Flüchtlinge:Kostet die Flüchtlingskrise die Krankenkassen Milliarden?

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Eine Ärztin impft im Berliner LaGeSo einen Flüchtlingsjungen gegen Mumps und Masern. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • Die Frankfurter Rundschau hat errechnet, dass aufgrund der vielen Flüchtlinge in Deutschland auf die Krankenkassen zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe zukommen könnten.
  • Allerdings sind in dieser Rechnung viele Aspekte unberücksichtigt, die noch niemand absehen kann.

Von Guido Bohsem, Berlin

Über den Gesundheitszustand der Flüchtlinge in Deutschland hat es schon viele Spekulationen gegeben. Wer den langen Weg auf sich genommen hat, so lautet die eine Lesart, könne unmöglich ernsthaft krank sein. Ansonsten hätte er die Reise nicht überstanden. Für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein Segen, weil keine nennenswerten Kosten entstehen. Die andere Lesart kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Viele Flüchtlinge litten an unbehandelten, teils schweren Erkrankungen und benötigten eine teure Behandlung des Körpers und - zumal die aus den Kriegsgebieten - der Seele.

Kommt nun eine Kostenlawine für die GKV oder nicht? Entsteht ein Milliardendefizit, das die Beitragszahler decken müssen, wie am Mittwoch sehr oft zu lesen war? Es bleibt unklar. Die zuständigen Stellen jedenfalls wissen keine Antwort. "Es gibt keine validen Zahlen über die Kosten der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen", sagt eine Sprecherin des Spitzenverbandes der Kassen. Ähnlich urteilen auch die Sprecherinnen des Gesundheits- und des Finanzministeriums.

Tatsächlich ist die Kostenrechnung enorm kompliziert. Um annähernd abzuschätzen, wie stark die medizinische Versorgung der Flüchtlinge die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) belasten wird, muss man zwei Dinge wissen. Zum einen wird bei Weitem nicht jeder Flüchtling reguläres Mitglied einer Krankenkasse. Zweitens ist längst nicht sicher, ob die Flüchtlinge weiterhin so hohe Gesundheitskosten verursachen wie jetzt.

Nicht anerkannte Asylbewerber rutschen nach 15 Monaten in ein anderes System

In den ersten 15 Monaten des Aufenthalts bestimmt sich die medizinische Versorgung nach der sogenannten Grundleistung. Die Ansprüche sind grundsätzlich eingeschränkt. Die Kosten dafür tragen immer die Kommunen. Die Bundesländer arbeiten daran, den Flüchtlingen Gesundheitskarten der Kassen auszustellen.

Sofern sie nicht anerkannt sind, rutschen die Asylbewerber nach 15 Monaten in ein anderes System. Nach Angaben des Bundessozialministeriums erhalten sie ihre Leistungen dann analog zum Sozialleistungsgesetz (SGB XII). Sie haben also Anspruch auf die volle medizinische Versorgung der GKV und werden auch von den Kassen betreut. Die Kosten der Behandlung aber tragen weiter die Kommunen.

Nur wer als Asylbewerber anerkannt ist, kann ohne Einschränkungen in die gesetzliche Krankenversicherung. Wer davon noch einer Beschäftigung nachgeht, zahlt in der Regel mehr in die Krankenversicherung ein, als er kostet. Nur wer als anerkannter Asylbewerber arbeitslos ist - und das werden am Anfang viele sein - wird der gesetzlichen Krankenversicherung Kosten verursachen.

Die Kostenlücke wird größer. Die Frage ist aber: um wieviel?

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Der Grund dafür liegt in einem alten Streit zwischen den Kassen und der Bundesregierung. Nach Darstellung der Kassen zahlt der Bund nämlich nicht genug für die Hartz-IV-Empfänger ein. Der Beitrag deckt die Kosten nicht, die diese im Gesundheitssystem verursachen. Auch die zum Anfang des Jahres neu eingeführte Regelung habe daran wenig geändert. Seit Januar zahlt der Bund für jeden erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger einen Beitrag von gut 90 Euro im Monat. Das weiterhin bestehende Minus wird also nach wie vor über höhere Beiträge von den Kassenmitgliedern ausgeglichen.

Der Bund ist nicht gewillt, daran etwas zu ändern, obwohl er die Kostenrechnung der Kassen durchaus gelten lässt. Nach seiner Argumentation ist die GKV aber in ihrer Eigenschaft als Sozialversicherung geradezu verpflichtet, die fehlenden Mittel über höhere Beiträge auszugleichen. Schließlich soll, wer besser verdient, für die schlechter Verdienenden einstehen.

Die Kostenlücke bei den Hartz-IV-Empfängern wird mit den Asylbewerbern also größer, ganz einfach, weil es mehr Hartz-IV-Empfänger geben wird. Die Frage ist allerdings, wie groß sie tatsächlich wird.

Die Frankfurter Rundschau verweist auf eigene Berechnungen und spricht von Milliardenlasten. Das basiert auf folgender Überlegung: Nach Angaben aus Kassenkreisen liegen die durchschnittlichen Behandlungskosten pro Flüchtling derzeit bei 180 bis 200 Euro, also etwa 100 Euro höher als der Beitrag des Bundes für die Hartz-IV-Empfänger. Multipliziert man diese Zahl mit einer Million Flüchtlinge und rechnet sie auf das Jahr hoch, kommt ein Betrag von mehr als einer Milliarde raus.

Ist das richtig? Keiner kann es genau sagen. Einmal abgesehen davon, dass nicht jeder Flüchtling anerkannt wird oder hierbleiben will, ist auch nicht sicher, ob die Kosten so hoch bleiben. Denn - siehe oben - vielleicht sind die Flüchtlinge ja auch viel gesünder als man denkt.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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