Forum:Zahlen ja, aber aus der Dividende

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Martin Schoeller stammt aus einer alten Unternehmerfamilie. Er führt die Schoeller Holding GmbH in Pullach bei München. Außerdem ist er Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der Familienunternehmer - ASU e.V. (Foto: oh)

Wenn die Koalition einen Ausverkauf deutscher Firmen verhindern will, muss sie die Erbschaftsteuer anders regeln.

Von Martin Schoeller

Der Kaufrausch der Chinesen macht zu Recht Sorgen. Die Entscheidungen, wo was hergestellt, entwickelt und verwaltet wird und auch wo die Gewinne entstehen, wird dann woanders gefällt, dort, wo die Interessenslage anders ist als bei uns. Der Fall des Roboterherstellers Kuka führt dies gerade ganz Deutschland vor Augen.

Deutschland verliert sehr viel Steuern, Arbeitsplätze, Sicherheit und Know-how, wenn unsere großen Familienunternehmen verkauft werden. (Nur Frau Wagenknecht würde sich vielleicht freuen, weil die Linke die Privatinitiative von Inländern eher bestrafen als fördern will.) Dieser Aderlass wäre die Folge des aktuellen Entwurfes der Erbschafsteuerreform und liegt nicht im Interesse der Gesellschaft. Das Problem lässt sich aber heilen mit einer kleinen Ergänzung, welche die bayerischen Familienunternehmer vorschlagen.

So wie die lokalen Bauern die Landschaft pflegen, so pflegen die lokalen Unternehmerfamilien die heimische Wirtschaft (genau genommen 70 Prozent der heimischen Wirtschaft). Unsere soliden Staatsfinanzen, unser umfangreiches soziales Netz und unsere geringe Arbeitslosigkeit kann nur dann so bleiben, wenn die Substanz unserer Familienunternehmen erhalten und gesund bleibt.

Eine Fortführung über den Generationswechsel hinaus ist eine Herausforderung für alle Familienunternehmen und würde nach dem jetzigen Gesetzentwurf in der Spitze mit einem Substanz-Entzug in Höhe des gesamten Bucheigenkapitals erschwert beziehungsweise unmöglich gemacht (30 Prozent auf den Unternehmenswert entspricht im Durchschnitt 100 Prozent des Bucheigenkapitals). Würde ein neues Gesetz den Dax-Unternehmen beziehungsweise ihren Gesellschaftern bei einem Vorstandswechsel den Entzug des Eigenkapitals verordnen, würde ganz Deutschland an der Kompetenz des Gesetzgebers zweifeln. Dies passiert aber gerade, und der Zusammenhang wird durch polemische Formulierungen vernebelt, da man polemisch von einer Beendigung der Bevorzugung von Firmenerben spricht.

Dieser vermeintlich gut klingende Satz verstellt den Blick auf das, was wirklich passieren würde. Wenn man diesen Satz sachlich korrekt formulieren wollte, müsste man sagen: Beendigung der Bevorzugung des Erhalts von Unternehmen in Familienhand, oder anders gesagt: Beendigung der Bevorzugung des Erbens einer Firma, solange diese nicht verkauft wird. Dieser so formulierte Sachverhalt würde der Bevölkerung und auch dem Bundesverfassungsgericht als nicht sinnvoll erscheinen. Diese Debatte beruht also auf einer irreleitenden Rhetorik, die letztendlich den Sozialstaat und die Arbeitsplätze schädigt.

Das Verkaufen einer Firma wird in Zeiten niedriger Zinsen immer leichter

Verkaufen ist sowieso leichter als fortführen, würde aber durch das neue Gesetz in vielen Fällen zwingend und führt damit zum Ausverkauf, mit all den Folgen, die man durch Einhalten der ultimativen Verantwortung in der Hand ansässiger, langfristig denkender Familien vermeiden kann.

