Forum:Gut und wirkungsvoll

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Viele Betriebe haben während der Corona-Krise Kurzarbeit angemeldet. Sie überbrücken die schwierige Lage mit Geld vom Staat. (Foto: Jens Schierenbeck/dpa)

Kurzarbeit hilft, Krisen zu überstehen. Kritiker befürchten einen Missbrauch der Maßnahme - eine unberechtigte Sorge.

Von Bernd Fitzenberger und Ulrich Walwei

Weitgehend unbestritten ist zunächst einmal, dass Kurzarbeit bisher als zentraler Rettungsschirm für den Arbeitsmarkt während der Corona-Krise gut funktioniert hat. Generell ist Kurzarbeit ein bewährtes Instrument zur Abfederung ökonomischer Krisen auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig gilt: Kurzarbeit ist mit Chancen und Risiken verbunden. Ist die Unterauslastung betrieblicher Kapazitäten vorübergehender Natur, kann Kurzarbeit eine wichtige Brücke sein, um gut eingearbeitete Arbeitskräfte weiter zu beschäftigen. Dies vermeidet Arbeitslosigkeit: Betriebe behalten ihre Arbeitskräfte und die Arbeitskräfte ihren Arbeitsplatz.

Bernd Fitzenberger ist Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und seit Oktober Professor für Quantitative Arbeitsökonomik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. (Foto: Wolfram Murr/Photofabrik Nürnberg/oh)

Ist die vor der Krise gegebene Kapazitätsauslastung jedoch aufgrund eines nachhaltigen Auftragsrückgangs dauerhaft nicht wieder erreichbar, kann Kurzarbeit Betriebe über einen längeren Zeitraum von notwendigen Anpassungen abhalten. Im Extremfall könnten eigentlich nicht überlebensfähige Unternehmen, die sogenannten Zombie-Unternehmen, durch Kurzarbeit weiterbestehen. Fachkräfte könnten an diese Unternehmen gebunden bleiben, obwohl sie von aufstrebenden Unternehmen benötigt werden.

Ulrich Walwei ist Vizedirektor am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Honorarprofessor für Arbeitsmarktforschung am Institut für Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie der Universität Regensburg. (Foto: IAB/dpa)

Soweit die grundsätzliche Betrachtung. Die aktuelle Situation stellt sich so dar: Im Zuge der Corona-Krise wurden die Bedingungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld sowohl für die Betriebe als auch für die Beschäftigten verbessert und die mögliche Bezugsdauer bis Ende 2021 verlängert. Gleichzeitig ist zu beachten, dass wir uns in einer sogenannten "transformativen Rezession" befinden, die Wirtschaft also nach der Krise anders aussehen wird als vorher - die Stichworte "Digitalisierung" und "ökologischer Umbau der Gesellschaft" nennen hier die wichtigsten Trends. Und natürlich ist der weitere Verlauf der Corona-Krise völlig unklar: Niemand kann mit Sicherheit sagen, wann genügend Impfstoffe oder wirksame Medikamente zur Behandlung einer Corona-Erkrankung vorhanden sein werden und damit ein Ende der Corona-Krise absehbar wird.

War die Ausweitung und Verlängerung der Kurzarbeits-Sonderregelungen in dieser Situation angemessen oder schoss man damit über das Ziel hinaus?

Ein Blick auf Fakten und Forschungsbefunde zeigt, dass Kurzarbeit von den Betrieben nicht als Geschäftsmodell gesehen wird - und dass Kurzarbeit auch keine Arbeitskräfte einsperrt.

