FC Bayern München:Das System Hoeneß

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Der FC Bayern München hat ein führendes Wirtschaftsmodell für den Fußball entwickelt: Indem er die Prinzipien des klassischen deutschen Mittelständlers auf den Sport übertragen hat.

Nikolaus Piper

Es gehört Mut dazu, heute auf einen Fußball-Weltmeister Deutschland zu wetten. Umso schöner, dass es immer wieder auch gute Nachrichten aus dem Lieblingssport der Nation gibt. Wenn Jürgen Klinsmanns Mannschaft das Testspiel gegen Kolumbien 3:0 gewinnt, zum Beispiel. Oder wenn sich zeigt, dass die Deutschen ein in Europa führendes Modell für das Geschäft mit dem Fußball entwickelt haben.

Verfügt über ein legendäres Festgeldkonto: Uli Hoeneß. (Foto: Foto: ddp)

Es ist das Modell des FC Bayern München. Der Rekordmeister ist sportlich in der Champions League zwar nur mittelmäßig. Er ist aber profitabel. Die Bayern AG, in der der Klub im Dezember 2001 sein Profigeschäft zusammengefasst hat, erzielte nach vorläufigen Zahlen 2005 einen Umsatz von 200 Millionen Euro, einen Bilanzgewinn von drei bis vier Millionen Euro; das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) wird auf 20 Millionen Euro geschätzt.

120 bis 150 Millionen Euro gebunkert

Der wirtschaftliche Erfolg der Bayern lässt sich an zwei Begriffen festmachen: Festgeldkonto und Uli Hoeneß. Zunächst zum legendären Festgeldkonto, auf dem seit Jahren 120 bis 150 Millionen Euro gebunkert werden. Es ist die denkbar konservativste Form der Geldanlage, kaum rentabler als ein Sparbuch. Dafür ist das Konto nahezu risikofrei. Und man kommt jederzeit an das Geld heran. Zum Beispiel, wenn es darum geht, den Stürmer Lukas Podolski für acht Millionen Euro aus seinem laufenden Vertrag beim 1. FC Köln herauszukaufen.

Und dann Uli Hoeneß. Der heute 54-jährige frühere Profi-Fußballer ist seit 1979 Manager beim FC Bayern. Als er anfing, machte der Verein zwölf Millionen DM Umsatz und hatte sieben Millionen DM Schulden. Heute gehört ihm die neue Allianz-Arena und zum Festgeldkonto kommen noch eine Million Telekom-Aktien.

Fernsehrechte, Fanartikel und anderes

Vor 17 Jahren stammten 75 Prozent der Erlöse aus dem Verkauf von Eintrittskarten, heute sind es weniger als 20 Prozent, den Rest liefern Fernsehrechte, Fanartikel und anderes.

In der Industrie würde man Hoeneß' Position vielleicht als die eines Produktionsvorstands bezeichnen, er bildet das Scharnier zwischen der Mannschaft, den Fans und dem harten Geschäft. Vorstandschef ist der Ex-Profi Karl-Heinz Rummenigge, Finanzvorstand der Nicht-Fußballer Karl Hopfner.

Fragt man Hoeneß nach seinem Erfolgsrezept, dann fallen ihm einige einfache Sätze ein. Zum Beispiel: "Wir haben keine Mäzene, sondern Werbepartner." Und der Unterschied? "Mäzene fördern einen Verein aus reiner Begeisterung. Ein Werbepartner bekommt einen Gegenwert. Es ist eine Win-Win-Situation."

Nie auf Bayerntümelei gesetzt

Und: "Wir haben nie auf Bayerntümelei gesetzt." Deshalb hätten die Bayern Fans in ganz Deutschland. "Heute könnten wir jedes Bundesliga-Stadion mit eigenen Fans aus der Region füllen - wenn wir nur die Tickets bekämen."

Und dann gibt sich der Klub ebenso international wie heimatverbunden. Giovane Elber in Lederhosen - das ist professionelle Markenpflege. Der Klub gilt als eine der besten und wertvollsten Marken Deutschlands. Hoeneß selbst schätzt den Wert der Bayern AG auf eine Milliarde Euro.

