Fluggesellschaft:Vor dem Sturm

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Air Berlin kündigt angesichts hoher Verluste für Ende des Jahres einen tiefen Konzernumbau an.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Air-Berlin-Chef Stefan Pichler ist ein Mann, der klare Worte schätzt. Doch wenn es um die Kernpunkte der geplanten Neuausrichtung der angeschlagenen Fluggesellschaft geht, dann wird er ziemlich einsilbig. Die müsse er erst mit dem Aufsichtsrat bei der nächsten Sitzung im Herbst besprechen, ließ Pichler am Donnerstag bei der Vorlage der schwachen Ergebnisse des ersten Halbjahres wissen. Nur so viel: "Nach dem Sommer geht der Umbau los." Er selbst hat offensichtlich schon entschieden. Für Air Berlin dürften die Zeiten relativer Ruhe in einigen Wochen vorbei sein. Wenn der Aufsichtsrat, vor allem aber der größte Anteilseigner Etihad Airways, den im Frühjahr installierten neuen Chef machen lässt, dann wird es für viele Mitarbeiter richtig ungemütlich. Teile des Unternehmens wie etwa die Wartung oder administrative Funktionen könnten ausgegliedert werden, die billiger operierende österreichische Tochter Niki könnte nach dem Vorbild der Lufthansa-Tochter Eurowings mehr Strecken übernehmen, die sich für die Hauptmarke nicht mehr rentieren. Vor allem aber dürfte das Streckennetz deutlich ausgedünnt und umgebaut werden - die interne Studie ist seit einigen Wochen fertig. Die Folge: Air Berlin dürfte dann deutlich zu viele Mitarbeiter für das Restprogramm haben, und es wird sich die Frage stellen, wie das Management die Situation meistert. Drohen Air Berlin dann auch wochenlange Streiks wie beim Konkurrenten Lufthansa?

Currywurst für die Aktionäre - doch wie lange noch kann Air Berlin den größten Anteilseigner Etihad bei Laune halten? (Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

"Dialog statt Klassenkampf" will Pichler einführen, doch angesichts möglicherweise massiver Einschnitte sind Konflikte kaum zu vermeiden.

Zumal der neue Chef seit Amtsantritt auf den ersten drei Managementebenen kräftig aufgeräumt hat, ein Prozess der jetzt "zu 75 Prozent" abgeschlossen ist. Anders gesagt: Es gibt immer noch Abteilungsleiter, die um ihre Jobs fürchten müssen. Die Verunsicherung ist entsprechend groß, auch Geschäftspartner rätseln, ob ihre Kontaktpersonen noch etwas zu sagen haben oder bald verschwunden sein werden. Viele gute Leute, die vom alten Vorstandschef Wolfgang Prock-Schauer ausgebremst worden waren, sind schon weg, sagt ein Air-Berlin-Kenner. Angesichts der weiterhin prekären wirtschaftlichen Lage stellen sich aber noch andere wichtige Fragen. Kann Air Berlin eine im November fällige Anleihe in Höhe von 196 Millionen Euro zurückzahlen? Wird eine neue Rekapitalisierungsrunde nötig sein?

Laut Finanzchef Arnd Schwierholz kann die Fluggesellschaft für die Anleihe auf einen derzeit nicht angetasteten Gesellschafterkredit von Etihad zurückgreifen, der schon vor Längerem vereinbart wurde. Seit einiger Zeit gibt es allerdings Spekulationen über eine Sammelanleihe Etihads, von der auch Air Berlin profitieren würde. Die Anleihe soll rund eine Milliarde Dollar bringen und dem Vernehmen nach an mehrere Etihad-Tochtergesellschaften verteilt werden. Bei der Anleihe wirkt auch der Finanzdienstleister Anoa Capital mit, der in Verbindung zur Private-Equity-Firma Sapinda steht. Sapinda befindet sich wiederum mehrheitlich im Besitz von Lars Windhorst. Dieser war 2008 kurzzeitig über die Sapinda-Tochter Vatas mit knapp 19 Prozent an Air Berlin beteiligt. Die in Luxemburg ansässige Anoa Capital hat Air Berlin schon bei früheren Anleihen geholfen. Sapinda selbst ist nach Angaben eines Sprechers nicht beteiligt. Auf Etihad-Seite ist nun der frühere Air-Berlin-Finanzchef Ulf Hüttmeyer für Finanzthemen der Töchter zuständig.

Pichler und Schwierholz müssen nun gleichzeitig bilanzielle und operative Probleme lösen. Die Ergebnisse des ersten Halbjahres machen aber deutlich, dass das Unternehmen bestenfalls auf der Stelle tritt. Das Eigenkapital, das Anfang des Jahres mit minus 415 Millionen Euro schon negativ war, hat sich auf minus 575 Millionen Euro verschlechtert. Laut Schwierholz habe dies "nichts mit Insolvenz zu tun", denn es gelte nur für die Gruppe, nicht aber für die operativen Gesellschaften. Anlass zur Sorge muss sein, dass Air Berlin im zweiten Quartal die Kapazität bereits deutlich um 7,1 Prozent zurückgefahren hat, die Nachfrage aber sogar noch stärker - um 7,6 Prozent - rückläufig war. Deswegen ist der sogenannte Yield, also der Umsatz pro verkauften Sitz, noch geringer geworden. Für die ersten sechs Monate ist die wichtige Kenngröße um 0,7 Prozent gestiegen, allerdings auf immer noch zu niedrigem Niveau. Der Umsatz ging im ersten Halbjahr um zwei Prozent auf 1,86 Milliarden Euro zurück, auch der Verlust weitete sich aus - um 23 Prozent auf 247 Millionen Euro -, weil das Unternehmen im vergangenen Jahr positive Effekte bei Sicherungsgeschäften einrechnen konnte.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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