Der Arbeitsausfall betrug dabei durchschnittlich knapp 50 Prozent

So haben die Betriebe zwar für zwölf Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt und sich damit entsprechende Optionen gesichert. Die Ausschöpfung lag aber selbst beim Höchststand im April mit weniger als sechs Millionen Kurzarbeitenden deutlich darunter. Der Arbeitsausfall betrug dabei durchschnittlich knapp 50 Prozent - und entsprach damit der Arbeitszeit von geschätzt drei Millionen Beschäftigten. Hinzu kommt: Die Inanspruchnahme ist in den vergangenen Monaten rapide gesunken. Im August lag die Zahl der Kurzarbeitenden nach vorläufigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bei knapp 2,6 Millionen. Der durchschnittliche Arbeitsausfall sank auf 36 Prozent - und damit der Arbeitszeit von weniger als einer Million Beschäftigten. Aktuelle Einschätzungen lassen erwarten, dass die Zahl der Kurzarbeitenden bis Oktober zunächst weiter zurückging und mit dem Teil-Shutdown wieder ansteigen könnte.

Die Kostenersparnis durch Kurzarbeit ist geringer, als man vermuten könnte

Hieraus folgt, dass für die überwiegende Mehrheit der Betriebe Kurzarbeit kein Geschäftsmodell, sondern ein kurzfristiges Absicherungsinstrument ist - auch in der aktuellen Krise. Dies liegt zum einen daran, dass für die Betriebe Nichtarbeit der Beschäftigten und die damit einhergehende Nichtproduktion keine Gewinne ermöglichen. Im Gegenteil: Nach wie vor entstehen Kosten, denen während der Kurzarbeit keine Erträge gegenüberstehen. Zum anderen ist gleichzeitig zu beobachten, dass Betriebe häufig das Kurzarbeitergeld der Beschäftigten aufstocken. Laut einer Personenbefragung des IAB war dies im Juni bei etwa der Hälfte der Kurzarbeitenden der Fall. Damit ist die Kostenersparnis durch Kurzarbeit für die Betriebe geringer, als man zunächst vermuten könnte. Dass Betriebe in der Nutzung der Kurzarbeit weit unterhalb des durch die Anzeigen gegebenen Rahmens bleiben, belegt eindrücklich, dass Betriebe Kurzarbeit eher vermeiden, wenn dies möglich ist.

Der von manchen Ökonomen befürchtete "Einsperreffekt" ist ebenfalls vernachlässigbar. So haben auch in der Finanzkrise 2008/2009 Kurzarbeitende den Betrieb gewechselt. Beschäftigte in Kurzarbeit können sich jederzeit einen neuen, zukunftssichereren Arbeitsplatz suchen - und nicht wenige machen das. Das gilt umso mehr, wenn Betriebsschließungen und Massenentlassungen befürchtet werden. Gerade qualifizierte Kräfte verlassen dann häufig frühzeitig die betreffenden Betriebe. In der wissenschaftlichen Literatur ist dieser Effekt unter dem Stichwort "Shadow of Death" gut dokumentiert. Zudem stellt sich die Frage: Was wäre denn die Alternative gewesen? Kurzfristig hätte es einen exorbitanten Anstieg der Arbeitslosigkeit gegeben. Angesichts des gleichzeitigen Rückgangs der offenen Stellen hätten viele der Arbeitslosen nicht schnell eine neue Stelle gefunden.

Schließlich haben Betriebe die Möglichkeit, Kurzarbeit mit Qualifizierung zu verbinden. Damit können sie ihre Belegschaften auf die Transformation vorbereiten. Gleichzeitig verbessern sich durch Weiterbildung die zukünftigen Arbeitsmarkt-Chancen der betroffenen Beschäftigten außerhalb des Betriebes.

Zusammengefasst: Kurzarbeit ist in diesen Zeiten ein effektives Instrument zur Stabilisierung von Arbeitsplätzen, insbesondere in einer Krise, deren Umfang und Ende noch nicht absehbar sind. Diese Krise geht in den allermeisten Fällen nicht auf unternehmerische Fehlentscheidungen zurück. Die verlängerten Fördermöglichkeiten schaffen Planungssicherheit und verhindern ein ansonsten drohendes Abgleiten in eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale.

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