Frank-Jürgen Weise:Gutsherr von Nürnberg

Lesezeit: 3 min

Der Boss am Pranger: Frank-Jürgen Weise, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, soll Mitarbeiter zu hoch bezahlt und gegen Auflagen verstoßen haben. Jetzt bekommt er Ärger.

Guido Bohsem, Berlin

Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, gerät wegen seiner umstrittenen Personalpolitik ins Kreuzfeuer. Die SPD forderte den BA-Chef am Donnerstag auf, Weise so lange zu suspendieren, bis die Vorfälle vollständig aufgeklärt sind. "In habe noch nie erlebt, dass eine Behörde derart gegen geltendes Recht verstoßen hat", sagte der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Zugleich warf er der schwarz-gelben Koalition vor, die Vorwürfe gegen Weise unter den Tisch fallen lassen zu wollen. Dabei gehe es den Sozialdemokraten nicht primär um eine politische Auseinandersetzung. "Die Missstände müssen aufgedeckt und geahndet werden."

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, hat Mitarbeiter teilweise sehr gut entlohnt - und jetzt deswegen Ärger. (Foto: dpa)

Die Attacken gegen Weise gehen auf einen Bericht des Bundesrechnungshofs zurück. Darin haben die Prüfer das seit 2006 geltende Personalkonzept der BA begutachtet, das sogenannte AT-Konzept. Sie kamen dabei zu einem vernichtenden Ergebnis: Spitzenpositionen seien ohne die gesetzlich vorgesehenen Ausschreibungen vergeben worden. Die BA habe sich außergewöhnlich großzügig bei der Honorierung ihrer Top-Mitarbeiter gezeigt. Leistungsabhängige Bonus-Zahlungen seien zugesichert worden, ohne sich am tatsächlichen Erfolg zu orientieren. Zudem habe die Behörde das AT-Konzept auf eigene Faust ausgearbeitet und darüber weder den Verwaltungsrat noch das Arbeitsministerium unterrichtet. Dem Ministerium obliegt eigentlich die Aufsicht über die BA. Doch erst durch den Bericht des Rechnungshofs erfuhr das Ressort von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) von der Umsetzung des AT-Konzepts. Die BA hat die Vorwürfe des Rechnungshofs bereits zurückgewiesen.

Unterwegs im rechtlichen Graubereich

Die Abkürzung AT steht für "außertarifliche Honorierung". Mit dieser Vergütungsform, die aus dem normalen Tarifgeflecht für Beamte herausgelöst ist, wollte die BA ursprünglich zwei Dinge erreichen: Für besonders qualifizierte Mitarbeiter - vor allem auf der Führungsebene - waren zusätzliche finanzielle Anreize vorgesehen. Zum anderen sollte die BA als Arbeitgeber attraktiver werden, insbesondere für Spezialisten aus der Wirtschaft. Doch mit ihrem Vorhaben bewegte sich die BA mindestens im rechtlichen Graubereich. So wurden mitunter die Vorzüge des Beamtentums mit denen der freien Wirtschaft verknüpft.

Einen Fall dieser Art zeigt Arbeitsstaatssekretär Gerd Hoofe in einem Brief an BA-Chef Weise auf. Der frühere Bereichsleiter Produktbetreuung sei am 28. Mai 2009 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt worden. Am selben Tag sei der Beamte jedoch in-sich-beurlaubt worden. Das heißt, sein Beamtenstatus ruht, und er kann in der gleichen Behörde für ein höheres Gehalt weiterarbeiten, ohne seine Pensionsansprüche zu verlieren. Das ist ein durchaus üblicher Vorgang. Aber, so schrieb der Staatssekretär: "Es ist mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Lebenszeitbeamtenverhältnisses nicht vereinbar, einen außertariflichen Beschäftigten nur für eine logische Sekunde in das aktive Beamtenverhältnis zu übernehmen, um danach mit Hilfe des Rechtsinstituts der In-sich-Beurlaubung erneut ein außertarifliches Arbeitsverhältnis abzuschließen." Nach Worten der SPD-Arbeitsexpertin im Haushaltsausschuss, Bettina Hagedorn, sei diese Sekunden-Verbeamtung auch deshalb ungewöhnlich, weil die BA schon 2003 angekündigt habe, keine neuen Beamten mehr ernennen zu wollen.

Vergütungen weit über den Vorgaben

Doch auch bei den außertariflichen Bezahlungen kam es offenbar zu Übertreibungen. Hoofe führt in seinem Schreiben acht Fälle auf, in denen die Vergütungen weit über die Vorgaben des AT-Konzepts hinausgehen. "In einem Fall wurde eine höchstmögliche Gesamtjahres-Vergütung von mehr als 200.000 Euro festgestellt." Diese Verträge seien unmittelbar durch den Vorstand oder zumindest in dessen Auftrag abgeschlossen worden, schreibt der Staatssekretär und fügt hinzu: "Die Verwaltungspraxis der BA steht nach den mir vorliegenden Tatbeständen in den oben aufgezählten Fallen nicht im Einklang mit dem geltenden Recht." In zwei Fällen liegen die Bezüge über denen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die 178.000 Euro im Jahr erhält.

Nach Schneiders Worten wurden vom Arbeitsministerium bisher 80 Fälle geprüft - und 33 davon hätten sich als rechtlich problematisch erwiesen. "Alle beteiligten Aufsichtsbehörden sind von der BA ausgetrickst worden." Es habe sich in der BA ein Eigenleben entwickelt, bei dem nach Gutsherren-Art entschieden worden sei. Allerdings hätten Union und FDP im Ausschuss dafür plädiert, sich nicht weiter mit dem Bericht zu beschäftigen. Auch habe die Koalitionsmehrheit Ministerin von der Leyen untersagt, zu dem Bericht Stellung zu nehmen. "Das habe ich in zwölf Jahren Haushaltsausschuss noch nicht erlebt", urteilt der SPD-Mann. Die Union wies die Vorwürfe zurück. Die SPD versuche eine Kampagne gegen Weise loszutreten, hieß es.

© SZ vom 18.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: