Finanzstrategie:Zu viel Geld in der Kasse

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Immer mehr Konzerne im In- und Ausland kaufen ihre eigenen Aktien zurück. Das treibt die Kurse an den Börsen hoch, zeugt aber auch von einer gewissen Fantasielosigkeit. Und was hat eigentlich der Anleger davon?

Von Markus Zydra, Frankfurt

Man kann es sich bei den vielen Diskussionen um Sparen und Digitalisierung kaum vorstellen, aber einige Konzerne haben offenbar zuviel Geld übrig. Siemens zum Beispiel: Der Konzern will bis 2021 drei Milliarden Euro in eigene Anteile stecken - Siemens kauft also Siemens. Der Fachbegriff dafür lautet "Aktienrückkauf". Die Maßnahme ist sehr beliebt. In den USA und auch in Deutschland fließen über diesen Weg in diesem Jahr Rekordsummen an die Börse. In den vergangenen zwölf Monaten haben die Unternehmen aus dem amerikanischen Aktienindex S&P 500 Aktien im Wert von 646 Milliarden Dollar zurückgekauft, so Schätzungen des Dienstleisters Datatrek, ein Plus von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Für Deutschland fallen die absoluten Zahlen niedriger aus, aber es könnte ein Rekordwert erreicht werden. "Bis Mitte Juli 2018 haben bereits sieben Dax- und M-Dax-Konzerne ihre eigenen Anteile zurückgekauft und hierfür in Summe 4,8 Milliarden Euro eingesetzt. Weitere 5,7 Milliarden Euro an Rückkäufen wurden für dieses und nächstes Jahr bereits angekündigt", so das Ergebnis einer Studie des Flossbach von Storch Research Institutes.

Die Aktienrückkäufer sind an der Börse wichtige Nachfrager - und damit Kurstreiber. Sie kaufen Anteile vom Markt, verknappen so das Angebot und erhöhen damit den Wert der verbliebenen Aktien, bezogen auf den Gewinn und die Dividende pro Anteilsschein.

Aktienrückkäufe nutzen also den Eigentümern. Allerdings kann man über den Sinn dieser Maßnahme streiten. Gerade die börsennotierten Konzerne mit großen Strategieabteilungen sollten eigentlich genügend Ideen für Investitionen haben. Ein Aktienrückkauf ist somit auch Ausdruck von unternehmerischer Fantasielosigkeit. Die Manager wissen offenbar nicht, wohin sonst mit dem Geld. "Die Unternehmen tauschen Kasse gegen einen höheren Aktienkurs", erklärt Philipp Immenkötter, Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute. "Problematisch ist, dass durch die Rückkäufe kein ökonomischer Mehrwert geschaffen wird", so der Experte. Das Geld werde nicht in neue Werte investiert, obwohl es Investitionsbedarf gebe. "Der Aktionär ist nur auf dem Papier reicher geworden und hat nicht wie bei einer Dividende mehr Geld in der Kasse, welches er neu investieren könnte", sagt Immenkötter.

Aktienrückkäufe gelten der Studie zufolge eher als ein Mittel der letzten Wahl. Erst wenn sich keine weiteren Investitionsmöglichkeiten und Zukäufe ergäben, die Dividende nicht kurzfristig erhöht würde und es keinen Grund für eine vorzeitige Schuldentilgung gebe, kauften Unternehmen ihre Aktien zurück. "Aufgrund der niedrigen Zinsen erscheinen sowohl Kassenhaltung als auch vorzeitige Schuldentilgung bei vielen Unternehmen als wenig attraktiv", sagt Immenkötter. Diese Rahmenbedingungen sorgten dafür, dass die Aktienrückkäufe auch in Deutschland deutlich an Attraktivität gewonnen haben.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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