Ermittlungen in den USA:Schuldige Banker gesucht

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Die US-Justiz will betrügerische Finanzmanager persönlich dingfest machen und ermittelt gegen Mitarbeiter der amerikanischen J.P. Morgan Chase und der Royal Bank of Scotland.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Eines der beliebtesten Klagelieder über die vermeintliche Unfähigkeit der Politik besagt, dass nach der großen Finanzkrise des Jahres 2008 die Banken einfach weiterzocken durften wie zuvor. Mit der Realität hat das Lamento wenig zu tun, im Gegenteil: Die Regeln für die Branche wurden deutlich verschärft, Hunderte Institute geschlossen oder zwangsfusioniert, einzelne Geschäfte verboten. Zudem zahlten allein die US-Institute Strafen in Höhe von weit mehr als 100 Milliarden Dollar.

Und doch trifft das Genörgel der Kritiker die Politik an einem wunden Punkt: So restriktiv die Behörden nämlich gegen viele Konzerne vorgingen, so ungeschoren kamen bisher die handelnden Personen davon. Zwar verloren einzelne Manager ihren Job, ins Gefängnis aber musste niemand - ein Manko, das derzeit auch im US-Präsidentschaftswahlkampf eine Rolle spielt.

Die Zeit drängt, da die möglichen Straftaten schon bald verjähren

Nach einem Bericht des Wall Street Journals haben die US-Bundesanwälte ihre Kräfte jetzt noch einmal gebündelt, um die Vorwürfe zu widerlegen. Die Zeit drängt, da betrügerische oder irreführende Finanzgeschäfte nach zehn Jahren verjähren. Konkret im Visier haben die Fahnder demnach Mitarbeiter der amerikanischen Großbank J.P. Morgan Chase und der britischen Royal Bank of Scotland. Ihnen wird vorgeworfen, Kunden hochriskante hypothekenbesicherte Wertpapiere als sichere Anlagen verkauft zu haben. Ob die vorliegenden Beweise und Indizien reichen, um gegen einzelne Personen tatsächlich Anklage zu erheben, muss sich noch zeigen.

Zu den beliebtesten, weil gewinnträchtigsten, Geschäften vieler Banken gehörte im vergangenen Jahrzehnt die sogenannte Verbriefung von Hypothekenkrediten. Dabei bündelten die Institute Tausende Darlehen, die sie an Hauskäufer vergeben hatten, zu Paketen, an denen andere Banken und Investoren gewissermaßen Anteilsscheine kaufen konnten. Die Rendite speiste sich aus den eingehenden Zins- und Tilgungszahlungen der Häuslebauer.

Ein solches Verfahren ist prinzipiell weder anrüchig, noch übertrieben risikoreich. Allerdings vergaben die Wertpapieremittenten immer mehr Immobilienkredite an Bürger, die sich im Grunde gar kein Haus leisten konnten. Zudem wurden Kreditpakete wieder und wieder zerlegt und mit den Inhalten anderer Pakete neu verpackt, sodass am Ende niemand mehr wusste, wo welche Risiken versteckt sind. Als die Banken die Zinsen anhoben und die Hauspreise sanken, konnten viele Eigentümer ihre Raten nicht mehr zahlen. Millionen vermeintlich erstklassiger Wertpapiere wurden dadurch über Nacht wertlos und rissen riesige Löcher in die Bankbilanzen.

Im Fall der Royal Bank of Scotland geht die US-Bundesanwaltschaft dem Verdacht nach, dass ein führender Mitarbeiter 2007 den Verkauf von Anteilen an einem 2,2 Milliarden Dollar schweren, mehrfach gestückelten und neu gebündelten Kreditpaket gegen den ausdrücklichen Rat der Konzernrevision durchsetzte. Der Mann war durch ein zivilrechtliches Verfahren der US-Börsenaufsicht gegen die Bank ins Visier der Strafverfolger geraten.

Die Ermittlungen im Fall J.P. Morgan Chase richten sich dem Bericht zufolge gegen zwei Mitarbeiter des Instituts. Ihnen wird ebenfalls vorgeworfen, die Kunden über das tatsächliche Ausfallrisiko verbriefter Kredite getäuscht zu haben. Ihr Arbeitgeber, die größte Bank der USA, hatte sich 2009 mit der Bundesanwaltschaft auf einen zivilrechtlichen Vergleich verständigt, mit dem alle damals relevanten Vorwürfe abgegolten wurden. Im Gegenzug zahlte das Institut neun Milliarden Dollar Strafe und erließ besonders hoch verschuldeten Hauseigentümern weitere vier Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten.

Das US-Justizministerium hatte erst im September eine Offensive gestartet, die darauf abzielt, Manager, deren Firmen sich der Korruption, des Betrugs oder eines anderen groben Fehlverhaltens schuldig gemacht haben, ab sofort auch persönlich zur Rechenschaft zu ziehen. Künftig sollen die Staatsanwälte vom ersten Tag ihrer Ermittlungen an auch danach forschen, welche leitenden Mitarbeiter bis hinauf zum Vorstandschef für das vermutete Fehlverhalten des Unternehmens verantwortlich sind. Mit einem Strafnachlass sollen kooperationswillige Firmen nur noch rechnen können, wenn sie jenseits aller anderen relevanten Informationen auch die Namen der verantwortlichen Manager offenlegen.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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