Firmen an der Börse:Die Familie als Erfolgsfaktor

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Beispiele für deutsche Familienunternehmen, die überdurchschnittlich erfolgreich sind, auch wenn sie mitunter wertlos waren an der Börse: Sartorius, Grenke, Sixt, Nemetschek (im Uhrzeigersinn). (Foto: oh (4))

Jetzt auch noch Knorr Bremse: Unternehmen, die von wenigen Privatleuten dominiert werden, haben an der Börse oft erstaunlichen Erfolg. Aber Vorsicht, die allgemeine Diagnose trifft nicht immer zu.

Von  Harald Freiberger, München

Es ist kein idealer Moment, um ein Unternehmen an der Börse zu platzieren: Seit zwei Wochen rutscht der deutsche Aktienindex Dax nach unten, seit einer Woche sind die Kurse an der Wall Street eingebrochen wie selten. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Einstand von Knorr-Bremse ein starkes Signal. Seit Freitag ist der Münchner Weltkonzern in Frankfurt gelistet. Der Kurs schoss zwar nicht in die Höhe, aber immerhin ging es vom Ausgabekurs - 80 Euro - auf 81,24 Euro.

3,9 Milliarden Euro hat Eigentümer Heinz Hermann Thiele damit eingenommen. Der 77-Jährige ist einer der erfolgreichsten Familienunternehmer Deutschlands. Ende der 1960er-Jahre begann er als Sachbearbeiter in der Patentabteilung, arbeitete sich hoch, kaufte Jahre später in einer Firmenschieflage die Mehrheit des Unternehmens - und ist zu einem geschätzten Vermögen von 15 Milliarden Euro gekommen. Von nun an können auch andere an seinem Erfolg partizipieren - vorausgesetzt, die Aktie steigt weiter. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn Bremssysteme für Lastwagen braucht es immer. Und Unternehmen, in denen eine Familie das Sagen hat, sind an der Börse erfolgreicher als andere.

Ein Grund für den Erfolg: Familienunternehmen investieren meist stärker und langfristiger

Die umfassendste Studie dazu hat die Schweizer Großbank Credit Suisse vorgelegt. Sie untersuchte über einen Zeitraum von zwölf Jahren weltweit 1050 an der Börse notierte Unternehmen, bei denen eine Familie mindestens 20 Prozent der Aktien besitzt. Das Ergebnis ist erstaunlich: Weltweit schnitten die Aktien von Familienunternehmen jedes Jahr im Durchschnitt um 3,4 Prozent besser ab als solche, in denen keine Familie mitmischt. In Europa liegt der jährliche Mehrwert bei 4,7 Prozent, in Deutschland sogar bei 9,5 Prozent.

Ein Grund dafür ist, dass die deutsche Wirtschaft von mittelständischen Unternehmen getragen wird, die traditionell in Familienhand sind. Credit Suisse hebt vier besonders erfolgreiche hervor: Grenke, Nemetschek, Sartorius und Sixt (siehe Kästen). Aber auch in Weltkonzernen geben oft noch Familien den Ton an. Beispiele dafür sind VW (Familien Porsche und Piëch), BMW (Familie Quandt) und der Software-Konzern SAP (Familie Plattner).

"Unternehmen in Familienhand sind an der Börse deutlich besser, der Befund gilt für große und kleine Unternehmen, in jeder Region der Welt, es ist ein strukturelles Phänomen", sagt Eugène Klerk, Mitautor der Studie. Er macht das an Faktoren wie einem höheren Gewinnwachstum fest. Der Hauptgrund für das bessere Abschneiden von Familienunternehmen sieht Klerk darin, dass sie einen "längeren Investitionshorizont" haben. Sie geben in der Regel mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus, sie investieren Barmittel eher ins Unternehmen, als sie für Dividenden oder Aktienrückkäufe auszugeben. Dieses langfristige Denken stärkt die Bilanz - und den Aktienkurs.

Für solche Firmen gilt letztlich, was für Aktien generell gilt: Anleger sollten das Risiko streuen

Die Diagnose der Credit Suisse ist so eindeutig, dass Klerk zu dem Urteil kommt: "Wenn ein Anleger die Aktien von Unternehmen in Familienbesitz kauft, kauft er hohe Qualität - und hohe Qualität schneidet an der Börse über einen Wirtschaftszyklus in der Regel besser ab." Und Nachteile gibt es keine? Manchmal, wenn er mit Investoren rede, sagt Klerk, äußerten diese Bedenken, ob Familien die Prinzipien der guten Unternehmensführung einhielten, besonders was die Kontrolle betrifft. Doch er kann das nicht bestätigen: "Ich habe keinen einzigen Hinweis darauf gefunden, im Gegenteil: Menschen, die einen großen Teil ihres Vermögens in einem Unternehmen angelegt haben, legen mehr Wert auf gutes Management als Aktionäre, die ihr Geld breit streuen."

Den Befund stützen auch Daten der Deutschen Börse, die zwei Indizes mit Familienunternehmen aufgelegt hat: den DAXplus Family mit mehr als 100 Unternehmen, in denen eine Familie mehr als 25 Prozent der Aktien hält - und den DAX plus Family 30, der die 30 größten dieser Unternehmen zusammenfasst; am stärksten gewichtet sind darin SAP, Henkel (Konsumartikel), Symrise (Geschmackstoffe) und Merck (Chemie, Pharma). Der Dax Family 30 legte seit Oktober 2008 um 204 Prozent zu, bei seinem großen Bruder, dem Dax 30, waren es 130 Prozent. So beeindruckend diese Zahlen sind, sie dürfen Anleger nicht zu einem Fehlschluss verleiten: Dass sie automatisch mit jeder Familie gut fahren. "Der Einfluss einer Familie auf ein Unternehmen kann sich auch negativ auswirken", sagt der Börsen-Experte Christian Röhl, der viel über Dividenden-Aktien geforscht hat. Nicht jede Familie denkt langfristig, und selbst wenn: Nicht immer muss eine Strategie auch aufgehen. Eine Gefahr ist auch, dass sich Familien zerstreiten. Eine Trennung ist dann nicht so einfach wie bei Beteiligten, die nicht verwandt sind; dies kann ein Unternehmen für lange Zeit lähmen.

So gibt es tatsächlich auch zahlreiche Beispiele von Familienunternehmen, die an der Börse schlecht abschnitten und mit denen Anleger Geld verloren. Deshalb gilt für sie dieselbe Börsenweisheit wie für alle anderen Aktien: Wenn, dann sollten Anleger nicht alle Eier in einen Korb legen, sondern in viele verschiedene Familien investieren.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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