Fall Zumwinkel:Dornen für die Staatsanwältin

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Steuersünder wie den Ex-Post-Chef Zumwinkel lehrt sie das Fürchten, aber ihren Vorgesetzten ist sie wohl zu forsch. Nun soll die Bochumer Strafverfolgerin Margrit Lichtinghagen versetzt werden. Ein Lehrstück über deutsche Bürokratie.

H. Leyendecker und J. Nitschmann

Manchmal können auch Beamte berühmt werden und Strafverfolger zu Starruhm kommen. Margrit Lichtinghagen, die Bochumer Ermittlerin, die im Februar den Steuersünder Klaus Zumwinkel in Köln heimsuchte, gehört gewiss zu jenen Staatsanwälten, die zumindest in der Öffentlichkeit einen Höllenrespekt genießen. Ihr Foto ging damals um die Welt, und für viele ist die 54-Jährige eine Art moralische Stellvertreterin geworden, die es "denen da oben" zeigt. Es gibt sogar Pläne für einen Film, in dem Veronica Ferres die Rolle der furchtbar unerschrockenen Ermittlerin spielen soll.

Steuersünder fürchten sie, doch ihren Vorgesetzten ist die Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen (rechts) zu forsch. (Foto: Foto: dpa)

Ausgerechnet über die berufliche Zukunft einer solch prominenten Strafverfolgerin tobt derzeit zwischen der Behördenleitung in Bochum, der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm und dem Düsseldorfer Justizministerium ein erbitterter Streit. Die Beamtin soll, so wollen es ihre Vorgesetzten, von den Liechtenstein-Steuerverfahren abgezogen werden. Sie soll sogar die aus mehr als 40 Beamten bestehende Schwerpunktabteilung 35 für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, der sie immerhin seit 1993 angehört, verlassen und andernorts im Haus als Ermittlerin eingesetzt werden.

Die Leitung des Hauses teilte ihr am Dienstag mit, sie habe zu ihr nicht mehr das notwendige Vertrauen. Der Leitende Oberstaatsanwalt Bernd Schulte soll bei dieser Gelegenheit gesagt habe, Lichtinghagen habe sich ungebührlich verhalten und agiere "hinterhältig". Auch der Generalstaatsanwalt in Hamm, Manfred Proyer, der fünfeinhalb Jahre lang Chef in der Revierstadt war und die Verhältnisse gut kennt, unterstützt die Bochumer Amtsleitung. Und ein oberer Strafverfolger aus dem Rheinland sagt, es gebe "1021 Staatsanwälte in NRW, die Dame muss lernen, dass sie nur eine ist".

Personalie als Politikum

Aber die christdemokratische Justizministerin in Düsseldorf, Roswitha Müller-Piepenkötter, steht, noch, auf Seiten der Strafverfolgerin. Auch aus Anerkennung für die Leistung der sehr energischen Ermittlerin hat die Ministerin dem Personalwechsel bislang jedenfalls nicht zugestimmt. Der Fall ist auch deshalb brisant, weil der Generalstaatsanwalt in Hamm kein politischer Beamter ist und nicht einfach angewiesen werden kann. Vielleicht, so unken die Lichtinghagen-Gegner, fürchte die Ministerin nur die Reaktion der Öffentlichkeit.

Eine kleine Personalie wird zum Politikum. Oder geht es wieder mal nur um Eifersüchteleien und Futterneid im Apparat? Können Männer es nicht ertragen, dass es eine Frau zu solcher Berühmtheit schafft? Oder ist die geplante Verschiebung gar eine Art Verfolgung, wie sie Ende der siebziger Jahre dem Steuerfahnder Klaus Förster widerfuhr, als der zu tief im Parteispendensumpf grub? Ist ihr Fall möglicherweise vergleichbar mit dem des Augsburger Staatsanwalts Winfried Maier, der im Verfahren des Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber die großen politischen Zusammenhänge aufklären wollte und dann Ende der neunziger Jahre entnervt auf die Richterbank wechselte? Oder erinnert der Fall an den Wechsel des früheren Frankfurter Oberstaatsanwalts Wolfgang Schaupensteiner, der enttäuscht vom Gewese des Behördenapparates nach zwei Jahrzehnten Korruptionsermittlungen 2007 zur Deutschen Bahn ging und seitdem dort im Morast stochert?

