Flugsicherheit:Film ab!

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Akteure der Peking-Oper (hier bei einer Aufführung) bringen Gästen von Hainan Airlines die Sicherheitsregeln an Bord nahe. (Foto: How Hwee Young/dpa)

Handys aus - von wegen, anschnallen - muss das sein? In China haben es die Bord-Besatzungen schwer, die Regeln zu vermitteln. Filme sollen helfen.

Von Marcel Grzanna

Sekunden vor dem Aufsetzen. Den Fluggast treibt ein dringendes Bedürfnis. Er steht auf und nimmt Kurs auf die Bordtoilette. Als zwei Stewardessen ihn entdecken, brüllen sie ihn aus vollem Hals an, er solle bitte zurück auf seinen Platz. Der Mann hat Glück. Nur Augenblicke nachdem er in seinen Sitz gesunken ist, setzt die Maschine auf.

Stehende Passagiere unmittelbar vor oder nach der Landung sind auf chinesischen Inlandsflügen keine Seltenheit. Viele erheben sich schon, um Taschen aus dem Gepäckfach über ihnen zu greifen, während das Flugzeug noch mit 200 km/h über den Asphalt rast. Manche Eltern lassen ihre Kinder sogar im Stehen landen, weil die angeschnallt nur sehr schlecht aus dem Fenster schauen können. Mitte August verletzten sich 30 Menschen auf einem Inlandsflug mit Hainan Airlines, als starke Turbulenzen im Landeanflug die Maschine auf 4000 Meter Höhe durchschüttelten. Viele Passagiere waren entgegen der Anweisung nicht angeschnallt und wurden aus ihren Sitzen geschleudert.

Dabei versuchen auch chinesische Fluglinien unermüdlich, ihren Passagieren die Sicherheitshinweise einzubläuen und ihnen die Gefahren bewusst zu machen. "Das Verständnis von Flugsicherheit bei den Passagieren ist weit davon entfernt, ausreichend zu sein. Und wir fragen uns, wie wir das Problem in den Griff bekommen", sagt eine Sprecherin von Hainan Airlines. Das Problem ist, dass sich viele Gäste von Durchsagen über das Bordmikro gar nicht angesprochen fühlen. Die Bitte, dass Telefone erst beim Stillstand der Maschine angeschaltet werden sollen, geht in chinesischen Flugzeugen üblicherweise im Konzert der Begrüßungstöne hochfahrender Smartphones unter.

Um die Aufmerksamkeit ihrer Kunden zu gewinnen, haben chinesische Luftlinien die sonst so drögen Sicherheitsfilme des Bordprogramms aufgemöbelt. Hainan Airlines setzt auf die legendären Calabash Brüder, die als Animationsfiguren seit den 1980er Jahren chinesische Kinderherzen erobern. Jetzt erleben die sieben Geschwister aufregende Abenteuer mit einer bösen Magierin, während sie ins Flugzeug steigen. Eingesperrt in einer mit Petroleum gefüllten Wunderlampe erklären sie dann, wie man Schwimmwesten richtig anlegt. Seit Februar läuft der Clip. Fünf Millionen Menschen haben ihn bereits gesehen, an Bord eines Flugzeugs oder im Internet. "Wir glauben, dass die Leute die Regeln einfacher verinnerlichen durch die unterhaltsame und witzige Präsentation", heißt es aus dem Unternehmen.

Alternativ lässt Hainan Airlines kunstvoll geschminkte Charaktere der Peking-Oper die Verhaltensregeln propagieren. Die Konkurrenz von China Southern schickt Passagiere per Rotoscoping über Berggipfel. Es ist die gleiche Technik, die im Musikvideo "Take on me" der Popgruppe A-ha angewendet wurde. Echte Menschen in gezeichneten Flugzeugkabinen gleiten dabei über Schwarz-Weiß-Zeichnungen von schneebedecktem Gebirge. Dabei werden originale Bilder mit dem Bleistift nachskizziert. Beliebt bei den Produzenten sind auch Kinder, die in China üblicherweise viel Aufmerksamkeit erhalten. Shenzhen Airlines setzt auf Hauptdarsteller im Alter von vier bis acht Jahren, die gekleidet wie Erwachsene deren Verhalten persiflieren.

Das Konzept geht vordergründig auf. Die Unternehmen erhalten gutes Feedback von Kunden und in den Medien. Doch Chinas Fluggäste erweisen sich bislang als resistent. "Die Probleme mit ignoranten Passagieren sind hinlänglich bekannt, aber wir haben sie auch durch die neuen Filme bislang nicht gelöst", sagt eine Sprecherin von Shenzhen Airlines. Die Flugbegleiter werden von den Unternehmen angehalten, die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen strikt zu kontrollieren. Doch manche Teams haben offenbar schon resigniert. Regelmäßig kommt es an Bord chinesischer Inlandsflüge vor, dass niemand prüft, ob die Anschnallgurte tatsächlich angelegt sind vor der Landung.

Um die Eigenverantwortung ihrer Kunden zu schärfen, wollen die Fluglinien auch in Zukunft bunte Sicherheitsfilme produzieren. Wenn es nicht gelingt, die Kunden zu disziplinieren, hat man bei Hainan Airlines immerhin noch eine andere Hoffnung. "Die Leute setzen sich schneller hin, wenn die Filme laufen. Dann ist die Chance größer, dass wir pünktlich abheben."

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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