EU verschärft Werberegeln:Von wegen gesund

Lesezeit: 2 min

Unternehmen dürfen Produkte nur noch als gesund anpreisen, wenn sie dies wissenschaftlich belegen. Auch dürfen die so beworbenen Nahrungsmittel oder Getränke nicht zu viel Zucker, Fett und Salz enthalten.

Alexander Hagelüken und Andreas Hoffmann

Ziel der neuen EU-Verordnung ist, dass die Konsumenten der Werbung mehr vertrauen können, wenn sie sich gesund ernähren wollen. Wann etwas als krankheitsmindernd, wertvoll oder gut für die Entwicklung von Kindern beworben werden darf, unterliegt künftig strikten Regeln.

Dies wird das Geschäft der Ernährungsindustrie stark beeinflussen, die in der EU 800 Milliarden Euro im Jahr umsetzt und mehr als 4,4 Millionen Menschen beschäftigt.

Der europäische Verbraucherverband Beuc beklagt viele Fälle, in denen Konsumenten irregeführt würden. So werden Joghurts mit niedrigem Fettgehalt als gesund angepriesen, die aber große Mengen Zucker enthalten.

Brotaufstrich aus Schokolade wird als gut für Kinder vermarktet, obwohl er einen Fettgehalt von 56 Prozent und einen Zuckergehalt von 35 Prozent aufweist. Und einige Frühstücksflocken werben mit ihren Vitaminen und Mineralien, obwohl sie viel süßer sind als Konkurrenzangebote.

Die EU-Verordnung ist eine Reaktion auf das zunehmende Übergewicht von Jugendlichen und Erwachsenen in Europa. In Deutschland gelten zehn bis 15 Prozent aller Kinder bei der Einschulung als zu dick; bei Erwachsenen liegt der Anteil höher.

Übergewicht gilt als Risikofaktor für zahlreiche Krankheiten, die höhere Kosten im Gesundheitssystem verursachen. Nach einer Beuc-Umfrage vertrauen 70 Prozent aller Konsumenten Werbeaussagen.

"Fettarm" muss fettarm sein

Die neuen Regeln sehen unter anderem vor, dass Hersteller gesundheitsbezogene Werbeaussagen bei der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA anmelden und wissenschaftliche Belege einreichen müssen. Die Behörde kann die Werbung dann prüfen.

Wenn die Reduzierung eines Krankheitsrisikos versprochen wird ("senkt die Gefahr von Knochenschwund") oder speziell auf Kinder gezielt wird, ist sogar eine ausdrückliche Genehmigung notwendig.

Als "fettarm" oder "zuckerarm" dürfen Produkte nur vermarktet werden, wenn sie höchstens drei Prozent Fett oder fünf Prozent Zucker enthalten. Außerdem darf ein Produkt nur dann mit positiven Inhaltsstoffen wie Vitaminen werben, wenn es unter noch festzulegenden Grenzwerten für Zucker, Fett und Salz bleibt.

Die Überschreitung einer der drei Grenzwerte ist zulässig, muss aber auf der Packung vermerkt werden ("reich an Vitaminen, aber hoher Zuckergehalt"). "Zu fette, zu süße oder zu salzige Produkte können dem Verbraucher nun nicht mehr unter dem Deckmäntelchen von Gesundheit und Wellness untergejubelt werden", freut sich die Grünen-Abgeordnete Hiltrud Breyer. "Übersüßte Schokoriegel, Frucht-Gummi-Tierchen und pro-biotische Joghurtdrinks dürfen nicht mehr als "konzentrationsfördernd", "gut für die Knochen" oder "mit den besten Zutaten" beworben werden."

Das EU-Parlament hat sich mit den Mitgliedstaaten auf einen Kompromiss geeinigt, so dass die neuen Regeln im nächsten Jahr in Kraft treten könnten. Die Firmen dürfen bereits verwendete Werbesprüche noch für eine Übergangsfrist von zwei bis drei Jahren nutzen.

Im Parlament ist die Verordnung stark umstritten. Die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt sprach von einem "essigsauren Kompromiss". Renate Sommer (CDU) erklärte, sie habe nur zugestimmt, um die noch radikaleren Vorstellungen der Mitgliedstaaten zu verhindern: "Das Parlament konnte das Bürokratiemonster noch etwas entschärfen.

Dennoch werden die neuen Auflagen vor allem die mittelständischen Hersteller treffen und dort Arbeitsplätze gefährden". Das Parlament setzte unter anderem durch, dass die EU-Behörde binnen acht Monaten über Werbesprüche entscheiden muss und kleinere Firmen Hilfe bei ihren Anträgen erhalten.

Kritik an Öko-Verordnung

Unterdessen sorgt eine EU-Verordnung zur Kennzeichnung von Öko-Lebensmitteln für Kritik. Das geht aus Stellungnahmen für eine Bundestagsanhörung an diesem Mittwoch hervor.

Verbände von Biobauern und konventionellen Landwirten sowie Fachleute kritisieren das Vorhaben als schädlich, befürchten eine "Verbürokratisierung" und eine Verunsicherung der Verbraucher. "Die neue Regelung würde Trittbrettfahrern und Pseudo-Bio-Produkten Tür und Tor öffnen", heißt in einer Vorlage des Deutschen Bauernverbandes.

Die Brüsseler Kommission will die seit 1991 bestehenden Regeln für den Ökolandbau vereinfachen. Doch Verbände und Experten erwarten das Gegenteil. Sie befürchten, dass viele Produkte wie Bier, Backwaren oder Außer-Haus-Verpflegung nicht mehr von den Vorschriften erfasst werden.

Auch könnten die strengen Anbauvorschriften deutscher Ökoverbände verwässert werden, heißt es. Landwirtschaftsminister Horst Seehofer hatte aber schon zu erkennen gegeben, dass er der EU-Vorlage in der derzeitigen Form nicht zustimmen will.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: