Flugzeugbau:Neuer Machtkampf bei Airbus

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Bei Airbus wird eingeräumt, die Konkurrenz durch Boeing unterschätzt zu haben. Doch im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten Noël Forgeard plant Airbus-Chef Gustav Humbert die erforderlichen Gegenmaßnahmen lieber im Stillen.

Jens Flottau

Der europäische Flugzeughersteller Airbus wird das geplante Langstreckenflugzeug A350 voraussichtlich grundlegend neu entwickeln. Airbus-Chef Gustav Humbert räumte Fehler in der Konzeption und Marktbewertung ein. Airbus habe die Boeing-Konkurrenz in diesem Segment unterschätzt.

Der Airbus A380: Im Segment der großen Passagierjets liegt Airbus inzwischen unangefochten vor Boeing. (Foto: Foto: dpa)

Nach massiver Kritik von Kunden an dem bestehenden Entwurf des A350 müssen bis zu vier Milliarden Euro zusätzlich in die Entwicklung der Maschine gesteckt werden.

Das neue Flugzeug soll mit der für 2008 angekündigten Boeing 787 Dreamliner konkurrieren. Wegen der Änderungen an dem neuen Airbus-Flugzeug ist nun auch ein schwelender Streit um die Macht bei dem Flugzeughersteller neu entbrannt.

Details öffentlich gemacht

Airbus-Chef Gustav Humbert kritisierte bei der Internationalen Luftfahrtausstellung ILA in Berlin seinen Vorgesetzten, EADS-Vorstandschef Noël Forgeard, weil er Details der Planungen öffentlich gemacht hatte.

Mehrere französische Zeitungen hatten nach einem Treffen mit Forgeard berichtet, dass eine Entscheidung für ein neues Flugzeug im Prinzip gefallen sei. Der A350 werde voraussichtlich in A370 umbenannt und in verschiedenen Versionen (250 bis 350 Sitze) angeboten.

Forgeard forderte demnach auch eine grundlegende Erneuerung von Airbus, weil er "gewisse Symptome einer Wachstumskrise" festgestellt habe. "Gemeinsam mit Gustav Humbert werden wir das kraftvoll angehen", zitierten französische Zeitungen Forgeard.

Vertraulichkeit gebrochen

Humbert reagierte deutlich verärgert. "Ich war ein bisschen überrascht, diese Details zu lesen", sagte er in Berlin. Bei den internen Sitzungen habe man Vertraulichkeit vereinbart. "Ich zumindest werde mich an diese Verpflichtung halten." Er habe kein Interesse, sich "an einem Wettbewerb der Ankündigungen zu beteiligen".

Dass Forgeard öffentlich seine Überlegungen zu internen Änderungen in der Organisation bei Airbus ankündige, sei ein bemerkenswertes Zugeständnis.

Anders als Forgeard wolle er allerdings Themen wie Entwicklungszyklen, Forschungsausgaben, Kostensenkungen und Internationalisierung erst intern ansprechen. Inhaltlich stimmten die beiden in ihrer Analyse überein.

Vorgänger

Forgeard ist Humberts Vorgänger als Airbus-Chef, EADS ist derzeit mit 80 Prozent an dem Flugzeughersteller beteiligt. Als Forgeard im vergangenen Jahr auf die Konzernebene wechselte, wollte er sich weiterhin den direkten Zugriff auf Airbus sichern.

Über die Zuständigkeiten der beiden EADS-Chefs Forgeard und Thomas Enders war ein monatelanger Streit zwischen französischen und deutschen Anteilseignern entbrannt.

Laut Humbert ist über den teuren Neustart des A350 noch keine definitive Entscheidung gefallen. "Es ist immer noch alles möglich", sagte Humbert in Berlin. Änderungen würden nur beschlossen, wenn sie mehr Gewinn brächten und die Marktakzeptanz verbesserten. "Wir nehmen uns die nötige Zeit, den A340 und A350 zu überdenken."

Massive Nachbesserungen

Dass Humbert den vierstrahligen A340 in die Überlegungen einbezieht, ist allerdings ein weiterer Hinweis darauf, dass sich Airbus für massive Nachbesserungen wie einen breiteren Rumpf und neue Tragflächen entscheidet.

Humbert machte auch deutlich, dass er den Mut habe, Veränderungen durchzusetzen. Er sei in den vergangenen fünf Jahren Mitglied des Airbus-Managements gewesen und trage damit ebenso wie Forgeard Verantwortung für mögliche Fehler.

350 Bestellungen bei Boeing

"Wir müssen sagen, dass wir vor zwei Jahren die Boeing 787 unterschätzt haben", gab er zu. Für das Konkurrenzmodell des A350 liegen bislang 350 Bestellungen vor, Airbus kommt nur auf 182 Aufträge.

Laut Humbert wird Airbus im laufenden Jahr etwa 430 Flugzeuge ausliefern, etwa 50 mehr als 2005. Künftig werden monatlich 32 Standardrumpfmaschinen der A320-Baureihe gebaut, sowie acht Langstreckenjets. Dies entspreche einer Ausweitung der Produktion um ein Drittel innerhalb von zwei Jahren.

Humbert prognostizierte weitere Steigerungen in den nächsten Jahren. Im ersten Quartal 2006 habe Airbus eine Umsatzrendite von zehn Prozent erreicht, dies sei auch das Ziel für das Gesamtjahr.

Keine Liefertermine mehr

Zwar führe Airbus derzeit im Jahr 2006 bei den Aufträgen, doch dies liege auch daran, dass für viele Airbus-Maschinen keine Liefertermine mehr zur Verfügung stünden.

"Wenn Sie unseren Auftragsbestand sehen, dann sind wir in den nächsten vier Jahren ausverkauft", so Humbert. Sein strategischer Schwerpunkt liege nicht auf dem Marktanteil, sondern auf der Gewinnmarge, solange der Marktanteil nicht unter 40 Prozent falle.

© SZ vom 18.05.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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