Finanzen:Abstiegskampf

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Eine U-Bahn-Station nahe der Deutsche-Bank-Türme: Der Bedeutungsverlust der deutschen Großbanken zeigt sich nun auch an der Börse. (Foto: Hannelore Förster/imago)

Signale eines Niedergangs: Die Commerzbank könnte aus dem wichtigsten Aktienindex des Landes herausfallen. Es ist ein weiterer Abstiegskampf, der sich kaum noch verhindern lassen wird. Die Entscheidung fällt vielleicht schon im September.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Erst wenn seine Zeit an der Spitze der Deutschen Bank irgendwann endet, wird man wissen, ob Christian Sewing als Retter in der Not in Erinnerung bleibt. Oder als Sachwalter eines unaufhaltsamen Niedergangs. Seit April führt er die Geschäfte als Konzernchef, er hatte in der Bank Karriere gemacht und es in den Vorstand geschafft, als man ihn zum Anführer machte. Er tritt stets entschlossen auf, im Kontrast zum Bedeutungsverlust der Bank und zum Misstrauen der Aktionäre. Allein seit Jahresbeginn beträgt der Kursverlust an der Börse 40 Prozent.

Nun ist ein weiterer Abstiegskampf in Sicht, der sich kaum noch verhindern lassen wird. Am 3. September, dem ersten Handelstag des Monats, könnte eine Ära enden: Dann entscheidet sich, ob die Deutsche Bank nach 20 Jahren aus dem Euro-Stoxx-50 ausscheidet, der 50 große börsennotierte Konzerne der Eurozone versammelt, die größten ihrer Branche, Börsen-Champions-League. Wenn nicht noch Wunder geschehen mit der Aktie - einen Kurssprung von 40 Prozent bräuchte es schon - dann spielt die Deutsche Bank in zwei Monaten nicht mehr mit. Damit verbunden ist eine bittere Symbolik, ist unter den möglichen Index-Aufsteigern ausgerechnet die italienische Unicredit, deren Börsenwert den des Frankfurter Konkurrenten mittlerweile um mehr als zwei Drittel übersteigt. Der Markt hat sein Urteil über das frühere Machtzentrum der Deutschland-AG längst gefällt.

In ihrem Kampf um den Klassenerhalt ist die Deutsche Bank aber nicht allein, er ist symptomatisch für den Zustand des Bankensektors im Land. Die Commerzbank, seit 30 Jahren und damit von Beginn an im deutschen Leitindex vertreten, belegt gemessen am Marktwert im Augenblick den letzten Platz im Dax. Sollte sich daran nicht wesentlich etwas ändern und Investoren im Laufe der kommenden Wochen wieder mehr Commerzbank-Aktien kaufen, muss die Bank ihren Platz möglicherweise räumen.

Mit der Wirecard AG, einem Zahlungsdienstleister mit Banklizenz und nur etwas mehr als 4000 Mitarbeitern aus Aschheim bei München, steht ein möglicher Nachfolger bereit. Wirecard ist mit dem elektronischen Zahlungsverkehr im Internet groß geworden, steht also irgendwie für die neue Welt der Bankgeschäfte und hat einen atemberaubenden Aufstieg an der Börse erlebt. Der Aktienkurs hat sich seit dem vergangenen Jahr fast verdreifacht.

Aus Mutmaßungen, Wirecard könnte aus dem Tec-Dax direkt in den Dax aufsteigen, wird damit ein reales Szenario. Um im Dax notiert zu sein, kommt es erstens auf den Marktwert der frei handelbaren Titel an, also jener Aktien, die nicht in der Hand von Ankerinvestoren sind. Zweitens zählt der Börsenumsatz. Damit ein Austausch stattfindet, muss eine Aktie entweder in beiden Fällen mindestens auf Platz 30 landen und zugleich ein Dax-Titel in einer der Kategorien schlechter als Rang 35 liegen - oder ein Dax-Aspirant muss in beiden Kategorien besser liegen als Platz 25. Wirecard ist beiden Möglichkeiten nah.

Die deutschen Banken dagegen haben sich von den Erfolgen früherer Tage weit entfernt. Dass die Deutsche Bank wenigstens als Mitglied im Dax gesetzt bleibt, ist da nur noch ein schwacher Trost.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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