EU-Finanzierung:Europa nimmt, Deutschland gibt

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Während es mehreren westlichen EU-Staaten geglückt ist, ihre Beitragszahlungen zu reduzieren, zahlt Deutschland künftig mehr.

Alexander Hagelüken

Es war ein großer, ein anstrengender Kraftakt, den Europas Staats- und Regierungschefs hinter sich brachten. Nun, da sie sich nach langem Gezerre auf das EU-Budget für die nächsten Jahre geeinigt haben, ist das Thema zunächst von der politischen Tagesordnung verschwunden.

So mag es jedenfalls scheinen. In Wirklichkeit beschäftigen sich zahlreiche Beamte in allen 25 Mitgliedsstaaten gerade sehr intensiv mit der EU-Finanzierung. Sie rechnen aus, wie viel Euro genau die Etat-Einigung ihrem Land wahrscheinlich bringen wird - und was das Ganze kostet.

Bei den Rechenübungen zeigt sich ein Trend, der wenig überrascht: Die großen westlichen Mitgliedsstaaten müssen weitaus mehr nach Brüssel überweisen - Ergebnis des ersten Mehrjahres-Etats der erweiterten Union, die ihre zehn neuen Mitgliedsländer in Mittel- und Osteuropa mit umfangreichen Zahlungen unterstützt.

Niederländer verhandeln härter

Deutschland muss nach internen Schätzungen der Bundesregierung künftig rund zehn Milliarden Euro im Jahr mehr nach Brüssel überweisen, als von dort an Agrar- und Regionalsubventionen zurückfließen. Der Nettobeitrag für die Finanzperiode 2007 bis 2013 ist damit deutlich höher als bisher. 2004 etwa zahlte die Bundesrepublik netto sieben Milliarden Euro.

In Relation zu den staatlichen Gesamtausgaben des Bundes, dieses Jahr rund 250 Milliarden Euro, wirkt zwar auch der neue Nettobeitrag gering. In der Bundesrepublik könnte dennoch eine politische Debatte beginnen, wie teuer Europa den deutschen Steuerzahler kommen sollte. Andere Staaten nämlich haben ihre Belastung reduziert.

Der deutsche Nettobeitrag steigt nicht nur absolut, sondern auch in Beziehung zur Wirtschaftsleistung. In der kommenden Haushaltsperiode muss die Bundesrepublik netto durchschnittlich 0,42 Prozent des Bruttonationaleinkommens nach Brüssel abführen - gegenüber, je nach Datenquelle, 0,33 oder 0,37 Prozent im Jahr 2004.

Deutschland wird damit auch relativ zum größten Beitragszahler der Europäischen Union. Die Niederlande, die bisher diesen zweifelhaften Titel trugen, haben in Brüssel härter verhandelt. Die Regierung in Den Haag nutzte die europa-skeptische Stimmung ihrer Wähler nach dem Nein zur EU-Verfassung, den Nettobeitrag von 0,48 auf 0,33 Prozent in der kommenden Etatperiode zu reduzieren. Auch Schweden trat so stark auf die Bremse, dass es künftig relativ weniger zahlt als die Bundesrepublik.

In der Bundesregierung möchte man solche Vergleiche nur ungern hören. Schweden und die Niederlande hätten eben vor allem auf den nationalen Eigennutz gestarrt, heißt es. Deutschland dagegen habe durch seine Kompromissfähigkeit dazu beigetragen, die schwierige Budgetfrage endlich zu lösen - und damit verhindert, dass die verfassungslose EU in eine grundlegende Krise rutscht.

In der Tat stehen die Deutschen nicht alleine. Auch andere große Nationen müssen tiefer in die Tasche greifen, um die Erweiterung der EU zu finanzieren.

Frankreich verringert Abstand zu Deutschland

So verdoppelt sich der französische Nettobeitrag in der nächsten Etatperiode auf 0,37 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Damit klafft anders als in früheren Jahren kein großer Abstand zur Bundesrepublik mehr.

Die gewöhnlich häufig wechselnden italienischen Finanzminister werden eine Steigerung von 0,22 Prozent 2004 auf 0,37 Prozent von 2007 bis 2013 verkraften müssen. Und nachdem Großbritannien auf einen Teil seines möglichen Rabatts verzichtet hat, wird es künftig 0,32 statt 0,19 Prozent netto nach Brüssel überweisen.

Heftige Einbußen, wenn auch auf der Habenseite, gibt es für den bisher größten Profiteur der Brüsseler Subventionswirtschaft: Spanien, das bislang Hilfen von einem Prozent seiner Wirtschaftsleistung von der EU kassierte, kann künftig nur auf 0,27 Prozent hoffen - die harmlos klingende Zahl macht Milliarden aus.

Womöglich wird sich der Westen nach solchen Relationen in einigen Jahren zurücksehnen. Denn eines ist klar: Der nächste Brüsseler Kampf ums Geld, das Feilschen für die Budgetperiode 2014 bis 2020, wird noch härter. Denn dann sitzen mit Rumänien und Bulgarien zwei weitere arme Mitgliedsstaaten am Tisch. Vielleicht ist Kroatien schon dabei.

Und vor allem muss das Budget mit Blick auf diejenigen armen Staaten ausgehandelt werden, die in der nächsten Etatperiode Mitglied werden könnten: die Türkei, Bosnien, Mazedonien und Serbien.

Beim aktuellen Finanzkompromiss haben sich die westlichen EU-Staaten davor gedrückt, den Brüsseler Umverteilungsmechanismus grundlegend in Frage zu stellen. Das nächste Mal werden sie sich dies nicht mehr leisten können, im wahrsten Sinne des Wortes.

© SZ vom 23.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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