Finanzbetrug:Auf der Jagd nach vier Milliarden Dollar

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Im Skandal um den malaysischen Staatsfonds kommen immer mehr Details ans Licht. Der ehemalige Premier steht nun vor Gericht.

Von Arne Perras, Singapur

Im Skandal um die Plünderung des malaysischen Staatsfonds 1 MDB kommt immer mehr mutmaßliche Beute ans Licht. Zuletzt wurden eine Reihe von Luxusautos in der Nähe von München beschlagnahmt, wie Recherchen der SZ und des Schweizer Medienhauses Tamedia ergaben. Die Spur soll zu dem Geschäftsmann Khadem al-Qubaisi in den Vereinigten Arabischen Emiraten führen. Der ehemalige Banker sitzt seit 2016 in Abu Dhabi in Haft, nach Erkenntnissen der US-Justiz ist er maßgeblich in die Milliardenbetrügereien um den Staatsfonds 1 MDB verwickelt. Auch Schweizer Behörden interessieren sich sehr für den Mann in Abu Dhabi. Er soll dafür verantwortlich sein, dass große Summen aus 1-MDB-Konten über Tarnfirmen in die Schweiz gelangten, ein Teil des Geldes floss dann angeblich in den Kauf der sogenannten Hypercars, die nun in Bayern Aufsehen erregen.

Andere beschlagnahmte Luxusgüter wie die Mega-Yacht des untergetauchten malaysischen Finanzinvestors Jho Low zeigen, wie stark verästelt der Korruptionsskandal um 1 MDB ist. Die Equanimity war 2018 im indonesischen Bali festgesetzt worden. Malaysia hat die Yacht inzwischen für 126 Millionen Dollar wieder verkauft, der Staat versucht Schritt um Schritt, abgezweigtes und versickertes Geld zurückzuholen, doch die mutmaßlichen Dimensionen sprengen alles, was man bisher bei derartigen Skandalen gesehen hat: Ermittler in Europa, Nahost, den USA und in Südostasien jagen mehr als vier Milliarden Dollar nach, die Malaysia durch Betrug, Geldwäsche und Korruption verlor.

Gewaschenes Geld floss etwa in den Film "Wolf of Wall Street" mit Leonardo diCaprio

Der Skandal strahlt auch in die Glamour-Welt von Hollywood aus, gewaschenes Geld floss etwa in die Finanzierung des Films "Wolf of Wall Street" mit Leonardo diCaprio und in den Kauf von Kunstwerken der Maler Monet und Picasso. Und das Drama um 1 MDB hatte massive politische Folgen: Vor einem Jahr stürzte die Regierung des malaysischen Premiers Najib Razak über die Korruptionsvorwürfe, er muss sich nun in Kuala Lumpur vor Gericht verantworten. Najib, der 2009 an die Macht gelangt war und lange als unantastbar galt, ist seit der Niederlage bei den Wahlen tief gefallen. Er gilt als Schlüsselfigur in der Geschichte um den Milliardenbetrug am eigenen Volk. Najib hatte den Staatsfonds geschaffen, der helfen sollte, die Wirtschaft des Vielvölkerstaats weiter anzukurbeln. Nun muss die Nachfolgeregierung unter Premier Mahathir Mohamad die Scherben zusammenkehren, sie versucht zu retten, was noch zu retten ist.

Als der Fonds 2014 Schulden in Höhe von elf Milliarden Dollar aufgehäuft hatte, wischte Najib noch alle Bedenken beiseite, er war an der Macht, musste unbequeme Fragen kaum fürchten, Kritiker wurden bedroht oder kaltgestellt. Das änderte sich, nachdem die Wähler ihm nicht mehr trauten, er verlor sein Amt und nun erwarten die Bürger, dass der Staat die Verantwortlichen des Korruptionsskandals zur Rechenschaft zieht. Ein erstes Verfahren gegen Najib war bereits im April angelaufen, es soll diese Woche zu Ende gehen, am kommenden Montag ist dann der Beginn eines weiteren Prozesses geplant, der weit umfangreicher ausfallen dürfte als der erste. Während es bislang um mutmaßliche Transfers von umgerechnet etwa neun Millionen Euro auf Najibs Konten geht, verfolgt der zweite Prozess unter anderem verdächtige Geldströme, die bis in die Vereinigten Arabischen Emirate führten.

Alles in allem ist Najib mit 42 Anklagpunkten wegen Geldwäsche, Betrugs und Machtmissbrauchs konfrontiert, die Justiz hat den Fall in fünf Verfahren aufgefächert, weil die Verzweigungen offenbar zu komplex sind, um sie in einem einzigen Prozess abzuhandeln. "Mein Klient glaubt, dass dies eine politische Verfolgung ist", hatte Najibs Anwalt, Muhammad Shafee Abdullah, zu Beginn der Verfahren erklärt, der Ex-Premier verbreitet das Bild, dass er ein Opfer sei, doch die Vorwürfe wiegen schwer. Wird er auch nur in einigen der Anklagepunkte schuldig gesprochen, dürfte der 66-Jährige den Rest seines Lebens hinter Gitter verbringen.

Die Bürger des Landes warten auf eine Entschuldigung, bislang vergeblich

Auch seine Frau Rosmah Mansor muss sich vor der Justiz verantworten, ihre ausgeprägte Schwäche für funkelnde Steine und Luxustaschen könnte ihr nun zum Verhängnis werden. "Ich muss präsentabel und ordentlich erscheinen", hatte Rosmah mit Blick auf ihre Rolle einmal erklärt, als Frau an der Seite eines Regierungschefs dürfe sie keinesfalls "heruntergekommen" auftreten. Bei der Untersuchung ihres Hauses hatte die Polizei 12 000 Schmuckstücke sichergestellt, Hunderte Uhren und 272 Handtaschen der Marke Hermès Birkin. Geschätzter Wert insgesamt: 273 Millionen Dollar. Ehemann Najib beschwerte sich, die Schätzungen seien überzogen. Und im Übrigen würde Rosmah als Frau des Premiers eben viele Geschenke erhalten. Noch immer warten die Malaysier vergeblich darauf, ihren Ex-Premier einmal reumütig zu erleben.

© SZ vom 22.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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