Fluggesellschaften:Lufthoheit

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Dickes Problem: Hunderte Flugzeuge der Lufthansa wie diese A380 werden momentan nicht gebraucht. (Foto: Silas Stein/dpa)

Die Corona-Folgen werden auch den deutschen Markt verändern. Womöglich könnte ausgerechnet Lufthansa profitieren - und sich einen der letzten Wettbewerber schnappen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als Klaus-Dieter Scheurle am Donnerstag per Videokonferenz die Bilanz der Deutschen Flugsicherung (DFS) präsentierte, zeigte er einen Chart, bei dem die Trendlinie zur Abwechslung einmal nach oben ging. Es handelte sich um die Verkehrsprognose der DFS. Und wenn diese stimmt, dann geht es von Mai an langsam wieder aufwärts mit dem Luftverkehr. Bis Dezember könnte er sogar wieder 75 Prozent seines früheren Volumens erreicht haben. Derzeit fertigt die DFS nur etwa 15 Prozent der Flüge ab, die sie an einem normalen Tag bewältigen muss.

Es sei einmal dahingestellt, ob Scheurles Prognose eintritt. Sie ist allerdings tatsächlich pessimistischer als die der International Air Transport Association (IATA) für den weltweiten Luftverkehr. Der Branchenverband rechnet damit, dass man bis Jahresende wieder bei 90 Prozent des früheren Volumens angekommen sein könnte. Viel wichtiger ist indes aber eine andere Frage: Wer ist bis dahin von den deutschen Fluggesellschaften eigentlich noch übrig? Und in welcher Form und in wessen Eigentum?

Nach den Pleiten von Air Berlin und kleineren Anbietern wie Germania gibt es in Deutschland mit der Lufthansa und ihren diversen Tochtergesellschaften und Beteiligungen wie Sun Express einen unangefochtenen Marktführer. Mit der zum Reisekonzern Tui gehörenden Tuifly und der Condor existieren daneben noch zwei deutlich kleinere Airlines, die beide auf den Ferienverkehr spezialisiert sind. TUI und Condor haben bereits Staatshilfe beantragt, auch Lufthansa befindet sich, so ein Sprecher gegenüber Reuters, "mit der Bundesregierung im engen Austausch, um die Liquidität zu sichern." Wie genau das passieren könnte, steht nach SZ-Informationen noch nicht fest - im Raum stehen Milliarden-Kredite, aber auch eine zeitweise Staatsbeteiligung. Der eigentlich komplizierte Fall ist die Condor. Nach jahrelangen Wirrungen könnte am Ende genau das passieren, was viele in der Branche sowieso von Anfang an für sinnvoll gehalten haben: Dass die Lufthansa als neuer Mehrheitseigner einsteigt.

In der Branche hielt man es von Anfang an für sinnvoll, dass Lufthansa bei Condor einsteigt

Seit Jahren hat Lufthansa Interesse an Condor - vor allem das auf Ferienziele fokussierte Langstreckengeschäft würde gut in den Konzern passen. Hier hat die Lufthansa eine große Lücke, die sie bislang nicht füllen konnte. Schon Anfang 2019, als der damalige Condor-Eigner Thomas Cook die Airline-Sparte verkaufen wollte, um an Geld zu kommen, gab Lufthansa ein Angebot ab. Später zog Thomas Cook die Verkaufspläne zurück und brach Ende September 2019 zusammen. Condor durchläuft seither ein Schutzschirmverfahren, das die Gesellschaft eigentlich in diesen Tagen beenden sollte. Die polnische Staatsholding PGL, zu der auch LOT Polish Airlines gehört, hatte einen verbindlichen Kaufvertrag unterschrieben, aus dem Erlös sollte Condor auch einen Überbrückungskredit in Höhe von 380 Millionen Euro zurückzahlen, der am 15. April fällig wird und für den der Bund und das Land Hessen gebürgt haben.

Doch nach Einschätzung zahlreicher Quellen steht die PGL-Übernahme vor dem Aus. Tochter LOT hat den Flugbetrieb eingestellt, Condor bedient nur noch Rückkehrerflüge und ist selbst weniger wert, die finanzierenden Banken machen Schwierigkeiten. Hinzu kommt: Es war schon in besseren Zeiten nicht so recht klar, warum es für PGL sinnvoll sein sollte, Condor zu übernehmen. Condor-Chef Ralf Teckentrup war froh, überhaupt einen Käufer gefunden zu haben, doch Illusionen über die strategischen Chancen machte auch er sich nicht.

Nun zeichnet sich folgendes Szenario ab: PGL könnte doch noch aus dem Geschäft aussteigen und die für diesen Fall vorgesehene Konventionalstrafe in Kauf nehmen. Das Schutzschirmverfahren wird dann ebenso wie der Überbrückungskredit verlängert, die KfW steigt übergangsweise bei Condor ein und finanziert diese zumindest in den nächsten Monaten. Wenn das Gröbste überstanden ist, startet sie schließlich den Verkaufsprozess.

Genau an dieser Stelle kommt schließlich Lufthansa ins Spiel, der die KfW bis dahin womöglich auch geholfen haben könnte, zumindest mit staatlich verbürgten Krediten. Sprich: Die KfW wird in diesem Szenario bei Lufthansa mitreden können. Und was läge näher, als die Condor wieder in den Lufthansa-Konzern zu integrieren, zu dem sie sowieso über Jahrzehnte gehört hat? Bei Lufthansa wüsste man auch schon, welche Rolle Condor im Verbund spielen könnte: Sie würde vor allem Fernstrecken zu Ferienzielen übernehmen, auf denen die eigene Tochter Eurowings auch vor der Krise hohe Verluste einflog. Und noch einen Vorteil hätte eine Übernahme aus Sicht des Marktführers: Die durch die Corona-Folgen schrumpfende Lufthansa, könnte überzählige Langstreckenjets (vermutlich vom Typ Airbus A330) zu Condor verschieben, die ihre 16 alten Boeing 767 schnell ausmustern muss.

Als unüberwindbare Hürde für die Transaktion galten bislang die Kartellwächter, denn Lufthansa könnte so ihre Stellung in Deutschland weiter stärken. Doch angesichts der Umstände und mangels Alternativen dürften sich auch hier die Maßstäbe verschoben haben.

© SZ vom 03.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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