Fleisch oder kein Fleisch:Burger fürs gute Gewissen

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Ein Burger mit Fleisch aus dem Reaktor. (Foto: David Parry/PA Wire)

Lebensmittelfirmen investieren Milliarden in die Massenproduktion von Laborfleisch. Geldgeber finden das spannend.

Von Silvia Liebrich, München

Fleisch aus dem Bioreaktor zu essen, das können sich viele Menschen noch nicht so richtig vorstellen. Doch der Termin, an dem das erste künstlich gezüchtete Fleisch auf dem Markt kommen soll, rückt näher. "In drei Jahren wird es so weit sein", versprach Mosa-Meat-Geschäftsführer Peter Verstrate in dieser Woche beim Ernährungskongress Global Food Summit in München. Das niederländische Unternehmen gilt als einer der Pioniere auf diesem Gebiet. 2013 stellte es den ersten Laborburger vor. Eine Verkostung im Wert von 250 000 Dollar, so viel kostete die Entwicklung des Prototyps.

2022 sollen nach Verstrates Angaben die ersten Burger in Kleinserie produziert werden und für einen Preis von zehn Dollar auf den Markt kommen. Er rechnet auch damit, dass die notwendige Prüfung durch die Lebensmittelbehörden bis dahin vorliegt. Wie bei allen Lebensmitteln muss sichergestellt sein, dass vom Endprodukt keine Risiken für die Gesundheit der Verbraucher bestehen.

Die Vorbehalte vieler Konsumenten seien gar nicht so groß, wie oft angenommen werde, betonte der Firmenchef. Er beruft sich auf Umfragen in den USA, wonach sich 40 bis 60 Prozent der Verbraucher vorstellen können, Kunstfleisch zu essen. Es wird aus Stammzellen gewonnen, die bei Mosa Meat vom Rind stammen. Sie werden in einer Nährlösung mit Zucker, Vitaminen und Mineralien zum Wachsen gebracht. Benötigt werden für diesen Prozess jedoch auch Enzyme und Hormone, die aus Tierembryonen gewonnen werden, was Tierschützer heftig kritisieren.

Mosa Meat sei es inzwischen gelungen, das Fleisch in großen Bioreaktoren mit 10 000 Litern Fassungsvermögen zu züchten, "das reicht, um 2000 bis 2500 Kilogramm Fleisch zu erzeugen", sagte Verstrate. Mit Finanzmitteln von Investoren wolle das Unternehmen bis 2030 eine große Fabrik errichten. Und er denkt bereits an das nächste große Ding: "Wer weiß, in 20 oder 30 Jahren können wir vielleicht so auch Kuhmilch herstellen."

Unter den Firmen, die an Laborfleisch arbeiten, läuft eine Art Wettbewerb, wer das erste massentaugliche Produkt auf den Markt bringt. Mindestens 25 Unternehmen versuchen, Fleisch von Hühnchen, Rind oder Schweinen künstlich wachsen zu lassen. Risikokapitalgeber haben in den vergangenen Jahren Milliardenbeträge investiert. Viele Firmen können erste Erfolge vorweisen, doch bislang liegt der Preis für ein Kilo Zuchtfleisch noch bei mehreren Tausend Dollar. Doch der könnte in den nächsten Jahren deutlich sinken, wenn Verfahren für die Massenproduktion ausgereift sind.

Auch Microsoft-Gründer Bill Gates und der britische Unternehmer Richard Branson gehören zu den Geldgebern der Branche. Beide halten Anteile an Memphis Meats. Die Firma aus dem Silicon Valley züchtet Hühnerfleisch mithilfe von CRISPR, einer neuen Form von Gentechnik. Auch deutsche Firmen wie die PHW-Gruppe mischen in dem Zukunftsgeschäft mit. Der Eigner von Wiesenhof ist an dem israelischen Firma Supermeat beteiligt.

Im Englischen wird Kunstfleisch als clean meat bezeichnet. Ein Begriff, der suggerieren soll, dass das Produkt umweltfreundlich und nachhaltig erzeugt wird, im Gegensatz zu Fleisch aus Massentierhaltung. Die ist weltweit in Verruf geraten, weil sie viel schädliche Treibhausgase verursacht, Wasserreserven und Böden verschmutzt. Auch der Mosa-Meat-Geschäftsführer argumentiert so: "Die Situation wird sich weiter verschlechtern, weil mit dem weltweit steigenden Wohlstand auch die Nachfrage nach Fleisch steigt." Fleisch aus dem Labor sei die Lösung für all diese Probleme, glaubt er.

Tatsächlich arbeiten viele Unternehmen bereits an der Alternative: an Fleischersatzprodukten auf pflanzlicher Basis. Einer der erfolgreichen Hersteller ist das US-Start-up Beyond Meat, dessen Produkte auch in Deutschland vertrieben werden. Der deutsche Wursthersteller Rügenwalder verzeichnet mit veganer Wurst gute Zuwachsraten und findet immer mehr Nachahmer.

© SZ vom 23.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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