Finanzierung per Sugardaddy:Suche Liebe, biete Geld

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: Stefan Dimitrov)

Er ist Anfang 60, Chefarzt und allein. Sie ist 21, hat eine Tochter und Geldsorgen. Gefunden haben sie sich auf einem Internetportal, auf dem junge Frauen auf "Sugardaddys" treffen. Es geht um Sex, um Treffen, um Urlaube. Über den schwierigen Versuch, sich Nähe zu kaufen.

Von Charlotte Theile

Karl Wagner ist nervös. Das dunkle Bier, 0,5 Liter, das vor ihm steht, ist bereits das zweite, das erste hat er allein getrunken. Es ist früher Nachmittag. Nun sitzt er da, die Arme verschränkt, an seinem Handgelenk eine Uhr, die wahrscheinlich teuer war. Die obersten Knöpfe seines Poloshirts sind aufgeknöpft, darunter baumelt eine Goldkette. Ja, denkt man sich, das passt. Karl Wagner ist Anfang 60, er hat ein Premium-Profil bei mysugardaddy.eu, einer Homepage, auf der reiche ältere Männer junge, nicht so reiche Frauen kennenlernen.

Wagner, der in Wirklichkeit anders heißt, aber gern klassische Musik hört, ist Psychiater und Chefarzt einer Klinik. Er hat volles Haar, ein freundliches Lächeln, sieht eher aus wie Mitte 50 denn wie Anfang 60. Sein Beruf macht ihm auch nach Jahrzehnten noch Freude. Auf eine Kontaktanzeige würde er vermutlich Hunderte Zuschriften bekommen. Und die Chance, dass sich eine Frau in ihn verlieben würde, stehen nicht schlecht: Wagner ist ein kluger Mann, er hat Humor, es fällt ihm leicht, über seine Gefühle zu sprechen. Karl Wagner trinkt einen großen Schluck aus seinem Bier, als er wieder hochschaut, sind seine Augen ernst und dunkel. "Das, was mir wirklich gefällt, würde ich da nicht bekommen." Das, was ihm wirklich gefällt, sind Frauen, die halb so alt sind wie er. Anfang 30, gern noch etwas jünger.

Das Rad der Zeit durchbrechen, etwas bekommen, "das auch ästhetisch schön ist", darum gehe es. Und: "Das klingt vielleicht böse, aber ich sehe sofort, ob jemand verblüht ist oder noch blüht." In "freier Wildbahn" würde er eine junge Frau aber niemals ansprechen, "weil ich das Risiko der Ablehnung sehe". Schließlich sei er für jüngere Frauen "erst mal ein alter Sack".

Für jüngere Frauen "erst mal ein alter Sack"

Sabrina*, das Mädchen, das er "meine Freundin" nennt, ist 21 Jahre alt. Im letzten Sommer hat er sie auf mysugardaddy.eu kennengelernt. Ein paar Chat-Nachrichten gingen hin und her, darin "Versprechungen, die meine Phantasie haben Kapriolen schlagen lassen". Sex, gelegentliche Treffen, gemeinsame Urlaube. "Also alles, was ich wollte." Als er Sabrina an einem Mittwoch im August das erste Mal sieht, verliebt er sich "augenblicklich" in sie. Das Mädchen mit den schwarz gefärbten Haaren, den vielen bunten Tätowierungen, der abgebrochenen Ausbildung und der Tochter im Kindergartenalter hätte seine Enkelin sein können. Schon beim ersten Treffen schlafen sie miteinander, vereinbaren einen monatlichen Betrag, den sie, das Sugarbabe, von ihrem neuen Sugardaddy erhalten soll. 1000 Euro. Von da an gibt es kein Zurück mehr.

