EU-Aufsicht:London behält Aufsicht über Liborzins

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Libor-Aufsicht weiterhin in London: Blick auf das Bankenviertel (Foto: Jason Alden/Bloomberg)

Für ein paar Flaschen Champagner manipulierten sie einen billionenschweren Zinssatz: Die EU will künftig den Libor schärfer kontrollieren, Banker sollen nicht mehr mit Phantasiezahlen arbeiten können. Umsetzen muss dies jedoch die Aufsicht in London, die schon früher versagt hat.

Ihre ahnungslosen Handelspartner in anderen Banken nannten sie nur "Schafe". Jahrelang manipulierten Händler mehrerer großer Banken den Libor. Das ist ein Zins, zu dem sich die Banken gegenseitig Geld leihen. Er dient außerdem als Leitwert für Bankgeschäfte in Höhe von Hunderten Billionen Dollar und beeinflusst beispielsweise, wie teuer ein Hauskredit ist.

Der Libor war extrem anfällig für Manipulationen, weil die Banker einfach irgendwelche Werte melden konnten, aus denen dann ein Durchschnitt errechnet wurde. Kontrolliert wurden sie nicht. Banker, die sich untereinander absprachen, konnten auf Kosten anderer große Gewinne einstreichen: "Wenn du den Libor heute unverändert lässt, werde ich einen fucking Riesendeal mit dir machen", schrieb ein Banker an einen Kollegen. Ein anderer bot einem Mittäter "eine jährliche Lieferung Champagner".

Das will die EU nun ändern. Der in London erhobene Libor und der in Brüssel angesiedelte Euribor, der so ähnlich funktioniert, sollen künftig auf nachvollziehbaren Handelsdaten beruhen und nur noch in Ausnahmen auf Schätzungen der Händler. Das sieht der Plan von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier vor.

Entgegen früherer Überlegungen wird die europäische Börsenaufsicht ESMA dabei aber nicht die Aufgabe einer zentralen Aufsicht übernehmen. Vielmehr ist geplant, dass sie sich mit den Aufsehern in den verschiedenen Ländern austauscht.

Damit bleibt der Libor - kurz für London Interbank Offered Rate - ein Statussymbol der britischen Hauptstadt und geht nicht nach Paris, wo die ESMA sitzt. Wie bisher ist also hauptsächlich die britische Aufsicht FCA für den Libor zuständig, die belgischen Behörden für den Euribor.

Barnier verteidigte diese Lösung. Sie sei "pragmatisch", sagte er auf einer Pressekonferenz. Erstmals sei sichergestellt, dass die Banken bei der Meldung von Referenzzinssätzen kontrolliert würden. Das Vertrauen der Märkte sei durch die Manipulationen in den vergangenen Jahren tief erschüttert worden. "Das kann so nicht weitergehen."

Nach Erkenntnissen der Behörden haben Händler weltweit illegal Absprachen getroffen, um etwa den Libor zu ihren Gunsten zu manipulieren und Handelsgewinne einzustreichen. Es wird gegen mehr als ein Dutzend Banken ermittelt, darunter die Deutsche Bank. Die Geldhäuser Barclays und UBS haben sich bereits mit Aufsichtsbehörden geeinigt und deswegen Hunderte Millionen Dollar gezahlt.

Für Zinsmanipulation sind künftig Strafen von bis zu 500.000 Euro für Personen und eine Million Euro oder zehn Prozent des Umsatzes für Firmen vorgesehen.

Kritik an schwacher ESMA-Rolle

Einige Europa-Abgeordnete hatten sich von den EU-Plänen mehr erhofft. "Die Vorschläge Barniers sind enttäuschend", sagte der Grünen-Finanzexperte im Europaparlament, Sven Giegold. "Die nationalen Aufseher haben die früheren Manipulationen nicht bemerkt und ich würde von einer europäischen Einrichtung mehr Unabhängigkeit erwarten. Aber die Kommission hat den britischen Forderungen nachgegeben, die Aufsicht über den Libor zu behalten. Das ist ein Fehler."

Andere hatten allerdings Zweifel geäußert, ob die ESMA ausreichend Kapazitäten für diese Aufgabe hätte. Sie soll künftig in Streitfällen das letzte Wort haben.

Die Vorschläge der Kommission müssen noch vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat genehmigt werden, bevor ein Gesetz in Kraft tritt. Dies soll nach den Vorstellungen der Kommission bis zu den Europawahlen im Mai 2014 geschehen, bevor die neuen Regeln ein Jahr später gelten.

© Süddeutsche.de/Reuters/dpa/bbr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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