Fahrschule:Reines Vergnügen

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Fahren will gelernt sein: eine Frau beim Fahrrunterricht in den 40er-Jahren. (Foto: Scherl/SZ-Photo)

Fahrunterricht gehört nicht zur Allgemeinbildung. Deshalb müssen Fahrschulen Mehrwertsteuer zahlen.

Der Unterricht in einer Fahrschule ist nicht vergleichbar mit dem an Schulen und Hochschulen, deshalb kann der Unterricht in einer Fahrschule nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof entschieden. Geklagt hatte eine Fahrschule aus Salzgitter. Ihrer Ansicht nach gehört der Führschein für Autos oder Kleinlastwagen zur Allgemeinbildung. Viele Menschen seien auch in ihrem Beruf oder als Pendler auf eine Fahrerlaubnis angewiesen. Die Finanzbehörden behandeln Fahrunterricht bislang als Privatvergnügen und damit steuerlich wie einen Autokauf. Der Bundesfinanzhof hatte sich zuletzt auf die Seite der Fahrschule geschlagen und verwies den Fall wegen der grundsätzlichen Bedeutung an das Gericht in Luxemburg.

Die Richter befanden, dass der Fahrunterricht sich zwar auf verschiedene Kenntnisse praktischer und theoretischer Art beziehe. Er komme aber nicht der Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleich, wie es bei Schul- und Hochschulunterricht der Fall sei. Es besteht keinen Grund, an dem Urteil der Richter zu zweifeln, schließlich haben sie, um diesen Job zu erfüllen, jede Menge umsatzsteuerfreier Bildung genossen und viele ziemlich lange. Die Richter wissen also, worüber sie reden, wenn sie über Bildung reden. Einen Führerschein müssen sie nicht haben.

Schul- und Fahrbildung korrelieren eher negativ. Das legt eine Studie des britischen Unternehmens Privilege Drivexpert nahe. Zu seinen Diensten gehört unter anderem die Auffrischung der Fahrpraxis. Eine Umfrage ergab, dass 59 Prozent der Befragten ohne höheren Bildungsabschluss die Fahrprüfung im ersten Versuch bestehen. Von den Abiturienten schafften das die Hälfte.

Ganz unabhängig vom Bildungsgrad fördert das Führen eines Fahrzeuges jedenfalls bei vielen Menschen Urinstinkte zutage, die in der Schule schnurgrade zu einem Eintrag ins Klassenbuch führen würden, im Straßenverkehr oft aber ohne Folgen bleiben. Dort wird geflucht, gehupt, geschrien und gerast. Für die meisten Menschen ist Schule auch weitaus weniger gefährlich als Autofahren und die vermittelte Bildung ist zweifelsohne vielseitiger. Im Unterricht am Lenkrad wird vermutlich selten über Kant und Astronomie geredet, sondern über so profane Zeichen des Alltags wie Stopp-Schilder und Zebrastreifen. Umso größer ist bei manchem hinterher das Gefühl der Freiheit, wenn die Prüfung erst einmal geschafft ist. Wen kümmert da noch die Steuer. Und mehr Zeit für die steuerfreie Bildung haben Schüler und Studenten dann auch wieder.

© SZ vom 15.03.2019 / dpa/SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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