Fall Lothar Pauly:"Wollen wir Geschäfte machen oder nicht?"

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Als ehemaliger Siemens-Manager soll Lothar Pauly von Schmiergeldzahlungen gewusst haben. E-Mails aus dem Jahr 2000 scheinen den Verdacht zu erhärten. Obwohl sein Anwalt dementiert, ist Pauly seinen Job im Telekom-Vorstand los.

Klaus Ott

Als Vorstand der Deutschen Telekom wäre Lothar Pauly, 48, in diesen Wochen eigentlich besonders stark gefordert gewesen. Der früh ergraute Manager kümmerte sich bei der Telekom seit eineinhalb Jahren um das Geschäft mit Großkunden, und die laufen dem Telefon- und Internetkonzern im eigenen Lande offenbar in Scharen davon. Der Umsatz dieser Sparte, die unter T-Systems firmiert, war im Inland im ersten Quartal 2007 um fast 16 Prozent gesunken.

Seit einiger Zeit schon sucht die Telekom einen Partner für T-Systems. Normalerweise wäre es Paulys Job gewesen, die Flucht der Geschäftskunden zu stoppen und ein Unternehmen zu finden, das bei T-Systems einsteigt. Das müssen nun andere Manager besorgen.

"Süße Versprechungen"

Paulys Karriere, die bei Siemens begonnen hatte und ihn im Oktober 2005 in den Vorstand der Telekom führte, ist vorerst beendet. Der gelernte Industriekaufmann und studierte Betriebswirt ist möglicherweise in den Korruptionsskandal seines ehemaligen Arbeitgebers verwickelt.

Frühere Mitarbeiter und Manager von Siemens, die geständig sind, haben bei der Münchner Staatsanwaltschaft ausgesagt, Pauly habe als einer der Top-Manager in der Sparte Telekommunikation (Com) von Schmiergeldzahlungen gewusst.

Paulys Anwalt Kurt Kiethe dementiert energisch jede Anschuldigung gegen seinen Mandaten, die aus dem Ermittlungsverfahren an die Öffentlichkeit gelangt. Doch die Telekom wollte offenbar nicht mehr abwarten, ob ihr Vorstandsmitglied heil und ungeschoren davonkommt oder eines Tages vor Gericht steht. Nach Angaben aus Konzernkreisen hat Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel auf eine Trennung gedrängt.

Der aus Bad Homburg am Rande des Taunus stammende Pauly war nach dem Studium zu Siemens gegangen und dort im Bereich Telekommunikationstechnik rasch aufgestiegen. Im April 2000 rückte er in den Vorstand von IC Mobile (ICM) auf, einer Sparte mit 20.000 Beschäftigten und fünf Milliarden Euro Jahresumsatz. ICM errichtete weltweit Sendestationen und -netze für Handys. Im Oktober 2004 ging diese Sparte im neuen Unternehmensbereich Com auf, dessen Vorsitz Pauly übernahm, ehe er ein Jahr später zur Telekom wechselte.

Energische Dementi

Bei ICM und später Com sollen Geschäftspartner weltweit systematisch geschmiert worden sei, um lukrative Aufträge zu bekommen. Das haben mehrere Beschuldigte gestanden. Bei den Ermittlungen geriet Pauly zunehmend in Bedrängnis, zuletzt durch interne E-Mails von Anfang des Jahrzehnts, die nach draußen drangen.

In der elektronischen Post an und von Pauly geht es um Beraterhonorare. Die Rede ist von "süßen Versprechungen", unbekannten Bankkonten ("obscure bank accounts") und "Abschottung". Bei ICM und Com sollen viele Schmiergeldzahlungen über Beraterverträge abgewickelt worden sein.

Besonders geheimnisvoll mutet eine E-Mail an, die ein Siemens-Mitarbeiter am 31. März 2000 um 17.20 Uhr an Pauly schickte."Betreff: AW: URGENT!!!", also eilig, dringend. Man habe leider eine Zahlung an einen Berater in Asien vermasselt, der dort die Aufgabe hatte, in der Telekommunikationsbranche Aufträge für Siemens zu besorgen. Daher habe man nun nochmals entsprechende Unterschriften eingeholt und das Papier bei Herrn R. platziert. "Die Zahlung verlässt erst Anfang nächster Woche Österreich."

Verhängnisvolle E-Mails

Man brauche jedoch zehn Arbeitstage, um das Geld zum Empfänger zu bringen, heißt es weiter in der E-Mail an Pauly. "Das ist der Preis, den wir für die Anonymisierung zahlen." Bestimmte Überweisungsdaten wolle man gar nicht haben, "wir scheuen sie wie der Teufel das Weihwasser". Der Siemens-Mitarbeiter riet Pauly, "wir sollten unser Minimum an Abschottung nicht aufgeben und irgendwelche Direktüberweisungen als Siemens tätigen". Paulys Antwort: "Ist OK. Die Abschottung nicht aufgeben."

Der in der E-Mail erwähnte Herr R. ist den Ermittlern bestens bekannt. Er hat laut Geständnissen mehrerer Beschuldigter bis Anfang des Jahrzehnts eine schwarze Kasse bei einer Bank in Salzburg verwaltet. Über dieses Konto sollen mehrere hundert Millionen Euro geflossen und weltweit als Schmiergeld genutzt worden sein. Warum ein Herr R. eingeschaltet gewesen sein soll, wisse Pauly nicht, sagt dessen Anwalt Kiethe. Pauly habe auch keine Kenntnis davon, dass R. für Siemens eine schwarze Kasse in Österreich verwaltet habe.

Mit einem Koffer voll Geld

Mit dem weiteren Zahlungsverkehr habe Pauly nichts zu tun gehabt, teilt Kiethe mit. Und der Umstand, dass der betreffende Berater, für den das Geld gedacht gewesen sei, offenbar auf Anonymität Wert gelegt habe, müsse weder Siemens noch Pauly in irgendeiner Weise betreffen. Mit dem in Asien tätigen Berater habe es einen legalen Vertrag gegeben.

Ein früherer Siemens-Manager erzählte den Ermittlern indes, Pauly sei bei dem österreichischen System der schwarzen Kassen "federführend" gewesen. Und der ehemalige, ebenfalls geständige Finanzvorstand von Com sagte aus, ein Mitarbeiter sei noch bis 2005 mit einem Koffer voll Geld um die Welt geflogen, um zu bestechen. Der Com-Finanzvorstand erzählte, er habe Pauly darauf angesprochen. Der habe geantwortet, er wisse das, und sinngemäß gefragt: "Wollen wir Geschäfte machen oder nicht?"

Das sei alles falsch, entgegnet Paulys Anwalt Kiethe. Sein Mandant habe von Schmiergeldzahlungen nichts gewusst.

© SZ vom 31.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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