Eon verkauft Hochspannungsleitungen:Diese Netze dürfen nicht in falsche Hände geraten

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Acht Fragen zum Verkauf des Eon-Stromnetzes - mit einem Fazit: Die Preise für Verbraucher werden vermutlich nicht sinken.

Michael Bauchmüller und Hans-Willy Bein

Der deutsche Strommarkt steht vor einer Revolution. Erstmals will mit Eon ein Energiekonzern sein Stromnetz verkaufen. Vattenfall hält sich die Entscheidung noch offen, RWE und EnBW werden womöglich bald von der EU-Kommission dazu gedrängt. Was aber bedeutet dieser Schritt? Bleibt unsere Stromversorgung sicher? Wird sie womöglich billiger? Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie Europa die Trennung von Netz und Produktion regelt. (Foto: Grafik: SZ)

Warum ist der Verkauf der Netze so bedeutend?

Stromnetze sind ein natürliches Monopol. Es gibt so gut wie keinen Wettbewerb zwischen verschiedenen Stromnetzen - kein Anbieter würde ein eigenes Stromnetz aufbauen, um seine Kunden zu versorgen. Deshalb sind alle Stromerzeuger auf die Besitzer der Netze angewiesen. In Deutschland sind das im Wesentlichen die vier großen Stromkonzerne. Sie betreiben in vier sogenannten "Regelzonen" das komplette Höchstspannungsnetz. In der Vergangenheit hat das immer für Kritik gesorgt: Die Unternehmen, so hieß es, nutzten ihr Monopol dazu aus, Konkurrenten das Leben schwer zu machen. Umfangreiche Vorgaben sollen seither sicherstellen, dass etwa Konkurrenz-Kraftwerke ans Netz kommen. Auch der Preis für die Nutzung der Netze wird behördlich festgelegt.

Kauft ein Dritter sich in die Stromnetze ein, könnte das die Machtverhältnisse verschieben. Es könnte die bisherigen Regelzonen überflüssig machen und erstmals zu einem gesamtdeutschen Stromnetz führen. Es könnte aber auch schärfere Vorgaben nötig machen: Schließlich sollen Investitionen nicht leiden.

Wer könnte die Netze kaufen?

Durch die strenge Regulierung werfen die Stromnetze nicht mehr allzu viel Rendite ab - die aber ist sicher. Die Netze dürften deshalb für Langfrist-Investoren interessant sein, etwa für Pensionsfonds. Aber auch ausländische Netzfirmen zeigen offenbar Interesse.

Können die Netze in falsche Hände geraten?

Schwer zu sagen. Grundsätzlich hat ein Netzbetreiber wenig Interesse, übermäßig ins Netz zu investieren - schließlich schmälert das seine Gewinne. Auch deshalb unterliegen die deutschen Netzbetreiber der Kontrolle der Bundesnetzagentur. Dies soll sicherstellen, dass sie für Investitionen auch entsprechend höhere Netz-Preise verlangen dürfen. Ob künftige Eigentümer das Netz verwahrlosen lassen können, hängt deshalb vor allem von den gesetzlichen Vorgaben ab.

Sollte der Staat die Netze kaufen?

Diese Position findet zunehmend Unterstützer bei Grünen, Linken und Verbraucherschützern. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, der Staat könne eher die Instandhaltung des Netzes sicherstellen als private Investoren, das ist allerdings eine Glaubensfrage. Ebenso gut könnte der Staat überfordert sein von der komplexen Materie Stromnetz, und zugleich wichtiges Know-how einbüßen, das die privaten Betreiber besitzen. Im Gespräch ist noch eine andere Lösung: Demnach könnte eine Art "Netz AG" die Oberhoheit bekommen. Sie hielte, gewissermaßen als Holding, alle deutschen Übertragungsnetze. Investoren könnten sich daran beteiligen. Denkbar wäre etwa, dass sich auch der Staat Anteile und damit Mitsprache in der neuen Holding sichert. Damit würden vermutlich auch die vier Regelzonen zu einem großen Netz zusammengelegt. Experten fordern dies schon seit langem. Damit wären weniger Stromreserven nötig.

Wird es mehr Wettbewerb um den Kunden geben?

Das ist noch unklar. Die Höchstspannungsnetze sind stark ausgelastet. Auch ein neuer Netzbetreiber kann Wettbewerbern von Eon zunächst wenige zusätzliche Transportkapazität bieten. Interessant wird es aber, wenn der Ausbau der Leitungen ins Ausland künftig schneller vonstatten ginge. So hätten ausländische Wettbewerber mehr Möglichkeiten, auf den deutschen Markt vorzudringen.

Werden die Strompreise sinken?

Vermutlich nicht. Für die Netze gibt es mit der Bundesnetzagentur eine Regulierungsbehörde. Sie muss die Preise für den Stromtransport genehmigen, immer abhängig von den Kosten des Stromnetzes. Zweimal schon hat die Netzagentur die Preisanträge der Unternehmen kräftig zusammengestrichen. So sind die Netzpreise in anderen Ländern höher, obwohl es dort unabhängige Netzbetreiber gibt. Außerdem ist der Anteil der Netzgebühren am Strompreis gering. Insgesamt macht der Netztransport etwa 31 Prozent aus. Allerdings entfällt der größte Teil auf die Verteilebene, über die der Transport der Elektrizität von den Umspannwerken zu den Kunden organisiert wird. Die Höchstspannungsebene macht nur einen relativ kleinen Teil aus.

Wird Eon durch einen Verkauf stärker oder schwächer?

Sicher nicht schwächer, sonst hätte der Konzern sich nicht zu dem Schritt entschlossen. Die Netze sind zwar einträgliche Geldquellen, doch sind die Renditen eher gering. Ein Konzern wie Eon, der stark auf hohe Gewinne ausgerichtet ist, kann das Kapital aus dem Verkauf nutzen, um es in lukrativere Geschäfte zu stecken.Außerdem kann der Konzern sich elegant eines Problems entledigen: Denn Eon muss mit Milliardenaufwand seine Netze ausbauen, um künftig den Strom großer Meeres-Windparks durchleiten zu können. Vielerorts stößt der Ausbau aber auf Widerstand: Bürger wollen in ihrer Nachbarschaft keine Freileitungen mehr, sondern lieber die weit teureren Erdkabel. Deren Kosten wiederum erkennt die Netzagentur nicht voll an. Eon steckt im Dilemma und muss im Zweifel ein Minusgeschäft hinnehmen.

Was machen die drei Konkurrenten RWE, Vattenfall und EnBW?

RWE und EnBW wollen zwar nicht verkaufen, doch es ist noch unklar, welche Druckmittel die EU-Kommission in Brüssel gegen sie in der Hand hat. Womöglich werden auch sie noch zum Verkauf gezwungen sein. Unter Führung des früheren RWE-Chefs Harry Roels hatte eine Arbeitsgruppe bereits Modelle zum Verkauf der Netze durchgespielt. Vattenfall hält sich nach eigenem Bekunden alle Optionen offen und will auch einen Verkauf prüfen. Auch dürften Versuche der Bundesregierung, die Stromkonzerne vor dem zwangsweisen Netzverkauf zu Bewahren, nun deutlich schlechtere Erfolgsaussichten haben. Der Druck auf die übrigen Unternehmen wächst.

© SZ vom 06.03.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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