Familienserie:Vom gleichen Schlag

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Einer der ehernen Grundsätze, die Familienunternehmen hartnäckig nachgesagt wird, lautet: Blut ist dicker als Wasser. Soweit es die Besetzung von Führungsposten betrifft, soll das heißen: Die Familie geht vor, immer.

Elisabeth Dostert

"Falsch", sagt Reinhard Thiel, Partner der auf die Suche nach Führungskräften spezialisierten Düsseldorfer Personalberatung Heidrick & Struggles: "Die Firma geht vor." Er hat sich die Lebensläufe der Vorstände und Geschäftsführer der 50 größten Familienunternehmen angesehen - Firmen wie der Pharmakonzern Merckle, der Logistikdienstleister Dachser, die Drogeriemarktketten Schlecker und dm oder die Technologiegruppe Heraeus.

Fazit: "Die großen Familienunternehmen wählen ihre Führungskräfte genau so professionell aus wie die im Deutschen Aktienindex notierten Konzerne. Der Verwandtschaftgrad spielt kaum mehr eine Rolle. Was zählt, ist die Qualifikation." Das mag einer der Gründe dafür sein, dass nur in 15 der untersuchten Unternehmen ein Mitglied der Familie die Geschäfte führt. Früher war das anders. "Der Älteste musste ran, ganz gleich, ob es ihm gefiel oder ob er taugte", sagt Thiel: "Heute gehen die Familien kritischer mit ihrem Nachwuchs um und der kritischer mit der Firma. Der sagt auch mal nein." Tendenziell korreliere die Professionalität bei der Stellenbesetzung mit der Größe der Firma. Mittelständischen Patriarchen falle es deutlich schwerer loszulassen, meint Thiel.

Die Anforderungen an externe Manager sind hoch, "denn es geht um das Geld der Familie". Werte wie Vertrauen, Loyalität und Integrität spielen in den Familienunternehmen eine weitaus größere Rolle als in den Dax-Konzernen, sagt Thiel. Auch dem eigenen Nachwuchs wird nichts geschenkt. Reine Eigengewächse, wie etwa Michael Otto, bis Ende September Chef des gleichnamigen Versandhändlers, sind dabei eher selten. Abgesehen von der Banklehre bei Merck, Finck hat der 64-Jährige sein gesamtes Berufsleben in der Firma der Familie verbracht. "Gerade von Familienmitgliedern wird erwartet, dass sie auf Wanderschaft gehen und sich extern durchsetzen, bevor sie die Führung des Familienunternehmens übernehmen", sagt Thiel. Es gehöre zum erweiterten Ausbildungsplan, dass der Nachwuchs in Beratungsunternehmen Erfahrungen sammle.

Etliche Gemeinsamkeiten

Dafür gibt es viele Beispiele. Peter-Alexander Wacker, 56, Vorstandschef der Wacker Chemie AG, arbeitete mehr als zehn Jahre für den Autohersteller BMW, eher er 1992 in München ein Beratungsunternehmen gründete und 1996 in die Geschäftsführung des Familienunternehmens eintrat. Zuvor gehörte er dem Aufsichtsrat drei Jahre an. Und noch ein Beispiel: Karl-Erivan Haub, seit fast acht Jahren Chef der Handelsgruppe Tengelmann, hat Einzelhandelskaufmann gelernt und "nebenbei" Wirtschaftswissenschaften studiert, dann kurze Zeit für den Lebensmittelkonzern Nestlé in den USA gearbeitet, bevor er für ein paar Jahre Berater bei McKinsey wurde.

Die Herren Haub und Wacker haben noch mehr gemein. Sie haben Auslandserfahrung und sind Diplom-Kaufmänner. Etwa die Hälfte der untersuchten Familienunternehmen wird von Betriebs- oder Volkswirten geführt. Und vermutlich werden die beiden Männer sich wie viele der großen Familienunternehmer, noch bevor sie 65 Jahre alt sind, in Aufsichts- oder Beirat zurückziehen.

Von einer grundsätzlichen Überalterung oder einem Verschlafen des Generationswechsels kann, so Thiel, nicht die Rede sein. Im Schnitt sind die Chefs der 50 größten Familienunternehmen 54 Jahre alt. Auf dieses Durchschnittsalter bringen es auch die Vorstandschef der Dax-Konzerne. Mit im Schnitt 9,4 Jahren hält es die Chefs der Familienunternehmen aber länger im Amt. Bei den Dax-Konzernen liegt die Verweildauer im Schnitt bei vier bis fünf Jahren.

Die Statistik wird allerdings durch einige Patriarchen verzerrt, räumt Thiel ein. Männer wie Götz W. Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, oder sein Konkurrent Anton Schlecker - der eine 34 Jahre im Amt, der andere 32. Da kann selbst Porsche-Chef Wendelin Wiedeking nicht mithalten, mit 15 Jahren einer der dienstältesten angestellten Manager in Familienunternehmen. Zwar herrsche in Familienunternehmen eine größere Kontinuität als bei großen anonymen Publikumsgesellschaften. Das Klischee vom "ewigen Chef", dessen Amtszeit quasi mit dem Tod endet, ist fern der Realität.

© SZ vom 8.11.2007/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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