Etienne Aigner:Der Sanierer geht

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Überraschend verlässt der Etienne-Aigner-Sanierer Michael Kamm das Unternehmen - möglicherweise wegen eines Streits mit der Hauptaktionärin.

Thomas Fromm

Als das damals schwer angeschlagene Münchner Mode- und Accessoireunternehmen Etienne Aigner 2006 zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder Gewinne schrieb, war das vor allem sein Werk: Michael Kamm, der vor seinem Antritt bei Aigner 2003 schon die Marke North Sails saniert hatte, unterzog das Edellabel einer kräftigen Rosskur - und sorgte vor zwei Jahren für einen Gewinn von fast zwei Millionen Euro.

(Foto: Foto: oH)

Nun steht das Unternehmen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor einem kurzfristigen Führungswechsel: Bereits zum 1. April wird Aigner-

Vorstandschef Kamm das Unternehmen verlassen, an seiner Stelle soll die bisherige Strenesse-Vertriebschefin Sibylle Schön das Unternehmen führen. Schön war zuvor Geschäftsführerin bei Goldpfeil in Offenbach sowie für das Retail-Geschäft bei Wolford Deutschland zuständig.

Töchter betuchter Damen

Wie es heißt, verlasse Kamm das Unternehmen auf eigenen Wunsch, um sich "neuen Aufgaben zu widmen". Der Ausstieg des 48-jährigen Managers kommt jedoch selbst für Insider überraschend: Wegen des Sanierungserfolges und seinen ehrgeizigen Zielen für die Zukunft des Luxusmodeunternehmens galt seine Position als sicher. Zuletzt peilte er einen Eigenumsatz von 100 Millionen Euro bis zum Jahre 2010 an; das einst wirtschaftlich schwache Unternehmen sollte eine Vorsteuerrendite von fünf bis zehn Prozent erzielen.

In Münchner Modekreisen wurde daher am Wochenende über Differenzen mit der Hauptaktionärin wegen der ambitionierten Expansionsstrategien des Aigner-Chefs spekuliert. Evi Brandl, Inhaberin der Münchner Metzgereikette Vinzenz Murr und Urenkelin des gleichnamigen Firmengründers, hält inzwischen mehr als 90 Prozent der Aigner-Anteile. "Kamm und Brandl waren sich in vielen Punkten nicht mehr einig", heißt es.

Auch die jüngste Imagekampagne von Aigner habe "nicht den Geschmack der Inhaber" getroffen. Auf den Bildern ist ein eher mageres Modell zu sehen, das nicht zum Image des Luxuslederwarenherstellers gepasst habe, berichten Münchner Modeinsider. Dass es am Ende schnell gehen musste, zeigen Details der Nachfolge: Sibylle Schön ist erst wenige Monate bei Strenesse und wohl noch in der Probezeit.

Bevor Kamm zu Aigner stieß, stand das Unternehmen auf der Kippe. Aigner-Kunden wechselten reihenweise zu internationalen Konkurrenten wie Gucci, Prada oder Louis Vuitton; gleichzeitig brachen zentrale Exportmärkte in Asien ein. Kamm strich die Kollektion, die im Laufe der Jahre zu einem Gemischtwarenladen angeschwollen war, auf wenige Kernprodukte im Ledersektor zusammen, die er vor allem in Italien fertigen ließ. Außerdem fokussierte er seine Zielkäuferschaft neu.

Waren es früher vor allem betuchte ältere Damen, die das Gros der Aigner-Kundschaft ausmachten, peilte Kamm nun deren Töchter an. Sein Ziel: Jüngere Käuferinnen in einem Alter von 35 Jahren aufwärts sollten den Produktabsatz auch langfristig sichern. Parallel zum Imagewandel setzte Kamm auf ein rigides Sparprogramm und senkte die Kosten in der Münchner Firmenzentrale, indem er einzelne Funktionen an externe Dienstleister ausgliederte.

Vor vier Jahren schließlich wurde Aigner von der Börse genommen - der Verzicht auf jährliche Hauptversammlungen und regelmäßige Geschäftsberichte für die Finanzwelt sollte ebenfalls helfen, Kosten einzusparen. Darüber hinaus investierte Kamm massiv in neue Geschäftsfilialen.

Etienne Aigner hat inzwischen weltweit etwa 140 Filialen. Zuletzt hatte Kamm betont, dass er den Schwerpunkt seines Geschäfts inzwischen im Ausland sehe - im Nahen Osten, Japan, China, Indien und Russland. Das Münchner Unternehmen ist heute in 40 Ländern präsent.

© SZ vom 10.3.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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