Man sollte den ansässigen Familien, die mehr als ihr halbes Vermögen in Firmen mit deutschen Arbeitsplätzen riskieren, die Übergabe sogar erleichtern und nicht erschweren, und einen Teil des Privatvermögens, das zur Not wieder in den Betrieb gesteckt wird, auch verschonen. Wir Familienunternehmer tun das regelmäßig. Die bayerischen Familienunternehmer haben eine konstruktive Lösung, um dieses Gesetz standortfreundlich zu ergänzen. Die CSU versteht dies, aber Berlin scheint hier blind zu sein und die Risiken eines Ausverkaufs nicht sehen zu wollen - oder wieder einmal aus kurzfristigem Opportunismus zu handeln, so wie bei vielen anderen Fehlentscheidungen der großen Koalition, die letztlich gerade auch den europäischen Zusammenhalt gefährden.

Unsere Lösung wäre: Zahlung der Erbschaftsteuer für Betriebe aus der Dividende.

Man sollte das jetzige Gesetz ergänzen um die Regel, dass der beschenkte Erbe die Schenkung- beziehungsweise Erbschaftsteuer aus einem Teil der Dividenden der ersten zehn Jahre zahlen müsste. Wer zehn Jahre keine Dividenden ausschüttet, der würde auch eine Verlängerung dieser Pflicht um weitere zehn Jahre akzeptieren. Dann würde dem Staat zusätzliches Geld zufließen, die Unternehmen blieben unter einheimischer Führung und damit würde auch die Wertschöpfung, das heißt Mehrwertsteuer, Lohnsteuer und Einkommensteuer, die diese Unternehmen zahlen, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in Deutschland bleiben. Für Steuerzahlungen aus der Dividende müssten keine Betriebe verkauft werden.

Noch nie ist angeblich ein Betrieb an der Erbschaftsteuer in Konkurs gegangen, wird immer wieder behauptet. Diese Behauptung ist falsch. Wir haben 20 000 Konkurse pro Jahr in Deutschland. Ein Prozentsatz davon musste vor dem Konkurs Erbschaftsteuer zahlen. Diese Betriebe hätten sonst länger durchgehalten.

Der Arbeitnehmer, dessen Firma wegen Herrn Schäuble - das heißt wegen des neuen Gesetzes - verkauft werden muss, wird es der CDU und SPD nicht danken. Das Verkaufen einer Firma wird in Zeiten niedriger Zinsen immer leichter und der Appetit des Auslands immer größer. Der Gesetzgeber sollte sich bemühen, Anreize zu schaffen beziehungsweise zu erhalten, damit das nicht passiert.

Wenn Erbschaftsteuer aus der Dividende gezahlt wird, dann ist es auch wirklich der Erbe, der sie bezahlt. Wenn aus der (vollversteuerten) Substanz eine Schenkung- oder Erbschaftsteuer abgezweigt wird, bevor ein Nettovermögen beim Empfänger ankommt, dann ist es der Schenker, der aus seinen Ersparnissen etwas abgeben muss, damit die Übergabe funktioniert.

Dies wurde in den Medien bisher nie erklärt: Nur wenn der Erbe aus seinem künftigen Verdienst etwas zahlen muss, zahlt er selber. Solange aus den versteuerten Ersparnissen des Schenkers gezahlt wird, zahlt der Schenker, und die Formulierung "Die Erben müssen zahlen" ist genaugenommen unzutreffend.

Wenn eine Familie wegen der hohen Substanzbesteuerung zum Verkauf gezwungen wird, entscheidet in vielen Fällen ein ausländischer Konzern über die künftige Wertschöpfung in Deutschland. In der Regel wird die Hauptverwaltung eingespart, die Fabrikauslastung wird zentral aus dem Ausland gesteuert, und damit wird Auslastung mit anderen Betrieben - nach einer Optimierung im Sinne des Käufers - international umgeschichtet. Deutschland verliert dabei Arbeitsplätze, Know-how, Wertschöpfung, Kaufkraft und Steuereinnahmen. Die Länder mit den günstigeren Bedingungen gewinnen.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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