Ex-Bertelsmann-Chef Middelhoff:Der Umzingelte

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Der frühere Chef des Pleitekonzerns Arcandor (Karstadt, Quelle), Thomas Middelhoff, ist von Gläubigern umzingelt (Archivbild). (Foto: dpa)

Bertelsmann, Arcandor, Investcorp - Thomas Middelhoff war mal eine große Nummer in der Welt der Manager. Er machte Deals und kassierte Millionen. Nun muss er um sein Vermögen fürchten: Seine Gläubiger verlieren die Geduld, nächste Woche geht es vor Gericht.

Von Uwe Ritzer, Essen

Es sollte nicht irgendein Job sein, so einen würde Thomas Middelhoff nie annehmen. "Es ist ein Posten an der Spitze eines internationalen Medienkonzerns", trumpfte er im Juli vergangenen Jahres auf, "fast so etwas wie ein Lottogewinn." Das klang nach Weltliga, nach Murdoch, Time Warner oder Bertelsmann. Middelhoff verkündete damals seinen Einstieg als Vorstand und Teilhaber bei BT Capital. BT wer?

Nicht nur die Branche rätselt seither über die Aktivitäten der Holding mit Sitz auf den Virgin Islands, einem Steuerparadies in der Karibik. Und vor allem darüber, was genau Thomas Middelhoff, 60, bei BT macht - und mit welchem Erfolg.

Einst stand der schlaksig-hochgewachsene Manager bei Bertelsmann tatsächlich an der Spitze eines Medienriesen. Dann gehörte er zu den Spitzenverdienern beim Londoner Finanzinvestor Investcorp. Bis Ende 2008 war er vier Jahre lang Chef des Handelskonzerns Arcandor (alias Karstadt-Quelle). Danach kamen einige mehr oder weniger erfolgreiche, vor allem aber unscheinbare Engagements - mehr war da nicht. Dafür taucht der Name Middelhoff bis heute immer häufiger auf, wenn es um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, Millionenklagen und Prozesse geht.

Seine Luxusyacht "Medici" kostete 72 000 Euro Unterhalt - im Monat

Kommende Woche hat der Vater von fünf Kindern gleich zwei Termine vor Gerichten: Am Montag als Zeuge im Strafprozess gegen ehemalige Top-Banker von Sal. Oppenheim und seinen früheren Vermögensverwalter Josef Esch vor dem Landgericht Köln. Und am Dienstag als Angeklagter vor dem Landgericht Essen.

Middelhoff wird beschuldigt, während seiner Zeit als Arcandor-Chef mit 48 Privatflügen auf Firmenkosten und eine privat motivierte Festschrift für seinen alten Mentor Mark Wössner gut eine Million Euro aus der Firmenkasse veruntreut zu haben. Er bestreitet dies. Es ist längst nicht die einzige Front, an der er inzwischen kämpft. Ihm droht neben strafrechtlichem auch allerhand finanzielles Ungemach.

Der Mann, der einst bei Bertelsmann für den profitablen Verkauf von AOL-Anteilen einen Sonderbonus von 40 Millionen Euro kassierte, ist von Gläubigern umzingelt. So klingelte kurz vor Weihnachten 2013 ein Gerichtsvollzieher an Middelhoffs Bielefelder Villa. Josef Esch hatte ihn geschickt, einstiger Vermögensverwalter der Familie. Middelhoff und er streiten seit Jahren um Charter- und Unterhaltskosten für die 33 Meter lange Luxusyacht Medici, die für Middelhoff im südfranzösischen Saint Tropez vor Anker lag. Das Schiff kostete 72 000 Euro Unterhalt - pro Monat.

Esch legte die Hand auf alles, was Middelhoff hat

Im August 2012 einigten sich Esch und Middelhoff auf einen Vergleich. Middelhoff erkannte dabei Eschs Anspruch auf 2,5 Millionen Euro an, zahlbar bis 30. September 2013. Bezahlt hat er bis heute nicht. Weil der abgeschlossene Vergleich ein Vollstreckungstitel ist, ließ Esch ihn vom Gerichtsvollzieher förmlich zustellen. Weil Middelhoff trotzdem nicht zahlte, ließ Esch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung inzwischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse an Banken und Fonds schicken, bei denen Middelhoff Konten und Beteiligungen hat. Dem Vernehmen nach ließ er auch Middelhoffs in Immobilienfonds steckendes Vermögen pfänden. Anders formuliert: Esch legte die Hand auf alles, was Middelhoff hat.

