Euro-Anleihen als Zauberformel:Wenn Risiken auf wundersame Weise verschwinden

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Euro-Anleihen sind kein Patentrezept für die Rettung des Euros. Sie schaffen die Illusion, dass sich Risiken auf wundersame Weise in Luft auflösen. Ohne eine gemeinsame und demokratisch legitimierte Wirtschaftspolitik im gesamten Euro-Raum lässt sich die Krise nicht lösen.

Catherine Hoffmann

Der Versuch, eine Währungsunion ohne politische Union zu schaffen, ist gescheitert. Der Euro und eine einheitliche europäische Geldpolitik sind nur dann lebenstüchtig, wenn es auch eine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik gibt. Die Krise legt die Schwächen der Euro-Zone schonungslos frei. Und so bestätigt sich ein altes Gesetz, wonach die Verwerfungen an den Finanzmärkten und in der sogenannten realen Wirtschaft immer größer werden, je länger eine überzeugende Lösung der Probleme auf sich warten lässt.

Euro-Zeichen vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main: Der Euro und eine einheitliche europäische Geldpolitik sind nur dann lebenstüchtig, wenn es auch eine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik gibt. (Foto: dpa)

Angela Merkel und andere Krisenmanager haben vieles falsch gemacht in jüngster Zeit: Erst wurde lange gezaudert, ob und wie man Griechenland helfen soll, aus seinem selbst verschuldeten Unglück zu kommen. Dann weigerte sich Merkel, einen Rettungsschirm für Portugal und Irland aufzuspannen; sie zögerte, einen auf Dauer angelegten Mechanismus zur Stabilisierung einzurichten. So verstrich viel Zeit. Inzwischen hat die Panik auch Spanien und Italien infiziert.

Und nun, Frau Merkel? Der europäische Rettungsschirm ist zu klein, um auch noch Spanien und Italien Schatten zu spenden vor der sengenden Sonne der Finanzmärkte. Man könnte ihn freilich ausdehnen auf 1050 oder besser 2000 Milliarden Euro. Doch das ist blanke Theorie. Praktisch würde ein solches Vorhaben, alle politische Gegenwehr einmal ausgeblendet, die Kreditwürdigkeit der letzten soliden Mitglieder schwächen. Zuerst verlöre Frankreich sein Spitzenrating, dann drohte Deutschland die Bestnote "AAA" einzubüßen. Schon wäre der Schirm zerschlissen.

Deshalb sollen jetzt Euro-Anleihen den Euro retten. Das Grundprinzip ist einfach: Die Euro-Mitglieder garantieren gesamtschuldnerisch die Rückzahlung der Staatsschulden aller Länder. Dadurch werden die Krisenstaaten deutlich entlastet, sie zahlen weniger Zinsen. Die soliden Länder müssen dafür tiefer in die Tasche ihrer Steuerzahler greifen. Das ließe sich noch als solidarischer Akt verkaufen. Gravierender ist der Konstruktionsfehler dieser vermeintlichen Zauberformel: Sie schafft eine Illusion. Die Illusion nämlich, dass die Risiken auf wundersame Weise verschwinden würden, wenn nur die unterschiedlichen Risiken Griechenlands, Irlands, Portugals, Italiens und Spaniens mit jenen Deutschlands und der übrigen Euro-Länder zusammengeschnürt würden.

Diesem Trugschluss saßen die Regierungschefs und ihre Geldgeber, die Gläubiger, schon einmal ganz zu Beginn der Währungsunion auf. Damals sanken die Zinsen quer durch Europa auf ein einheitliches Niveau, das zum Verwechseln dem deutscher Bundesanleihen glich, und weit entfernt lag von den einst zweistelligen Renditen griechischer Anleihen.

Naive Anleger glaubten, einen Quasi-Euro-Bond zu besitzen - dabei hielten sie nur griechische Staatsanleihen in Händen. Und die sind heute gerade einmal halb so viel wert wie bei Einführung des Euro in Athen. Der Grund für die Misere: Je tiefer die Zinsen in Griechenland sanken, desto geringer war der Anreiz zu solider Haushaltspolitik.

Mit Euro-Anleihen wird es nicht besser: Sie weichen die fiskalische Disziplin gerade in jenen Ländern auf, die sie am nötigsten hätten. Und sie laden den Ländern, die verantwortlich mit Geld umgehen, unkalkulierbare Risiken auf. Dagegen wäre ein bloßes Regelwerk gegen ausschweifendes Finanzgebaren, bewacht allein von einem Bürokratengremium, dem jede demokratische Legitimation fehlt, machtlos.

Angeblich finden die Finanzmärkte Euro-Bonds prima. Vermutlich sehen sie darin einen Rettungsring für Europas Banken, die sich an Staatsanleihen überfressen haben, die heute alles andere als risikofrei sind. Der neue Fürsprecher der Hochfinanz und künftige Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, mag die Idee. Auch wenn er findet, die Zeit sei noch nicht reif dafür.

Die Bürger, so zeigen Umfragen, haben mehr Sinn für die Realität: In Deutschland sind sie fast geschlossen dagegen. Das weiß auch Angela Merkel, die Euro-Bonds für eine Zumutung hält. Vielleicht denkt sie dabei nur ans Wahlvolk. Vielleicht erkennt sie aber auch, dass Europa mit den gemeinsamen Anleihen mal wieder den zweiten Schritt vor dem ersten täte, wie schon bei der Einführung des Euro selbst.

Damit Euro-Anleihen als Stabilitätsanker funktionieren, bedarf es einer gemeinsamen Finanzpolitik - und die muss demokratisch legitimiert sein. Nur so wird sie glaubwürdig. Eine Wirtschaftsregierung wäre ein erster Schritt. Es gilt, den Widerspruch des Euro zu lösen, eine Währungsunion ohne politische Union geschaffen zu haben. Das hieße: Künftig stimmen sich die Europäer ab, wann die Rente beginnt und wie hoch die Steuern sind - über die Grenzen hinweg. Am Ende steht das verwegene Ziel eines europäischen Finanzministeriums.

Heute wird die Mehrheit der Ausgaben von den nationalen Parlamenten kontrolliert. Warum aber sollten deutsche Steuerzahler für griechische Verbindlichkeiten haften, wo sie doch in Griechenland nicht wählen dürfen und keinen Einfluss darauf haben, wofür die Regierung in Athen ihr Geld ausgibt? Das ist in den Verträgen von Lissabon nicht vorgesehen. Für eine engere wirtschafts- und finanzpolitische Zusammenarbeit in Europa müsste der EU-Vertrag neu verfasst werden. Einfach ist die Debatte nicht, aber nötig. Damit Euro und EU nicht die Zustimmung der Bürger verlieren.

© SZ vom 03.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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