Finanzpolitik:Koalition der Kassierer

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Die Mehrwertsteuer wird erhöht, die Versicherungssteuer heraufgesetzt, der Sparerfreibetrag halbiert, die Pendlerpauschale gekappt, die Zahldauer für das Kindergeld reduziert. Und Sprit wird um sechs Cent teurer. Doch die Deutschen haben sich offenbar ihrem schwarz-roten Schicksal ergeben.

Ulrich Schäfer

Die große Koalition sagt, die Reichensteuer diene der sozialen Gerechtigkeit, doch tatsächlich ist der Zuschlag auf die Einkommensteuer zu einem reinen Symbol verkommen.

Angela Merkel moderiert das Abkassieren (Foto: Foto: dpa)

Gleich zweimal musste Peer Steinbrück die Reichensteuer stutzen: Erst hat die Union ihn dazu genötigt, alle Unternehmer zu schonen; und nun zwingt ihn angeblich das Grundgesetz dazu, auch die Freiberufler von der Sondersteuer zu befreien.

Nur noch 127 Millionen Euro wird die Reichensteuer deshalb im nächsten Jahr bringen, ein Drittel dessen, was die Koalition ursprünglich erhofft hatte. Deshalb mault die SPD, und man fragt sich: Warum ausgerechnet deshalb? Warum erregen die Genossen sich nicht über andere Dinge?

Denn die große Koalition greift den Bürgern derzeit ungeniert in die Tasche. Union und SPD heben die Steuern an, wo sie nur können, sie streichen Vergünstigungen, wo es nur geht, und sie überlegen längst, wo sie noch mehr holen können.

Was jeder weiß: Zum 1. Januar 2007 wird die Koalition die Mehrwertsteuer erhöhen. Was kaum jemand weiß: An diesem Tag wird auch die Versicherungssteuer steigen, der Sparerfreibetrag halbiert, die Pendlerpauschale gekappt, die Zahldauer für das Kindergeld reduziert und das häusliche Arbeitszimmer nicht mehr vom Fiskus anerkannt.

Auch Sprit wird um sechs Cent teurer, weil die Mehrwertsteuer steigt und die Mineralölkonzerne zudem teuren Biokraftstoff in ihr Benzin und den Diesel mischen müssen.

Doch alle starren nur auf die Reichensteuer. Die Koalition debattiert darüber, ob dieses oder jenes Modell der Reichensteuer der Verfassung entspricht, und die Republik lässt sich davon einlullen. Niemand scheint es zu stören, dass sechs Cent mehr beim Sprit so viel sind wie zwei Schritte bei der Ökosteuer; keine Wutwelle rollt durchs Land, wie einst unter Rot-Grün.

Und niemanden scheint es zu stören, dass die Sozialdemokraten den Sparerfreibetrag kürzen, was zehnmal so viel bringt wie die Reichensteuer.

Die Menschen geben mehr Geld denn je aus

Als Wolfgang Clement dergleichen vor zwei Jahren vorschlug, hätten seine Genossen ihn am liebsten aus der Regierung verjagt. Wie könne er, wurde der Wirtschaftsminister damals beschimpft, den Steuervorteil der kleinen Leute antasten und damit deren Sparbuch?

Es scheint, als hätten sich die Deutschen ihrem schwarz-roten Schicksal ergeben. Und es scheint, als könne die Gier der großen Koalition nicht schaden. Die Menschen geben mehr Geld denn je aus - obwohl Union und SPD ihnen schon bald noch mehr Geld abnehmen wollen.

Sie attestieren der Kanzlerin, dass sie einen guten Job macht - obwohl Angela Merkel nicht nur lächelnd über rote Teppiche flaniert, sondern so kraftvoll wie kein Vorgänger die Steuern erhöht. Die schwarz-rote Regierung holt sich so einen Teil des Geldes, das sie zur Sanierung des Haushalts benötigt.

Merkel hat versprochen, im nächsten Jahr wieder die Schuldengrenze des Grundgesetzes und des EU-Stabilitätspakts einzuhalten - ein erstrebenswertes Ziel. Und ihr Finanzminister hat angekündigt, er werde Schlupflöcher schließen und Vergünstigungen kappen, die niemand mehr braucht; auch dies ist erstrebenswert.

Doch die große Koalition ist dabei, das richtige Maß zu verlieren. Weil das Volk nicht meutert und es keine echte Opposition gibt, fühlen sich Unionisten und Sozialdemokraten zu immer neuen Steuerplänen ermuntert.

Mal diskutieren sie über den "Gesundheitssoli", einen üppigen Zuschlag auf die Einkommensteuer. Mal vereinbaren sie still und leise, dass der Staat beim Elterngeld hinten herum einen Teil von dem nimmt, was er vorne herum gibt; denn das Elterngeld wird künfig den individuellen Steuersatz nach oben treiben.

All dies hat mit Merkels Wahlversprechen wenig zutun, die Steuern und Abgaben zu senken. Auch die Sozialdemokraten haben im Wahlkampf so getan, als müsse man die Mehrwertsteuer nicht erhöhen, obwohl sie wussten: Es wird nicht ohne sie gehen.

Es rumort in der Union

Doch inzwischen rumort es in der Union. Die Länderchefs haben erkannt, dass sie der Wirtschaft nicht weitere Steuererhöhungen zumuten können; denn die Wähler sind auch Konsumenten, und wenn diese realisieren, was die Regierung ihnen nimmt, wird das die Kauffreude bremsen und damit die Konjunktur. Auch der neue SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat inzwischen eingesehen, dass die Koalition die Steuerquote nicht noch stärker erhöhen kann.

Doch das allein genügt nicht. Merkel, Vizekanzler Müntefering und CSU-Chef Stoiber sollten klarstellen, wo für sie die Grenze der Belastungen liegt; Bürger und Wirtschaft sollen sich darauf einstellen können und nicht ständig befürchten müssen, dass in nächster Zeit noch mehr auf sie zukommt.

Zum anderen sollten die Koalitionäre auf keinen Fall weiteres Steuergeld in die Sozialsysteme pumpen, auch nicht im Zuge einer noch so gut gemeinten Gesundheitsreform; Reformen muss es zunächst innerhalb der Systeme geben, sie dürfen nicht durch neue Zuschüsse ersetzt werden.

Und zum Dritten wird die Koalition sich nur eine maßvolle Reform der Unternehmensteuern leisten können. Wer Sparern, Pendlern, Familien und Rentnern Milliarden nimmt, darf diese nicht gleich wieder an die Konzerne verteilen - schon gar nicht in einer großen Koalition.

© SZ vom 10.05.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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