Finanz-Gütesiegel:Zu einfach, um wahr zu sein

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Geld richtig anzulegen, ist gar nicht so leicht. Trotzdem sollten sich Sparer nicht von Gütesiegeln und Ampel-Symbolen verführen lassen - diese taugen nicht als Grundlage für eine Anlageentscheidung und gaukeln Sicherheit nur vor.

Von Stephan Radomsky, München

Was Geldanlagen und Tiefkühlpizzen gemeinsam haben? In den Augen der Verbraucher offenbar einiges. Zumindest lassen sie sich bei beiden Produktgruppen gleichermaßen von Ampel-Symbolen zu möglicherweise ungesunden Entscheidungen verleiten, ergab kürzlich eine gemeinsame Studie von Forschern der Technischen Universität München und französischen Kollegen.

Seit Jahrzehnten sind deutsche Verbraucher geradezu auf Gütesiegel dressiert: Stiftung Warentest, TÜV, ADAC - was von ihnen für "gut" oder gar "sehr gut" befunden wird, kann gar nicht schlecht sein, so das Denken. Genau das machen sich findige Marketingstrategen gerade in der Finanzbranche zunutze, indem sie Kunden als "Testsieger" oder "Beste Bank" ansprechen - sehr zum Verdruss von Verbraucherschützern.

"Gütesiegel sehen wir gerade im Finanzbereich sehr kritisch", sagt etwa Finanzexperte Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Das ist ein Hilfsmittel - es darf aber keinesfalls die Grundlage für eine Anlageentscheidung sein." Einerseits sind solche werbewirksamen Auszeichnungen immer nur so gut wie derjenige, der sie verleiht. Für den Kunden ist der Sachverstand hinter dem Siegel aber oft schwer einzuschätzen. Andererseits bedeuten sie notgedrungen immer eine verkürzte Aussage über die Auswertung eines ganzen Bündels an Kriterien. Das kann gefährlich werden, wenn es dabei um eine so weitreichende und komplexe Entscheidung wie etwa das richtige Modell für die Altersvorsorge geht.

Gütesiegel sind immer wieder ein Fall für die Gerichte

Und die Beeinflussung wirkt: So achteten die Probanden in der Münchner Studie weniger auf die Unsicherheiten beim Ertrag einer Geldanlage, wenn den Produktinformationen eine Ampel als grafisches Element beigefügt war. Außerdem gewichteten sie grün markierte Eigenschaften stärker für ihre Entscheidung und vernachlässigten dafür im Gegenzug andere Punkte. Daneben wurden sie durch die Vereinfachung von Informationen - etwa indem ein Durchschnittsertrag statt einer möglicherweise großen Schwankungsbreite bei der Rendite angegeben wurde - ungewollt risikofreudiger. "Die Ampel täuscht Sicherheit vor und verleitet dazu, komplexere Produktinformationen zu vernachlässigen", fasst Jutta Roosen von der TU München die Ergebnisse zusammen.

Weil die Wirkung groß, die Kontrolle aber schwierig ist, beschäftigen Gütesiegel auch immer wieder die Gerichte. So geht etwa die Wettbewerbszentrale als Selbstkontrollinstanz der Wirtschaft gegen Finanzdienstleister vor, wenn sie sich nicht an die Regeln für das Werben mit Gütesiegeln halten. Auf Beschwerden von Unternehmen, Verbänden oder Verbrauchern hin wurden in den vergangenen Jahren unter anderem unzureichend gekennzeichnete Siegel, falsche Meldungen von Testsiegen und sogar frei erfundene Plaketten mit Bestnoten aus dem Verkehr gezogen.

Daneben nehmen sich auch Verbraucherschützer immer wieder Banken wegen allzu blumigen Eigenlobs vor. Allein bei einer Stichprobe unter nur 15 Filial- und Online-Banken fand die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Jahr 2012 eine Vielzahl von "Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten". Ein Kreditinstitut wurde von den Düsseldorfern sogar abgemahnt, weil es mit einem Jahre alten Testsieg für sein dreimonatiges Festgeld warb - obwohl Kunden dafür bei anderen Banken inzwischen längst viel höhere Zinsen bekamen.

Und selbst wenn die Unternehmen in ihrer Werbung und den Produktunterlagen sauber und nachvollziehbar mit Qualitätsausweisen und Ampeln umgehen, bleiben sie für den Verbraucher potenziell problematisch. "Die Gefahr besteht darin, dass Kunden sehr schnell etwas in so ein Siegel hineininterpretieren, das eigentlich gar nicht zugesagt wird", warnt Verbraucherschützer Scherfling. "Ein Nachhaltigkeits-Siegel sagt beispielsweise nichts über die Qualität, die Rendite und die Risiken einer Anlage aus." Und wie gefährlich "grüne" Investments werden können, zeigte zuletzt der Fall der insolventen Windenergiefirma Prokon.

© SZ vom 18.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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