Fleischerhandwerk:Es geht um die Wurst

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Weil Lebensmittelhändler immer häufiger mit den Vorzügen eines traditionellen Fachgeschäfts werben, fürchten Fleischerläden um ihre Existenz.

Stefan Weber

Fleischermeister Jörg Schlösser betreibt einen Verkaufsstand auf dem Carlsplatz in Düsseldorf, und mitunter geht es bei ihm zu wie bei mancher Behörde: Aufgrund des großen Andrangs müssen die Kunden zunächst eine Nummer zu ziehen. Wünsche dürfen sie erst äußern, wenn das Verkaufspersonal die entsprechenden Ziffern aufruft.

Der Deutsche Fleischer-Verband wirft vielen Lebensmittelhändlern Etikettenschwindel vor. (Foto: Foto: dpa)

Von einem Zulauf wie bei Schlösser können die meisten anderen Fleischerfachgeschäfte in Deutschland nur träumen.

Im Wettstreit mit Discountern, Supermärkten und anderen Lebensmittelhändlern geraten sie immer weiter ins Hintertreffen. Im vergangenen Jahr machten von den bundesweit knapp 17.000 selbständigen Meisterbetrieben 377 ihren Laden dicht.

Und Manfred Rycken, der Präsident des Deutschen Fleischer-Verbandes, fürchtet, dass 2008 ähnlich viele Geschäftsinhaber aufgeben werden. "Fleischerfachgeschäfte genießen bei den Verbrauchern zwar großes Vertrauen. Aber viele Kunden achten stark auf den Preis und kaufen häufig dann doch im Lebensmittelhandel", beobachtet er. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass Supermarktbetreiber wie Rewe und Edeka oder auch SB-Warenhausunternehmen wie Real zunehmend Marken schaffen, die dem Verbraucher suggerieren, sie kauften Produkte einer traditionellen Fleischerei.

Etikettenschwindel und Desinformation

Ein Beispiel ist die Metro-Tochter Real, die vor einigen Jahren durch den Verkauf von umetikettiertem Fleisch in die Schlagzeilen geriet. Seit einigen Monaten bewirbt sie ihren Fleisch- und Wurstverkauf sehr erfolgreich mit "Der Meistermetzger". Oder Rewe: Der zweitgrößte deutsche Lebensmittelhändler hat kürzlich seine Eigenmarke "W. Brandenburg" in "Wilhelm Brandenburg" umbenannt, um den "handwerklich-traditionellen Charakter der Marke weiter zu stärken."

Rycken dagegen ist sicher: "Ganz gleich, wie gut oder schlecht die Produkte sind, die Real, Rewe oder andere Händler anpreisen, sie sind ganz gewiss nicht handwerklich oder traditionell hergestellt." Das sei "Etikettenschwindel und eine Desinformation des Verbrauchers", klagt er.

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Aber die Tatsache, dass Mitbewerber "mit unserem guten Namen hausieren gehen", hat nach Ansicht des Verbandspräsidenten auch sein Gutes. Zeige sie doch, dass die Fachgeschäfte unter allen Anbietern von Fleisch und Wurst den besten Namen haben. Nutzen können die Handwerksbetriebe das allerdings oft nur, wenn wieder einmal ein Fleischskandal das Vertrauen der Verbraucher gegenüber anonymen Anbietern erschüttert. Dann haben die oft in der Region stark verwurzelten Handwerksbetriebe einen verstärkten Zulauf. "Nach ein paar Wochen ebbt das jedoch wieder ab", beobachtet Anton Wahl, Vorstandssprecher der Zentralgenossenschaft des Deutschen Fleischergewerbes (Zentrag).

Die Zentrag bietet den Fachgeschäften Hilfestellung im Wettbewerb - mit Beratung, etwa beim Marktauftritt oder auch beim Einkauf von Waren, die das traditionelle Sortiment ergänzen, wie etwa Nudeln, Feinkost-Artikel oder Fisch. In der Erweiterung des Angebots sieht Wahl für die Betriebe eine gute Chance, die Ertragskraft zu stärken. Denn die Nachfrage nach Fleisch war im ersten Halbjahr 2008 um 2,9 Prozent niedriger als im gleichen Zeitraum 2007.

Wenn Fleischerfachgeschäfte schließen, hat dies jedoch nicht immer mit dem starken Wettbewerb zu tun. Immer häufiger findet sich niemand, der den Laden übernimmt. Der Branche fehlt Nachwuchs. Die Zahl der Bewerber im Fleischerhandwerk ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. "Wir könnten zehn Prozent mehr junge Leute ausbilden", sagt Rycken.

Wenn bald aus demografischen Gründen noch weniger Schulabgänger auf den Ausbildungsmarkt drängen, droht sich die Situation zuzuspitzen. "Der Fleischerberuf hat ein Imageproblem. Viele meinen, die Tätigkeit seit vornehmlich geprägt durch Blut und Dreck. Das ist nicht der Fall", meint der Verbandspräsident. Vielmehr öffne eine Ausbildung zum Fleischer neben der Möglichkeit zur Selbständigkeit auch die Tür zu einer Karriere in der Lebensmittel-Industrie.

Wie im Bäckergewerbe geht auch bei den Fleischern die Filialisierung stark voran. Mehr als jeder vierte Handwerksbetrieb verfügt bereits über mehr als einen Laden. So kommen zu den knapp 17.000 eigenständigen Betrieben weitere 10.800 Verkaufsstellen, die als Filialen betrieben werden. Bundesweit gibt es bereits vier Unternehmen mit mehr als 100 Geschäften; sechs Firmen betreiben zwischen 50 und 100 Geschäfte.

© SZ vom 18.11.2008/ld/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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