Fragwürdige Abfindung:Siemens-Spitze in Erklärungsnot

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Im Prozess um die Korruption bei der Kraftwerkssparte des Siemens-Konzerns wird jetzt bekannt, dass der Zentralvorstand dem früheren Finanzchef Andreas Kley eine fragwürdige Millionenabfindung zugestanden hat.

Markus Balser

Der Auftritt war ganz und gar nicht nach dem Geschmack von Siemens-Zentralvorstand Uriel Sharef. Geduckt betrat der 62-Jährige am Dienstagmorgen dicht hinter seinem Anwalt das Darmstädter Landgericht und versuchte, einer Fernsehkamera auszuweichen.

Sharefs Aufgabe auf ungewohnter Bühne war brisant. Erstmals musste im bundesweit ersten Prozess um die Bestechung ausländischer Siemens-Kunden ein Mitglied des obersten Führungszirkels als Zeuge aussagen. Nur knapp zwanzig Minuten nahm Sharef im Zeugenstand Platz. Doch das reichte aus, um die Konzernführung weiter in Bedrängnis zu bringen.

Im Schwurgerichtssaal räumte der Zentralvorstand ein, Siemens habe dem Exfinanzchef seiner Kraftwerkssparte, Andreas Kley, trotz schwerer Vorwürfe Mitte 2004 eine Millionenabfindung gezahlt. Er selbst habe die Zahlung von 1,7 Millionen Euro nach Kleys Ausscheiden im Juli als zuständiger Zentralvorstand angewiesen.

Zu diesem Zeitpunkt seien Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit der Lieferung von Gasturbinen an den italienischen Enel-Konzern im Zentralvorstand bereits fast ein Jahr bekannt gewesen, sagte er und nahm sich selbst in Schutz: In die dubiosen Zahlungen in der Korruptionsaffäre sei er nicht eingeweiht gewesen und habe von den Transaktionen auch nichts gewusst.

Die Staatsanwaltschaft wirft Kley und einem weiteren ehemaligen Mitarbeiter des Siemens-Kraftwerksgeschäfts Untreue und Bestechung vor. Sie sollen von 1999 bis 2002 etwa sechs Millionen Euro Schmiergeld an zwei Topmanager von Enel gezahlt und dabei möglicherweise auch schwarze Kassen genutzt haben. Der Konzern soll sich so laut der Ermittler Aufträge im Wert von 338 Millionen Euro gesichert haben.

"Irritierende" finanzielle Regelungen

Auch von Siemens beauftragte externe Prüfer hätten Mängel und Intransparenzen in den Finanzen der Kraftwerkssparte festgestellt. Er habe daraufhin beschlossen, den Vertrag mit Kley zum 1. Juli vorzeitig zu beenden, erklärte Sharef.

Dass der Konzern zwar Gründe für eine Trennung von Kley sah, ihm aber dennoch eine hohe Abfindung zahlte, löste bei Staatsanwaltschaft und Gericht Erstaunen aus. "Die finanziellen Regelungen irritieren uns", sagte Richter Rainer Buss. "Siemens hätte die Zahlungen nicht leisten müssen."

Der Konzern hatte immer wieder betont, in Korruptionsfällen hart gegen Gesetzesverstöße seiner Beschäftigten vorzugehen. Der Konzern müsse sich fragen lassen, warum er keine Schadensersatzansprüche gegen seinen Exmanager geltend gemacht habe, um eine drohende Verjährung zu verhindern, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Busch am Rande des Prozesses.

Über eine Verjährung habe sich Siemens bisher keine Gedanken gemacht, erklärte Sharef. Schadensersatzforderungen sowie Ruhestands- und Übergangsgelder des angeklagten Managers in Millionenhöhe sollten nun nach dem Urteil im aktuellen Prozess überprüft werden. Ein Urteil ist nach Auskunft des Gerichts nicht vor Mitte Mai zu erwarten.

Von der Hauptverhandlung in Darmstadt erhoffen sich die Ermittler neue Erkenntnisse über Schmiergeldpraktiken bei Siemens. Aus Justizkreisen hieß es, der Fall könnte Hinweise geben, inwieweit die Korruptionszahlungen Züge einer systematischen Praxis tragen. Bei einer Verurteilung droht den Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren.

In dem Prozess muss sich auch Siemens verantworten. Der Konzern wurde als sogenannte Verfahrensbeteiligte vorgeladen. Damit können Gewinne aus Geschäften mit Enel an die Staatskasse fallen. Nach früheren Angaben geht es um bis zu 60 Millionen Euro.

© SZ vom 18.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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