An der Stelle wären ein paar Dinge über Hoeneß selbst zu sagen. Geboren 1952 als Sohn eines Metzgers in Ulm, schwäbelt er bis heute was das Zeug hält. Er war Lizenzspieler des FC Bayern in den goldenen siebziger Jahren, studierte ein paar Semester Betriebswirtschaft, gilt als gelegentlicher Choleriker und ist im Nebenberuf selbst Unternehmer.

Zusammen mit einem Partner baute er in Nürnberg eine Wurstfabrik namens HoWe auf, die heute von Hoeneß' 27-jährigem Sohn Florian geführt wird.

Kurz: Der Bayern-Manager ist ein Mittelständler. Und genau das ist auch sein Erfolgsmodell. Der FC Bayern ist das Modell des klassischen deutschen mittelständischen Unternehmens übertragen auf den Sport.

In der Industrie nennt man diese Unternehmen "Hidden Champions", Firmen, die in ihrer Nische die Weltspitze erreicht haben. Die Nische der Bayern heißt: nachhaltige Fußballfinanzierung.

Hohe Eigenkapitalquote

Einen Unterschied gibt es im Übrigen: Im deutschen Mittelstand liegt die Eigenkapitalquote zwischen 15 und 30 Prozent. Die Bayern erreichten 72 Prozent - ehe sie dem TSV 1860 dessen Anteil an der Allianz-Arena abkauften. "Heute ist es etwas weniger", heißt es aus dem Verein.

Auch der Geschäftssitz in der Säbener Straße sieht aus wie der eines mittelständischen Unternehmens, ein wenig aufgebrezelt, aber in Maßen. Hinter dem Firmensitz das Trainingsgelände und das Fußballinternat; am einen Ende der Säbener Straße liegt der bürgerliche Stadtteil Harlaching, am anderen das Arbeiterviertel Giesing, wo Franz Beckenbauer, der Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende des Klubs, einst als Straßenkicker angefangen hat.

Hochkarätiger Aufsichtsrat

Neben Beckenbauer, der ein begnadeter Vermarkter ist, aber erklärtermaßen nichts von Wirtschaft versteht, sitzen im Aufsichtsrat zum Beispiel Herbert Hainer, der Chef von Adidas (der Konzern besitzt zehn Prozent der Bayern AG ), Martin Winterkorn von Audi, Dieter Rampl vom Sponsor HVB, Telekom-Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick und Herbert Henzler, früherer Deutschland-Chef von McKinsey.

Dabei war es gar nicht ausgemacht, dass der FC Bayern einmal zum Ausnahmeklub werden würde. Gegründet 1900, waren die Bayern gegenüber dem Lokalrivalen TSV 1860 immer der Nachkömmling.

Beim Start der Bundesliga 1963 waren sie gar nicht dabei, erst in der Saison 1965/66 kam der Aufstieg und erst in den siebziger Jahren die sportliche Spitzenposition. Aber werden sich die Bayern auf Dauer gegen viel reichere Klubs in Europa durchsetzen können? Zum Beispiel gegen Real Madrid, der Klub, der ohne Rücksicht auf den Preis die besten Spieler der Welt zusammenkauft.

Umsatz gleich Verlust

Uli Hoeneß glaubt, dass das Geschäftsmodell vieler Spitzenklubs in Europa nicht nachhaltig ist. "Ich bin gespannt, wann Abramowitsch die Geduld mit Chelsea verliert." Der russische Milliardär hatte 2003 den englischen Klub gekauft; dessen Umsatz ist mit 200 Millionen Euro ungefähr so hoch wie der Verlust. Hoeneß ist auch gegen die Einrichtung einer Europaliga, wie sie viele aus dem Verein der großen Klubs, den G 14, fordern.

"Ein Spiel München gegen Bukarest wird nie die Atmosphäre haben wie ein Lokalderby in Deutschland." Und was ist mit einem Börsengang? "Ich bin dagegen. Jedenfalls vor 2011, wenn wir die Allianz-Arena abbezahlt haben."

Und auch dann wäre ihm ein strategischer Partner wie Adidas lieber. Was Wunder: Die bisher einzige erfolgreiche Verbindung von Fußball und Börse war Manchester United. Doch nun gehört der Klub dem amerikanischen Investor Malcolm Frazer. Der verkaufte als Erstes das Stadion, den bisherigen Erfolgsgaranten von ManU - eine Schreckensvision für einen echten Mittelständler.

© SZ vom 06.06.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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