Folge der Finanznot:Städte wollen ihre Wohnungen versilbern

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Auf Mieter kommen ungemütlichere Zeiten zu: Jede vierte Kommune in Deutschland will einer Studie zufolge ihre Wohnungen verkaufen. Während sich die SPD sperrt, hält die Union das Aufbegehren für sinnlos.

Ulrich Schäfer und Simone Gröneweg

Steinbrücks Staatssekretär Axel Nawrath sagte, die Regierung werde die Wohnimmobilien aus dem Gesetz für börsennotierte Immobiliengesellschaften wieder herausnehmen.

Frühere kommunale Wohnungen in Dresden - sie wurden an den Investor Fortress verkauft. (Foto: Foto: AP)

Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, das Gesetz über Real Estate Investment Trusts (Reits) werde derzeit zwischen den Ministerien endgültig abgestimmt. Die Äußerungen von Nawrath gäben den Stand der Diskussion wieder. Das Kabinett soll am 2. November über das Gesetz beraten.

Der Bundesfinanzminister reagiert damit auf den massiven Widerstand in seiner Partei. Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte in einem Brief an Steinbrück vorige Woche mitgeteilt, er könne dem Entwurf nicht zustimmen.

Auch die Finanzpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion hatten in den vergangenen Monaten immer wieder erklärt, dass sie Steinbrücks Pläne ablehnen: ,,Wären die Wohnimmobilien weiter drin, dann würde das Gesetz mit 110-prozentiger Sicherheit in der SPD-Fraktion scheitern'', erklärt der bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Pronold.

Zustimmung offen

Auch nach der jüngsten Änderung sei offen, ob die SPD-Fraktion dem Gesetz zustimmen werde, sagte Pronold. Es gebe erhebliche Bedenken gegen die Steuervorteile, die Steinbrück den Fonds einräumen will.

Die Union forderte den Finanzminister auf, standhaft zu bleiben. Steinbrück solle sein Gesetz in der ursprünglichen Form ins Kabinett bringen, sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Otto Bernhardt.

"London, Paris oder Irland"

Der Entwurf habe in der Fachwelt und in den Ländern breite Zustimmung gefunden. Bernhardt hielt der SPD vor, dass sie den Börsengang deutscher Wohnimmobilien nicht werde verhindern können: ,,Dann werden die Wohnungen eben bei einer Gesellschaft landen, die in London, Paris oder Irland sitzt.'' Mit diesem Argument hatte auch schon Steinbrück versucht, die Kritiker zu überzeugen.

Wie die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PWC) herausfanden, wollen sich überwiegend mittelgroße und kleine Kommunen von einem Teil ihres Wohnungsbestands trennen. Städte in Ostdeutschland seien dabei zurückhaltender als in Westdeutschland.

In den neuen Bundesländern sei die Abrissbirne angesichts hoher Leerstände das bevorzugte Mittel, sich von Wohnungen zu trennen. Für die Studie wurden 204 Kommunen mit einem Gesamtbestand von mehr als 921.000 Wohnungen befragt.

Helmut Trappmann, Leiter des Immobilienbereichs bei PWC, glaubt aber nicht, dass es zum von der SPD befürchteten großen ,,Ausverkauf'' kommen werde. So hätten nur sechs Prozent der befragten Kommunen bereits mehr als die Hälfte ihres Besitzes abgegeben. 80 Prozent der Städte hätten bislang weniger als ein Zehntel ihres Bestandes verkauft.

Die meisten Kommunen haben PWC zufolge an externe Investoren oder an die Mieter verkauft. Mit den Erlösen wollen die Städte vor allem ihre Schulden abbauen und Sanierungen vorantreiben. So veräußerte die Stadt Dresden im Frühjahr dieses Jahres ihren kompletten Wohnungsbestand an den amerikanischen Finanzinvestor Fortress.

Dieser brachte seine Immobilienfirma Gagfah, zu der auch die ehemaligen Wohnungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gehören, in der vorigen Woche an die Börse.

Die Gagfah ist ähnlich wie ein Reit konstruiert, sitzt aber nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg. Auch das Land Berlin will nach seiner gescheiterten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nun mehr Wohnungen verkaufen.

Bedauern, aber auch Verständnis

Immobilienexperten bedauerten, dass die Regierung die Wohnimmobilien aus dem Entwurf gestrichen hat und nur Gewerbeimmobilien an der Börse zulassen will. Sie zeigten aber auch Verständnis.

Heiko Beck von der Initiative Finanzstandort Deutschland sagte auf der Immobilienmesse Expo Real: ,,Wir können Wünsche äußern, aber die Gesetze werden in Berlin gemacht.'' Beck: ,,Wir wollen die Reits, und zwar möglichst mit Wohnungen. Früher oder später kommen die ohnehin dazu.''

Das Marktvolumen der neuen Immobiliengesellschaften liegt Schätzungen zufolge bei 100 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010, daran hätten die Wohnungen einen Anteil von 20 Prozent. ,,Fallen die weg, begrenzt man das Volumen unnötig'', so Beck.

Oliver Puhl, deutscher Immobilienchef von Morgan Stanley, sagte: ,,Es gibt keine sachlichen Gründe, die Wohnungen auszuklammern.'' Aber auch er zeigte sich pragmatisch.

"Endlich ein Gesetz"

Der Immobilienwirtschaft sei am meisten geholfen, wenn es endlich ein Gesetz zu den börsennotierten Immobiliengesellschaften gebe. Und das müsse nun mal politisch konsensfähig sein - ob mit oder ohne Wohnungen.

© SZ vom 24.10.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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