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Das geplante Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen soll im Juli in Kraft treten. Aber es verfehlt sein Ziel, einen Beitrag zu mehr Lohngerechtigkeit zu leisten.

Von Jobst-Hubertus Bauer

Nach dem Willen der Bundesregierung soll das am 11. Januar vorgelegte "Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen" (kurz: Entgelttransparenzgesetz) nach Verabschiedung durch den Bundestag am 1. Juli in Kraft treten. Ziel des von SPD-Familienministerin Manuela Schwesig initiierten Gesetzesvorhabens ist, Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen herzustellen. In Deutschland soll, bezogen auf den durchschnittlichen Bruttostundenlohn, die statistische Lohnlücke zwischen Männern und Frauen 21 Prozent betragen.

Hinter dieser angeblichen "unbereinigten" Lohnlücke stehen - und das gibt der Gesetzesentwurf durchaus zu - strukturelle Faktoren und erwerbsbiografische Unterschiede. Insbesondere bewirken eine geschlechtsspezifische Berufswahl, eine geringere Präsenz von Frauen in Führungspositionen, familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und länger andauernde Teilzeittätigkeiten unterschiedlich hohe Vergütungen. Aber auch bei formal gleicher Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen soll nach Angaben des Statistischen Bundesamts, auf das sich der Gesetzgeber beruft, der statistisch messbare Lohnunterschied immer noch sieben Prozent ( "bereinigte Lohnlücke") betragen. Allerdings stellen die sieben Prozent nach dem Statistischen Bundesamt eine Obergrenze dar, da lohnrelevante Einflussfaktoren wie zum Beispiel Angaben zu Erwerbsunterbrechungen für die Statistik nicht zur Verfügung standen. Andere Studien kommen zu einer bereinigten Lohnlücke von gerade mal zwei bis drei Prozent. Jedenfalls soll nach den Vorstellungen der Regierung diese Lohnlücke ein klares Indiz für eine zumindest mittelbare Lohnbenachteiligung zwischen den Geschlechtern sein, weshalb die praktische Anwendung des Gebots, gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit zu zahlen, in der Praxis nicht verwirklicht werde.

Was soll eine Arbeitnehmerin mit den Informationen anfangen? Vor Gericht gehen?

Der beklagte Missstand soll in größeren Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten durch betriebliche Prüfverfahren und Berichtspflichten beseitigt werden. Kern des Entwurfs ist jedoch ein individueller Auskunftsanspruch. Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern sollen Auskunft über Kriterien und Maßstäbe zur Festlegung des eigenen Lohns sowie Informationen über eine "Vergleichstätigkeit" und den dafür gezahlten Lohn verlangen können. Der Auskunftsanspruch erstreckt sich auf das durchschnittliche monatliche Bruttogesamtgehalt einer aus mindestens sechs Personen bestehenden vergleichbaren Gruppe des anderen Geschlechts sowie auf bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile, also zum Beispiel auf das Weihnachtsgeld oder einen Dienstwagen. Was aber ist unter "gleichwertiger Tätigkeit" zu verstehen? Nach der Definition des Gesetzentwurfs sollen Beschäftigte eine gleichwertige Arbeit dann ausüben, wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren, wie zum Beispiel den Ausbildungsanforderungen, als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können. Diese nebulöse Definition birgt heftiges Diskussionspotenzial. Gelingt es dennoch, eine Vergleichsgruppe zu definieren, und weigert sich der Arbeitgeber, Auskunft zu erteilen, greift eine Beweislastumkehr ein mit der Folge, dass der Arbeitgeber im Streitfall nachweisen muss, dass kein Verstoß gegen das Lohngleichheitsgebot vorliegt. Kommt der Arbeitgeber dem Auskunftsanspruch hingegen nach, stellt sich die Frage, was eine Arbeitnehmerin mit den gewonnenen Informationen anfangen kann. Vor Gericht gehen? Wohl kaum, wenn sie ihren Job behalten will.

Im Übrigen sieht das Vorhaben keinen Anspruch auf gleiche Bezahlung vor. Und der bloße Umstand einer "schlechteren" Bezahlung ist kein ausreichendes Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne von Paragraf 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Gehaltsunterschiede bedeuten auch bei formal gleicher Qualifikation eben nicht automatisch eine Diskriminierung von Frauen. Manchmal geben gerade persönliche Kompetenzen oder Eigenschaften den Ausschlag für ein höheres Gehalt, und dies wird auch in Zukunft nicht anders sein. Es besteht nämlich nach wie vor Vertragsfreiheit bei der Aushandlung des Gehalts. Eine Diskriminierung ist erst anzunehmen, wenn weitere Umstände hinzutreten. Erklärt etwa ein Personalleiter einer Mitarbeiterin oder Bewerberin, sie würde mehr verdienen, wenn sie ein Mann wäre, handelt es sich um Diskriminierung. Selbst wenn nicht so plump vorgegangen wird, liegt ein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vor, wenn zum Beispiel die Forderung nach einer den männlichen Kollegen gewährten "gleichen" Vergütung unter Hinweis auf mögliche Nachteile durch bevorstehende Fehlzeiten aufgrund von Schwangerschaft oder Elternzeit vom Arbeitgeber abgelehnt wird. In diesen wenigen Fällen echter Lohndiskriminierung reichen aber die bestehenden Gesetze und Regelungen aus, um sich notfalls auch gerichtlich entsprechend wehren zu können.

Das geplante "Entgelttransparenzgesetz" verfehlt damit sein Ziel, einen Beitrag zu mehr Lohngerechtigkeit zu leisten. Lohngerechtigkeit wird nicht durch bürokratische Prüfverfahren, Berichtspflichten und einen handwerklich kaum praktikablen Auskunftsanspruch hergestellt. Beklagenswert ist der deutsche Fimmel, möglichst immer bis auf die fünfte Stelle hinter dem Komma Einzelfallgerechtigkeit schaffen zu wollen, statt gegebenenfalls auch einmal alle fünfe gerade sein zu lassen. Das ist - so schon der frühere Bundespräsident Roman Herzog - der Fluch unserer Rechtsordnung. Begrüßenswert wäre, wenn anstelle von Symbol- und Schaufensterpolitik die eigentlichen Ursachen der Lohnunterschiede angepackt würden. Höhere Gehälter sind eng mit der beruflichen Karriere verknüpft, und diese kann nur durch einen bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung, eine klischeefreie Berufsorientierung und weitere Anreize bei familienpolitischen Leistungen erreicht werden. Aber auch die Entscheidung von Frauen, sich (mehr) der Familie zu widmen, hat die Gesellschaft zu akzeptieren. Insgesamt gilt, dass der Gesetzgeber Frauen etwas mehr Selbstbewusstsein bei ihrer Karriereentscheidung zutrauen sollte.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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