Parallel forderte der zuständige Gerichtsvollzieher Middelhoff auf Betreiben von Esch sogar auf, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. Früher hätte man das als Aufforderung verstanden, einen Offenbarungseid abzugeben. Neuerdings verhandeln beide Seiten wieder miteinander, aber die Gespräche kommen nicht wirklich voran. Weder Esch noch Middelhoff wollten dazu auf Anfrage Auskunft geben.

Auch ein anderer Gläubiger Middelhoffs hat unterdessen einen Gerichtsvollzieher in Marsch gesetzt: Hans-Gerd Jauch, der Insolvenzverwalter von Arcandor. Ihm sprach das Landgericht Essen 3,4 Millionen Euro zu, für unrechtmäßig kassierte Boni und auf Firmenkosten abgerechnete Privatflüge Middelhoffs. Das war im September 2013. Doch statt zu zahlen, rechnet Middelhoff eigene Forderungen in etwa derselben Höhe dagegen. So ging das hin und her, bis Jauch die Geduld verlor.

Doch beim Versuch, das Geld endlich einzutreiben, tauchten Komplikationen auf. Jauchs Sprecher bestätigte nach SZ-Informationen, wonach sich der Gerichtsvollzieher mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses schwertut. Denn die Middelhoffs haben ihren Hauptwohnsitz verlagert, von Bielefeld in Westfalen nach Saint Tropez in Südfrankreich. Seiner frankophilen Frau zuliebe, sagt Thomas Middelhoff. Gerüchte, er sei knapp bei Kasse und wolle durch die Abmeldung nach Frankreich seinen Gläubigern die Nachstellungen erschweren, gibt es schon länger. Middelhoff weist sie energisch zurück.

Schon vor zwei Jahren zitierte Der Spiegel allerdings aus einem Schriftsatz eines Middelhoff-Anwalts, in dem bezogen auf den prominenten Mandanten von einer "Verschuldung bis weit über die Grenzen des Erträglichen hinaus" die Rede ist. Umgehend ließen die Middelhoffs dementieren: Sie seien liquide und keineswegs überschuldet. Der Manager und seine Frau fühlen sich durch die Gerüchte verunglimpft. Und machen Gegenrechnungen auf.

Middelhoff fordert von seinem einstigen Schatzkanzler Esch 33 Millionen Euro

Den riesigen Ansprüchen von Gläubigern hat Middelhoff riesige Forderungen gegenübergestellt. Von seinem einstigen Schatzkanzler Josef Esch will er 33 Millionen Euro, weil der ihn falsch beraten und sein Privatvermögen riskiert haben soll. Gegen Arcandor-Insolvenzverwalter Jauch hat Middelhoff einen Mahnbescheid über 120 Millionen Euro beantragt und Sal. Oppenheim auf 101 Millionen Euro verklagt. Woraufhin die Bank ihrerseits Middelhoff auf Zahlung von 77,8 Millionen Euro verklagte. Sal. Oppenheim, inzwischen eine Tochter der Deutschen Bank, verweigert die von Middelhoff geforderte Rückabwicklung von Immobilienfonds und hat zudem 23 Millionen Euro seines Privatvermögens eingefroren.

So geht das seit Jahren hin und her. Und so wird es weiter laufen. Man verhandelt und verhandelt und bis zu etwaigen Entscheidungen von Gerichten gehen erfahrungsgemäß viele Jahre ins Land. Coole Zocker spekulieren in solchen Fällen gerne auf Zeit.

Neben all den großen Summen machen sich die 3,762 Millionen Euro fast bescheiden aus, die der Bankierserbe Wilhelm von Finck neuerdings von Middelhoff haben will. Beide sind die mit 50 beziehungsweise 48 Prozent größten Gesellschafter der Grundstücksgesellschaft Braunschweig Ackerstraße GbR. Dort steht eine langfristig und lukrativ an Siemens vermietete Büroimmobilie. Zwei Prozent an der GbR hielt Josef Esch. Die drei Gesellschafter sind seit Langem zerstritten. Nun möchte von Finck nach SZ-Informationen seinen Anteil loswerden. Er hat Middelhoff aufgefordert, ihn anteilig auszuzahlen. Im Raum stehen besagte 3,762 Millionen Euro.

© SZ vom 03.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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