Ex-Börsenchef Seifert:Allein unter Heuschrecken

Lesezeit: 3 min

Ein Rückblick - nicht ganz frei von Bitterkeit: Werner Seifert, der von britischen Hedgefonds aus dem Amt gedrängte Ex-Chef der Deutschen Börse, verkauft seine Erinnerungen als Wirtschaftskrimi.

Helga Einecke

Rache? Abrechnung? Beweis der Unfehlbarkeit? Werner G. Seifert, Ex-Chef der Deutschen Börse, weist den Verdacht weit von sich, er könnte niedrige Motive gehabt haben, als er sein Buch "Invasion der Heuschrecken" schrieb.

Trägt die Haare inzwischen länger: Werner Seifert am Montag im Frankfurter Literaturhaus bei der Vorstellung seines Buches. (Foto: Foto: dpa)

Aufklären will er, andere Manager vor dem Untergang bewahren, die Auswüchse des Kapitalismus anprangern und neue Regeln anstoßen. Seifert sitzt im Frankfurter Literaturhaus neben seinem Co-Autor Hans-Joachim Voth und gibt sich demonstrativ gelassen.

Das graue Haar trägt er halblang. Sein Outfit aus Rolli, karierter Jacke, Cordhose und Turnschuhen belegt, dass er ein bequemes Leben führt in seiner neuen Wahlheimat Irland. Alle zwei Wochen treibt es ihn nach Deutschland, normalerweise um Jazz zu spielen. Dieses Mal wirbt er für sein Buch.

Intrigen

Als Wirtschaftskrimi soll es sich verkaufen, Intrigen und Marktmanipulationen der Finanzelite in Frankfurt, London und New York aufdecken.

Tatsächlich lesen sich die 260 Seiten über weite Strecken kurzweilig. Der Leser erfährt vor allem viel über Seifert selbst. Was er kocht, welche Musik er hört, was für eine tolle Zeit er bei seinem ersten Arbeitgeber McKinsey hatte, wie ihn der Chef der Deutschen Bank nach Frankfurt holte (siehe nebenstehender Auszug) und wie er die Deutsche Börse zu einem profitablen Unternehmen aufbaute.

Seinen Nachfolger Reto Francioni dürften besonders seine Fusionsversuche mit der Börse Euronext unter den Decknamen "Antibes" und "Edelstein" interessieren. Seifert strebte aber lieber nach der von ihm als "Kronjuwel unter den deutschen Börsen" empfundenen Londoner Stock Exchange (LSE).

In die eigene Tasche

Diesen Plan vereitelte eine Hand voll Hedgefonds, die als Heuschrecken den Titel des Buchs hergeben. Sie trieben Seifert und Breuer aus den Ämtern und steckten den Kaufpreis für die LSE in die eigene Tasche.

Ihr Nest hat Seifert auf den Cayman Islands aufgespürt. An ihrem Repräsentanten Chris Hohn, dem Chef des TCI-Fonds, lässt er kein gutes Haar. Hohn sei "wenig umgänglich" und ein "komischer Kauz". Er und die anderen Burschen hätten Grenzen und Regeln überschritten, ihn und sein Management mit Drohungen und "einer Schmierenkampagne" drangsaliert.

Obwohl die deutsche Finanzaufsicht kein verbotenes abgestimmtes Vorgehen (acting in concert) zwischen den rebellischen Aktionären nachweisen konnte, zweifelte Seifert nie an deren persönlicher Verflechtung untereinander.

Früher hätten die so genannten "Raider" sich erst eine Kontrollmehrheit an einem Unternehmen sichern müssen, um die Macht an sich zu reißen. Heute sparten sich die Heuschrecken-Hedgefonds das Geld und schüchterten das Management mit einer Mischung aus Verwirrspiel und Forderungen ein.

Ein Mann wie Seifert eingeschüchtert? Da staunten jene, die ihn früher als forschen McKinsey-Strategen und wenig zimperlichen Manager kannten.

Aber im Mai 2005 war er mit den Nerven fertig, er glaubte, dass er dem Unternehmen nichts mehr nütze, fürchtete eine Mehrheit in der nahen Hauptversammlung gegen sich und gab auf. "Es lohnt sich nicht zu kämpfen, wenn man nicht sicher ist zu gewinnen", sagte er und gab den Ring frei für Hohn und Co., die auch heute noch Miteigentümer der Deutschen Börse sind.

"Strahlender junger Ritter"

Bei aller Gelassenheit schwang bei Seiferts Blick zurück auch Bitterkeit mit. Einige Medien hätten in Hohn den "strahlenden jungen Ritter gesehen, der in die Stadt reitet und die alten Säcke im Aufsichtsrat verprügelt", klagte er.

Einer wie Seifert prügelt natürlich nicht zurück. Er bevorzugt die Auseinandersetzung auf höherem Niveau. Eine so genannte Inquisition zwischen Entscheidungstheoretiker (Seifert) und Wirtschaftshistoriker (Voth) klärt den Leser im letzten Buchkapitel darüber auf, dass Seifert alles noch einmal genau so machen würde.

Ungenügende Barrieren gegen unfaire Praktiken

Bewegen müssten sich die Hedgefonds, beziehungsweise die Gesetzgeber. Deutschland und Europa verfügten über einen bemerkenswert freizügigen Kapitalmarkt, aber über zu wenig Barrieren gegen unfaire Praktiken.

Aktionäre vom Schlage Hohns, die sich über Nacht in gesunde Unternehmen einkauften, um sie auszuschlachten, müssten selbst zur Offenheit über ihre Absichten gezwungen werden.

Die Kassandra spielt Seifert in seinem Buch für den Kapitalmarkt in Europa. Viele Aktien seien zu niedrig bewertet, eine massive Heuschrecken-Invasion deshalb nicht auszuschließen.

Ein Hauch von Finanzzauberei

Fehle ein schützender Großaktionär, blieben die Unternehmen nicht verschont. Dann folgten Schikanen gegen das Management und ein Hauch von Finanzzauberei. Ob Regulierungsbehörden früh und entschlossen durchgreifen, sei fraglich.

© SZ vom 04.04.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: