Folge der Siemens-Affäre:Unternehmen sollen sich nicht mehr selbst kontrollieren

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Der direkte Wechsel von Vorstandschefs auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden könnte schon bald verboten werden.

Nina Bovensiepen und Caspar Busse

Wie es am Dienstag in Berlin hieß, haben Unionsfraktionschef Volker Kauder und sein SPD-Kollege Peter Struck vereinbart, dass Schwarz-Rot Anfang 2007 ein Gesetz auf den Weg bringen soll.

Volkswagen gehört zu den 14 Dax-Unternehmen, die von ehemaligen Konzernchefs kontrolliert werden. (Foto: Foto: ddp)

Die Anregung dafür sei von Kauder ausgegangen. Dass dieser jetzt die Initiative ergriffen haben, brachten Koalitionspolitiker auch mit der Korruptionsaffäre bei Siemens in Zusammenhang.

Konkrete Details für eine Gesetzesinitiative lägen noch nicht vor, hieß es.

Auf jeden Fall solle eine Neuregelung aber den sofortigen Wechsel eines Vorstandschefs in das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden derselben Firma verbieten.

Modell Schamfrist ohne Erfolg

Auch die Grundsätze für gute Unternehmensführung der Regierungskommission Corporate Governance schlagen eine Pause zwischen diesen Posten vor - deutsche Unternehmen ignorieren die Vorschrift aber weitgehend.

Sogar der Vorsitzende der Kommission, Gerhard Cromme, verstößt dagegen. In den Fraktionen von SPD und Union sowie bei Politikern der Opposition stieß das Vorhaben auf Zustimmung, Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) lehnt die Pläne nach Angaben eines Sprechers jedoch ab.

Zypries sei dagegen, den direkten Wechsel vom Chefposten im Vorstand zum obersten Aufseher zu verbieten. Der Corporate Governance Kodex biete nach Meinung der Ministerin hierfür ,,einen geeigneten Rahmen'', erklärte ihr Sprecher.

Der CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs, der kürzlich einen ähnlichen Vorstoß wie nun Kauder gemacht hatte, begrüßte die Pläne dagegen. ,,Ich finde es richtig, dass die große Koalition hier handelt. Lieber wäre es mir, wenn die Unternehmen die Regeln der Cromme-Kommission befolgen würden, aber wenn das nicht passiert, müssen wir etwas tun'', sagte Fuchs der Süddeutschen Zeitung.

SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend erklärte, der in deutschen Konzernen übliche Wechsel vom Vorstandsposten auf den Vorsitz des Aufsichtsrats sei ,,ein Problem, weil das im Regelfall eine unbefangene Kontrolle erschwert''. Er sei ,,sehr offen'', hier gesetzlich einzugreifen.

Wie es in Koalitionskreisen hieß, sei es vorstellbar, eine fünf oder sechs Jahre währende Sperrfrist im Aktienrecht zu verankern. FDP-Vize Rainer Brüderle, der sich seit langem für eine Zwangspause von drei bis fünf Jahren stark macht, sagte: ,,Hier besteht seit Jahren Handlungsbedarf. Es ist ermutigend, wenn die Bundesregierung jetzt endlich ihre Untätigkeit überdenkt.''

Derzeit stehen in 14 der 30 Dax-Unternehmen ehemalige Vorstandschefs dem Aufsichtsrat vor, beispielsweise Cromme bei Thyssen-Krupp, Henning Schulte-Noelle bei der Allianz oder Heinrich von Pierer bei der Siemens AG.

Kritik am kompletten Verbot

,Die aktuellen Vorgänge bei Siemens belegen nach Ansicht der Politiker die Notwendigkeit neuer Regeln. ,,In Pierers Amtszeit sind die Dinge passiert, die nun aufgeklärt werden sollen. Das zeigt, dass solche Wechsel nicht die Regel sein sollten'', sagte Wend.

Fuchs verwies außerdem auf das Beispiel VW, wo der frühere Vorstandschef und amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch die Ablösung seines Nachfolgers Bernd Pischetsrieder mit betrieben hatte. ,,Ein neuer Vorstand sollte für ein paar Jahre frei wirken können'', sagte Fuchs.

Auch Aktionärsschützer und institutionelle Investoren hatten in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, wenn Manager direkt von der Unternehmensspitze in den Aufsichtsratsvorsitz gewechselt waren.

Ein komplettes Verbot eines solchen Wechsels sei aber nicht sinnvoll, sagte ein Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Es gebe auch Beispiele, wo diese Praxis gut laufe, etwa bei der Lufthansa. Die DSW schlägt vor, dass Aktionäre auf der Hauptversammlung nicht nur die Vertreter für den Aufsichtsrat wählen, sondern auch den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter für das Kontrollgremium bestimmen sollen.

"Eine solche Lösung wäre uns deutlich lieber als ein komplettes Verbot'', sagte der DSW-Sprecher. Vorstandschefs, die direkt an die Aufsichtsratsspitze wechseln wollten, müssten dann gute Gründe dafür nennen und die Aktionäre überzeugen.

Damit würde die Praxis nicht zur Regel, aber Ausnahmen wären möglich. Auch die Fondsgesellschaft Union Investment lehnt ein striktes Verbot des Wechsels von der Unternehmens- an die Aufsichtsratsspitze ab. ,,Das wäre überzogen und nicht zielführend'', sagte ein Sprecher. Oft würden ehemalige Vorstände, die das Unternehmen sehr gut kennen, für Expertise im Aufsichtsrat sorgen.

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