Heute, sagt Wagner, sei er "sehr unglücklich" mit der Beziehung. Sabrina bekommt inzwischen 3000 Euro im Monat von ihm, dazu ein Auto. Im Urlaub waren sie nie. Wenn er ihr mehr als eine Whatsapp-Nachricht in der Woche schreibt, fühlt sie sich bedrängt, wenn er nach Treffen fragt, auch. "Also lasse ich das." Sie sehen sich einmal im Monat, eher noch etwas seltener, im Hotel, essen gemeinsam zu Abend. Nach zwei Stunden verabschiedet sie sich, um "in der Diskothek" zu arbeiten. Das ist die eine Seite.

"Die andere Seite unserer Beziehung hat damit zu tun, dass der eine versucht, den anderen zu kontrollieren." Der Mann versucht, die Frau mit Geld zu kontrollieren, und die Frau kontrolliert ihn mit emotionalen Dingen, sagt Wagner. Er nennt es "die gegenseitige Ausbeutung". Wie häufig sie ist, weiß der Psychiater auch. "Die Tragik von Lothar Matthäus lebt auch in mir", sagt er und lacht, weil das so absurd klingt.

Der Gründer von mysugardaddy.eu, Thorsten Engelmann, ist 32 Jahre alt und sieht sich am liebsten als erfolgreichen Geschäftsmann. Es gebe nun mal "Angebot und Nachfrage", die führe er zusammen. Engelmann betont, er selbst würde Geld und Liebe "niemals" vermischen. Er sei "seriös verheiratet", seine Frau zwei Jahre jünger, sie haben ein kleines Kind. Seine Klienten beobachtet er dagegen genau. Auf der einen Seite gebe es die Sugardaddys, "35-55 Jahre alt, erfolgreich, Porschefahrer, die gerne ein paar Frauen um sich herum haben". Die meisten seien sehr verschwiegen. Auf der anderen Seite die Sugarbabes, "Frauen, die prominent sein möchten, im Luxus schwelgen, ein schönes Leben haben, nicht viel dafür arbeiten". Sie seien im Durchschnitt 24 Jahre alt und gern bereit, öffentlich über ihren Lebensentwurf zu sprechen.

Bei Karl Wagner und Sabrina ist die Sache umgekehrt. Während er mit Freunden und Kollegen über seine Beziehung gesprochen hat, hält sie den Sugardaddy geheim. Er habe weder Freunde noch Eltern kennenlernen dürfen, klagt Wagner. Auch die Urlaubspläne seien stets daran gescheitert, dass Sabrina fürchtete, ihre Tochter könnte danach erzählen, "dass ein Mann dabei gewesen ist, der dreimal so alt war wie sie". Seine Freunde, sagt Wagner, fänden inzwischen alle, "dass ich mich ausnutzen lasse und dass ich blöd bin". Er könne aber nicht anders. Wagner sagt, er habe berufsbedingt "lange genug auf der Couch gelegen", um zu wissen, dass Dinge selten nur eine Ursache haben. Auch ihn hätten nicht nur Einsamkeit und körperliche Anziehung zu Sabrina geführt.

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21, so alt wie seine Freundin, wäre sein Sohn Maximilian* heute. Wagner rollt den Ärmel seines Poloshirts hoch, "Maximilian" steht auf dem linken Oberarm. Es ist sein einziges Tattoo. Der 63-Jährige hat ihn allein erzogen, ein Männerhaushalt, in dem Frauen keine große Rolle spielten. Die Beziehung zu Maximilians Mutter war kurz: eine Alkoholikerin, die Wagner nur heiratete, um das Sorgerecht zu bekommen. Mit 19 Jahren beging der Sohn Suizid - weil ihn seine Freundin verlassen hatte. Schuld, Trauer und eine fast unendliche Einsamkeit bestimmten seither sein Leben, sagt Wagner. Mysugardaddy.eu habe ihn aus der Trauer gerissen. "Auf einmal gab es jemand, der auch wichtig war, fast so wichtig wie mein Sohn." Das habe ihm sehr gutgetan. Doch jetzt, da die Beziehung immer weniger funktioniert, "hat es mich auch wieder zurück gestürzt".

