Europapolitik:Mehr Freiheit für Daten

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Brüssel will die digitale Wirtschaft in Europa gegenüber den USA stärken. Ein freier Verkehr von Daten in Europa und gemeinsame Datenzentren könnten größeren Firmen rund 30 Prozent Kosten sparen, glaubt die EU-Kommission.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Das Gute an dieser nicht gerade krisenarmen Zeit ist, dass sie die EU daran erinnert, was sie ausmacht. In Brüssel ist jedenfalls wieder öfter von den vier Freiheiten die Rede. Freiheiten, die sich die Gemeinschaft nicht nehmen lassen will. Der freie Verkehr von Waren, Kapital und Dienstleistungen sowie die Freizügigkeit von Personen gehören zu den Grundpfeilern der Europäischen Union. Sie bilden das Fundament für den gemeinsamen Binnenmarkt, der die Gemeinschaft noch immer am stärksten zusammenhält. Wie stark die Kräfte noch sind, werden die Verhandlungen über einen EU-Austritt Großbritanniens zeigen. Die Europäische Kommission möchte derweil eine weitere Freiheit garantieren: die der Daten.

Nächste Woche will die Brüsseler Behörde einen Vorschlag für einen möglichst freien, also grenzenlosen Fluss des Datenverkehrs zwischen den EU-Staaten präsentieren. Dieser soll vor allem Kosten für Unternehmen senken. Der Titel des Plans verspricht nicht weniger als den "Aufbau einer europäischen Data Economy". Aus Sicht der Kommission wäre dies dringend nötig, denn im Vergleich zu den USA hinkt die europäische Digitalwirtschaft deutlich hinterher.

Welche Bedeutung die Ökonomie der Daten hat, beschreibt die Kommission im Entwurf des Vorschlags. So machte der Wert der digitalen EU-Wirtschaft im vergangenen Jahr 272 Milliarden Euro aus. Dieser könnte nach Ansicht der Brüsseler Behörde bis 2020 auf 643 Milliarden Euro steigen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten sich die Mitgliedsstaaten von einem Prinzip leiten lassen: der Freizügigkeit der Daten innerhalb der EU.

Bei Cyberattacken oder Naturkatastrophen könnte ein Land dem anderen helfen

Bislang gibt es in Europa nur Vorschriften, wie Staaten und Unternehmen personenbezogene Daten zu schützen haben. Es gibt aber auch andere Daten, die Konzerne interessieren; zum Beispiel die Werte digitaler Thermometer oder von Futtersensoren in modernen Bauernhöfen, die das Fressverhalten von Tieren aufzeichnen. Für all diese Daten gibt es bislang keine EU-weit einheitlichen Vorgaben. Genau das will die Kommission nun ändern. Sie will einen digitalen Binnenmarkt, der den Umgang mit nicht personenbezogenen Daten regelt und den grenzenlosen Fluss von Daten garantiert. Das Ganze hat auch einen Sicherheitsaspekt: Werden die Datenzentren eines EU-Landes etwa von einer Cyberattacke heimgesucht, könnte das Datenzentrum eines anderen EU-Landes helfen.

Aus Sicht von Unternehmen ist eines besonders interessant: Kosten könnten sinken. Laut Kommission führen Datenzentren oder sogenannte Clouds zu vielerlei Einsparungen. Eine Firma spart sich nicht nur Platz und damit Mietausgaben, sondern auch Energie. Ein kleines Unternehmen könnte nach Berechnungen der EU-Kommission seine Kohlenstoff-Emissionen um mehr als 90 Prozent senken, wenn es auf cloudbasierte Dienste setzt statt auf die eigene Infrastruktur. Für größere Firmen liegt dieser Einsparungswert laut Kommission bei etwa 30 Prozent. In der Schönfärbersprache der neuen Digitalwelt heißt das dann "Global Green Data Centre Market" - globaler grüner Datenzentrumsmarkt.

Dazu gehört auch das Thema Portabilität, also die Frage, wie viele Daten man wohin mitnehmen darf und was man dort mit ihnen anfangen kann. Bislang gibt es laut EU-Kommission "keine Verpflichtung, auch nur eine minimale Datenübertragbarkeit zu gewährleisten". Das soll sich nach dem Willen der Brüsseler Behörde ändern, so dass der Weg zu einem digitalen Binnenmarkt weiter beschritten werden kann. Frei und irgendwann vielleicht sogar grenzenlos.

© SZ vom 04.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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