Lesen Sie im zweiten Teil, wieso die streitbare Staatsanwältin bislang relativ unbehelligt arbeiten konnte - und welche Folgen ihr Abgang für das Verfahren gegen Klaus Zumwinkel haben würde.

Zu jedem dieser drei Fälle gibt es bei näherer Betrachtung der Personalie Lichtinghagen Parallelen, und doch sind die Bochumer Verhältnisse auch wieder völlig anders. Lichtinghagen verkörpert für ihre meist männlichen Kontrahenten offenbar die nicht mehr steuerbare, stets streitbare Frau. Ein Apparat hat auch eine Seele und vor allem hat er eine Hierarchie, die zumindest respektiert werden möchte. Die Vorwürfe, die ihr gemacht werden, kann nur jemand verstehen, der das Innenleben solcher Einrichtungen kennt.

Alle Beteiligten lehnen übrigens Stellungnahmen ab. Die Staatsanwältin habe, heißt es, die Anklage gegen Zumwinkel zu Gericht gegeben, ohne ihre Dienstvorgesetzten rechtzeitig darüber zu unterrichten. Die erste Anklage im Liechtenstein-Verfahren, die sich gegen einen Homburger Unternehmer richtete, sei von ihr vorschnell erhoben worden. Sie diskutiere die Fälle nicht mehr mit ihren Vorgesetzten. Auch wäre es besser gewesen, so die Sicht des Amtes, wenn zunächst ein Angeklagter aus dem Großraum Bochum auf die Anklagebank gekommen wäre.

Unter Anwälten und auch Staatsanwälten wird heftig diskutiert, ob die Bochumer wirklich für alle Liechtenstein-Verfahren zuständig sind. Außerdem soll ein Vermerk, in dem ihr ein Vorgesetzter angeblich "rechtswidrige Machenschaften" vorwirft, im Düsseldorfer Justizministerium gelandet sein, um den Vorgesetzten bloßzustellen. Zudem sollen Lichtinghagen angebliche Durchstechereien an die Medien vorgehalten worden sein.

Egal ob die Vorwürfe berechtigt sind oder nicht, der Unmut in der Behörde über die Star-Staatsanwältin, die mit den anderen angeblich nicht über ihre Arbeit diskutieren mag, war latent schon eine Weile da. Ihre Lage verschlechterte sich rapide, als sich vor kurzem ihr Abteilungsleiter Eduard Güroff, der im Januar 65 Jahre alt wird, verabschiedete und in den Kosovo wechselte. "Ede", wie sie ihn nannten, hatte seine Hand über sie gehalten.

Behördenkrieg in Bochum

Was eine Versetzung der Staatsanwältin für das Liechtenstein-Verfahren bedeuten würde, ist noch nicht klar. Sicher ist für diesen Fall nur, dass sie nicht mehr die Anklägerin im Prozess gegen Zumwinkel im Januar sein wird. Bei genauerem Hinsehen sind die knapp 800 Liechtenstein-Verfahren eigentlich nur in Bochum gelandet, weil es dort Margrit Lichtinghagen gibt, die zu Beginn ihrer Karriere Sachgebietsleiterin bei der Steuerfahndung Essen war und von den ehemaligen Kollegen der Fahndung immer noch verehrt wird.

Auch die Wuppertaler Steuerfahndung, die von einem untreuen Angestellten der Fürstenbank LGT aus Liechtenstein die DVDs mit den Unterlagen über die reichen Steuerhinterzieher erhielt, hatte bei der Suche nach einer Staatsanwaltschaft eigentlich freie Wahl, auch hier zog wohl der Lichtinghagen-Faktor.

Behördenkrieg in Bochum: Die Büros der beiden anderen Staatsanwälte, die den Liechtenstein-Komplex aufarbeiten, sollen zwischenzeitlich verlegt worden sein. Nur weit weg von Margrit Lichtinghagen ist derzeit die Devise, als habe die Dame eine ansteckende Krankheit.

© SZ vom 12.12.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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