Energiekonzern:Kommunen beugen sich RWE-Plänen

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Ein Baustellenschild in der Nähe der Firmenzentrale des Energiekonzerns RWE in Essen. (Foto: dpa)

Das lukrative Geschäft mit erneuerbaren Energien wird in eine eigene Firma ausgelagert. Der Kampf um die Arbeitsplätze wird hart.

Analyse von Varinia Bernau, München

Die Verbindung zwischen der Stadt Essen und dem Energiekonzern RWE ist so alt wie das Unternehmen selbst. Sie reicht 117 Jahre zurück, in eine Zeit, in der Strom hierzulande noch nicht aus Sonne und Wind gewonnen wurde und sich die Stadt ihr Paket von 18 Millionen RWE-Aktien nicht allein nach der möglichen Rendite ausgesucht hat.

Das ist das Erbe von Essens Kämmerer Lars-Martin Klieve. Er kann es nicht einfach verweigern. Deshalb hält er den geplanten Konzernumbau grundsätzlich für eine gute Sache. "Die Alternative wäre: Man bleibt in der Wagenburg, bis wir in Ehren ergrauen und verarmen", sagt Klieve. Es geht ja nicht nur um die Dividende. Es geht auch um die Daseinsvorsorge. "RWE ist der zentrale Stromversorger in der Stadt."

So wie Essen geht es vielen Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Sie hängen an RWE - und deshalb haben auch sie letztlich ihren Segen zum geplanten Umbau gegeben: Einstimmig hat der Aufsichtsrat, in dem auch vier kommunale Vertreter sitzen, am Freitag den Plan gebilligt, das zukunftsträchtige Geschäft mit erneuerbaren Energien, Netzen sowie Vertrieb in eine börsennotierte neue Tochtergesellschaft auszulagern.

Zu zögerlich stellte sich RWE der Energiewende

Atomstrom wie aus dem Kraftwerk Biblis ist die Vergangenheit. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Was sollten die Kommunen, die knapp 25 Prozent der Anteile an RWE halten, auch anderes tun? Zu bedrohlich ist die Krise des Konzerns. Und dies ist auch die Krise der Kommunen.

Zu lange setzte RWE auf Kohle und Atom, zu zögerlich stellte sich das Unternehmen der Energiewende. Noch im vergangenen Jahr erzeugte RWE die Hälfte seines Stroms aus Stein- und Braunkohle. Der Ökostromanteil lag bei knapp fünf Prozent. Doch die konventionellen Kraftwerke sind nicht mehr profitabel; es gibt zu viel subventionierten Ökostrom, was die Strompreise im Großhandel auf den tiefsten Stand seit langem drückt. Die Gewinne von RWE schrumpfen. Investoren, die dem Unternehmen mit all seinen Altlasten Geld geben würden, sind nicht in Sicht.

Vor zehn Tagen präsentierte Konzernchef Peter Terium seinen Plan, der diesen "gordischen Knoten zerschlagen soll", wie er selbst sagte. Das zukunftsträchtige Geschäft mit Ökostrom, Stromnetzen und dem Vertrieb will er in eine neue Gesellschaft ausgliedern - Projektname: Newco. Im kommenden Jahr will er zehn Prozent davon an die Börse bringen und so an frisches Geld für wichtige Investitionen kommen. Die restlichen Anteile und damit auch die Kontrolle soll die alte RWE halten.

Der Mann vor Ort

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(Foto: privat)

Michael Kreuzberg, 58, ist Landrat im Rhein-Erft-Kreis. Er sagt, dass Energie aus Braunkohle ein Auslaufmodell ist - und muss nun dafür sorgen, dass es seiner vom Tagebau geprägten Region auch in 30 Jahren noch gut geht.

Viele Kommunen hatten sich zuletzt immer wieder unzufrieden gezeigt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien und damit auch des aussichtsreichen Geschäfts zu langsam voran kam. Deshalb erschien ihnen der Umbau, der genau diese Wende ermöglichen soll, als ein Schritt in die richtige Richtung. Zugleich aber fürchteten sie, dass dabei ihre Vermögenswerte verwässert werden und sie selbst an Einfluss verlieren könnten.

