrelang für Banken und andere Cum-Ex-Akteure, die nach Erkenntnissen von Ermittlungsbehörden den Fiskus hintergangen haben, Gutachten beinahe wie am Fließband produziert. Auch für Maple oder für Macquarie in München, die deutsche Filiale eines australischen Geldinstituts. Maple und Macquarie haben es, wie Staatsanwälte und Steuerfahnder herausfanden, besonders wild getrieben. Maple ist wegen Rückforderungen des Fiskus in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro sogar pleitegegangen.

Ein Anwalt warnte Finanzbeamte vor einer Gesetzeslücke, die er selbst ausnutzen half

Cum-Ex, das ist einer der größten Steuerraubzüge, wenn nicht gar der größte, in der Geschichte der Bundesrepublik. Und ausgerechnet Freshfields als renommierte Anwaltskanzlei, nun ja, nicht mittendrin, aber irgendwie dabei? Banken und Börsenhändler haben bis 2012 den Fiskus um vermutlich mehr als zehn Milliarden Euro geschädigt. Indem sie sich beim trickreichen Kauf und Verkauf von Aktien die auf die Dividendenerlöse fällige Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten ließen. Technisch möglich machte das eine Lücke im Steuerrecht, die von der Bundesregierung erst 2012 geschlossen wurde. Diese Lücke habe aber nie dazu berechtigt, den Fiskus zu betrügen, sagen bei Finanzverfahren inzwischen viele Gerichte. Staatsanwälte ermitteln bundesweit wegen Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen gegen weit über 50 Verdächtige. Mit einem ersten Strafprozess ist 2018 zu rechnen.

Gegen Freshfields-Gutachter wird bislang nicht ermittelt. Aber schön ist das alles für die Kanzlei trotzdem nicht. Die Geschichte der nach eigenen Angaben "ältesten globalen" Sozietät reicht bis 1743 zurück. Allein in Deutschland kümmern sich 500 Anwälte um die Mandanten, bis hin zur Bundesregierung. Keine andere Sozietät, verkündet Freshfields, erreiche "hierzulande so viele Top-Bewertungen". Im Fall Cum-Ex scheint dieses Selbstlob aber wohl fehl am Platz zu sein. Diverse Mails und Schriftsätze aus der Kanzlei lassen den Schluss zu, dass einige der Anwälte im Frankfurter Büro wissen mussten, worum es den betreffenden Banken und deren Partnern ging: sich die nur einmal an den Fiskus gezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten zu lassen. Hat sich Freshfields zum Werkzeug dieser Cum-Ex-Akteure gemacht?

Die Juristenfirma erklärt auf Anfrage, die jeweiligen Mandanten würden selbst entscheiden, welche Geschäfte sie machten. "Die Kanzlei hat keine Cum-Ex-Geschäfte entwickelt." Der Sozietät seien auch "zu keinem Zeitpunkt ... unzulässige Absprachen" bekannt gewesen, die zum Ziel gehabt hätten, sich die Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten zu lassen. Was aber heißt das nun? Dass Freshfields von Absprachen ahnte, diese aber nicht als unzulässig eingestuft hat? Auch andere Juristen waren der Meinung, die Lücke im Aktienhandelsrecht erlaube den Griff in die Staatskasse, und haben entsprechende Gutachten verfasst. Aber niemand war dazu gezwungen, auch Freshfields nicht.

Die Kanzlei verweist darauf, dass sie im vergangenen Jahrzehnt den Fiskus wiederholt auf jene Gesetzeslücken aufmerksam gemacht habe, die Aktiengeschäfte zu Lasten des Staates ermöglicht hätten. Erstmals auf einem Seminar für Finanzbeamte im März 2006. Und dann noch einmal bei der Bundesfinanzakademie im Oktober 2008. Dort hielten zwei Freshfields-Juristen einen Vortrag, in dessen schriftlicher Fassung klipp und klar steht: "Kapitalertragsteuer wird einmal einbehalten und zweimal angerechnet." Gemeint ist: Einmal vom Fiskus kassiert und zweimal von diesem erstattet.

Freshfields wies den Fiskus sogar darauf hin, wo genau das Problem lag. Bei Aktiengeschäften, die über das Ausland liefen. Einer der beiden Referenten an der Bundesfinanzakademie wiederum war Mitverfasser von Gutachten für Maple und andere Cum-Ex-Mandanten. Ein doppeltes Spiel sozusagen, was so gar nicht passt zum Firmenwappen mit dem Erzengel Michael. Der stand immer auf der Seite der Guten und stürzte seine Gegner mit einem Flammenschwert in den Abgrund.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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