EU:Gefahr erkannt

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Die Europäer müssen Italien unterstützen, um eine Krise zu verhindern - meint zumindest Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die geplante europakritische Regierungskoalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega ist geplatzt. Die Frage, wer künftig Italien durch schwere Zeiten führen wird, wieder offen. Ungeklärt bleibt damit auch die Rolle Italiens in der Währungsunion. Wer schon das Ende des Euro befürchtete, kann vorübergehend aufatmen. Spekulationen über einen Austritt Italiens aus der Währungsunion hat es aber auch früher schon gegeben. "Wir müssen nach Europa gehen und mit Macht erklären, dass die EZB anfangen muss, Geld zu drucken", forderte Silvio Berlusconi 2012. Andernfalls "müssen wir die Kraft besitzen, ciao, ciao Euro zu sagen, also aus dem Euro auszusteigen oder Deutschland zu sagen, es solle aus dem Euro aussteigen, wenn es nicht einverstanden ist".

Acht Jahre später sind Deutschland und Italien weiter im Euro. Weil es jemanden gab, der für Ruhe sorgte: die Europäische Zentralbank. Ihr Präsident Mario Draghi kündigte an, alles zu tun, um den Euro zu retten und begann, in großem Stil Staatsanleihen zu kaufen, mit Zustimmung der Bundesregierung. Die Panik der Märkte vor einer Staatspleite in Rom verschwand.

Und noch etwas tat Draghi: Er forderte die Regierungen auf, die Zeit zu nutzen, die ihnen die Aufkäufe verschafften, um beherzt nationale Reformen voranzutreiben und die Eurozone krisenfest zu machen. Aber die nationalen Regierungen verließen sich lieber auf die mächtige Notenbank. Reformen blieben weitgehend aus.

In den Schaltzentralen der Euro-Staaten steigt die Anspannung. Grundsätzlich, so ist zu hören, sei die Lage in der Eurozone heute weitaus gefestigter als vor acht Jahren. Damals hatte sich die schwere Finanzkrise zu einer Wirtschaftskrise ausgewachsen, die Arbeitslosigkeit war in Rekordhöhe. Die Staatsschulden stiegen und gleichzeitig die Kosten für deren Refinanzierung. Die Märkte wetteten gegen einzelne Euro-Länder, es gab Kreditprogramme für Griechenland, Portugal, Zypern und Spanien, um die drohende Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. Eine italienische Staatspleite hätte die Währungsunion nicht überstanden.

Die schwierige Regierungsbildung in Italien fällt in eine Periode, in der alle Euro-Staaten stabil wachsen. Auch für die italienische Wirtschaft läut es gut. Von der Regierung über die Europäische Kommission bis zum Internationalen Währungsfonds und anderen Wirtschaftsorganisationen rechnen alle mit einem Plus von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das laufende Jahr und zwischen 1,1 und 1,2 Prozent für 2019. Das ist zwar weniger als der Durchschnitt, aber es ist stabil. Intern blickt Rom noch optimistischer in die Zukunft, man erwartet nächstes Jahr ein Wachstum von 1,4 Prozent, 2020 soll es bei 1,3 Prozent landen. Worauf es jetzt ankommt, heißt es, ist, das Wachstum stabil zu halten. Wenn das gelingt, bleibt der Euro bestehen.

Und was passiert, wenn etwa durch die Handelspolitik von US-Präsident Trump das europäische Wachstum einbricht? Man weist darauf hin, dass es dann in Italien und der Währungsunion zu einer existenziellen Krise kommen kann. Fällt Rom in eine Rezession, brechen Jobs weg, werden Märkte nervös und es wird ein Rettungsprogramm fällig. Die Finanzkraft des Euro-Rettungsfonds ESM gilt als zu gering, um eine solche Krise zu beherrschen - falls der Bundestag einem solchen Programm zustimmen würde. Eine Stabilisierung Italiens ist nur über die EZB möglich. Draghi müsste sein Versprechen von 2012 einlösen, alles zu tun, was nötig ist, den Euro zu retten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Freitag durchblicken lassen, dass die Gefahr erkannt ist. Man müsse jetzt den Italienern "die Hand reichen und vorschlagen zu arbeiten", sagte er im Radio.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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