Diese Sorgen konnten Terium und sein Team nun offenbar lindern. "Ein Achtel ist mehr wert als ein Viertel, wenn der Kuchen insgesamt größer ist", sagt Essens Kämmerer Klieve. Es ist eine Rechnung, die von der Hoffnung getragen wird, dass aus Newco wirklich ein wachsendes Unternehmen wird, von dem dann auch der Mehrheitseigner RWE und damit die Kommunen profitieren. "Es ist in jedem Fall besser als das Viertel eines schrumpfenden Kuchens", fügt Klieve noch hinzu.

Auch er weiß um die Risiken: Analysten der Bank Société Générale schätzen den Wert der neuen Gesellschaft auf 38,1 Milliarden Euro, den der alten RWE hingegen gerade einmal auf sechs Milliarden Euro. Viele Kommunen fürchten, auf der Resterampe sitzen zu bleiben - oder wie Klieve es ausdrückt: "Wir werden darauf achten müssen, nicht am toten Arm hängen zu bleiben."

Der Kampf um die Jobs wird nicht einfach

Die Kommunen müssen nun darauf pochen, dass die alte RWE auch langfristig die Mehrheit an der neuen Gesellschaft halten wird. Zwar hat Konzernchef Terium genau das versprochen. Aber was ist dieses Versprechen wirklich wert? Wird der Konzern, wenn er so dringend Geld braucht, nicht auch noch weitere Anteile von Newco an die Börse bringen müssen - und dann irgendwann doch die kritische Schwelle von 51 Prozent unterschreiten, die die alte RWE noch an der neuen Gesellschaft hält?

Aber RWE ist nicht nur ein Konzern, der die Region mit Strom und mit einer regelmäßigen Dividende versorgt. Er ist auch ein wichtiger Arbeitgeber. In der alten RWE würden Stellen vor allem in Kraftwerken wegfallen, sagte Terium kurz vor der Aufsichtsratssitzung in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Zwar sollten in der neuen Tochter mit Netz- und Vertriebsgeschäft auch neue Jobs entstehen, die Verschiebungen "so sozialverträglich wie möglich" verlaufen. Ausschließen könne man aber nichts - "dazu sind die Änderungen zu weitreichend", sagte Terium.

Einfach also wird der Kampf um die Jobs nicht. Auch das ist ein Grund für das Unbehagen in vielen Rathäusern. Kämmerer Klieve macht schon einmal klar: "Es darf keine Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse geben." Und auch Michael Kreuzberg betont, RWE dürfe sich der Verantwortung für die Kohle nicht entziehen.

Wirtschaftsminister Gabriel hat einen Kompromiss ausgehandelt

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Kreuzbergs Büro liegt etwa eineinhalb Autostunden südlich von Klieves. Der 58-Jährige ist Landrat des Rhein-Erft-Kreises. Es ist eine Region, die vom Braunkohletagebau geprägt ist. Eine Region, in der Orte verschwinden und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden - mit einem "Neu" vor dem alten Ortsnamen: Neu-Etzweiler oder Manheim-Neu. Fünf Blöcke wird RWE im Rheinischen Braunkohlerevier bis 2023 abschalten. So kommt der Konzern darum herum, eine Sonderabgabe für alte Kraftwerke zu zahlen.

Es ist ein Kompromiss, den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit den Energiekonzernen ausgehandelt hat. Und Kreuzberg, der weiß, dass der Kohle nicht die Zukunft gehört, sie aber nun einmal die Gegenwart ist, hält dies für einen guten Kompromiss. Einerseits. Andererseits aber ist das auch eine schwierige Sache, sagt er. Weil damit wohl 1000 Arbeitsplätze in der Region verloren gehen. 1000 Menschen, die einen neuen Job suchen. 1000 Menschen, bei denen das Geld erst einmal nicht mehr so locker steckt.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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