Bevor Wagner Sabrina traf, hatte er etwa zehn Dates mit Frauen, die, wie er, eine langfristige, distanzierte Beziehung "mit Sponsoring" suchten. Bei keiner sei der Funke übergesprungen, sagt Wagner, bei allen sei ihm eins aufgefallen: "die wirtschaftliche Not", in der die Frauen steckten. Alleinerziehende Mütter, katastrophale Lebensgeschichten, schlecht bezahlte Jobs. Eine Aldi-Kassiererin, eine Journalistin, eine Abteilungsleiterin im Fitnessstudio. Eine Schülerin. Und Sabrina, die mit 15 ein Kind bekam, noch bei ihrer Mutter lebte und vorher schon eine Sugardaddy-Beziehung hatte, mit einem Politiker.

"Wer will schon dankbar sein müssen?"

"Eineinhalb Jahre" sei sie mit seinem Vorgänger zusammengewesen, sagt Wagner. Der Gedanke, dass sie den anderen direkt nach ihrem 18. Geburtstag akquiriert haben muss, ist ihm wohl auch schon gekommen. Irgendwann, bei einem der Hotel-Restaurant-Treffen, sagt er ihr: "Du hast das Letzte verkauft, was du noch hattest, und das war dein Körper." Dass er recht hatte, zeigten ihm die stummen Tränen, die über das Gesicht seiner Freundin liefen.

Dennoch, sagt Wagner, könne er fast nicht anders, als Beziehungen über Geld zu kontrollieren. Auch in einem anderen Verhältnis hätten Geld und Abhängigkeit eine große Rolle gespielt - "und die Beziehung letztlich zerrüttet", wie er heute glaubt. Seiner damaligen Freundin, 17 Jahre jünger als er und ebenfalls eine Internetbekanntschaft, hatte er eine Wohnung bezahlt - nur um dann immer seltener dort übernachten zu dürfen. "Wer will schon dankbar sein müssen?", fragt Wagner und erinnert sich, wie er die Miete immer mehr zum Instrument gemacht hat, um seinen Willen durchzusetzen. Als seine Freundin die Beziehung beendete, sagte sie einen Satz, den er sich gemerkt hat: "Ich habe mich nicht mehr so unter Druck gesetzt gefühlt, seit ich Schülerin war."

Eigentlich, sagt Wagner, gehe es ihm um etwas anderes. Das Geld soll verhindern, dass er verlassen wird. Wenn ihn eine Frau braucht, kann sie nicht ohne Weiteres gehen, so die einfache Gleichung. Geklappt hat das nie. Auch Sabrina hat ihm vor ein paar Wochen per Kurznachricht mitgeteilt, dass sie nicht mehr mit ihm schlafen möchte. Er sei für sie zu einer Vaterfigur geworden. "Ich habe einen Tag gebraucht, um darüber nachzudenken", sagt Wagner, "dann ist es mir unethisch und unmoralisch vorgekommen, sie nur deshalb fallenzulassen, weil sie nicht mehr mit mir ins Bett gehen will." Eine "Verdinglichung eines Menschen", das wollte er nicht. Er zahlt also weiter, Miete, Möbel, Auto, den Unterhalt des Kindes, obwohl ihn das langsam an seine finanziellen Grenzen bringt. "Ich hoffe, dass ich es schaffe, mich so zu trennen, dass es für uns beide erträglich ist", sagt er. Seine zweite Hoffnung: dass er nicht wieder schwach wird und versucht, auf der Seite jemanden kennenzulernen, der ihn nicht zurückweist oder verlässt.

Schon als er jung war, sagt Wagner, habe er den Wunsch gehabt: "Wenn ich mal älter bin, möchte ich so viel Geld haben, dass ich mir eine junge Frau leisten kann. Inzwischen weiß ich, dass es so ist, wie Jack Nicholson sagt: Die Illusion, sich Liebe mit Geld kaufen zu können, verliert man, wenn man genügend Geld hat."

*Beide Namen geändert.

© SZ vom 17.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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