Ende der Kuschelkultur bei VW:Bauchgrimmen in Wolfsburg

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Bei Volkswagen herrscht Alarmstimmung, seit sich der harte Führungsstil von Porsche dort breitmacht.

Karl-Heinz Büschemann

Die Worte waren mit Bedacht gewählt, sie hatten die Wirkung eines geheimen Codes. Bei VW dürfe es "keine heiligen Kühe" geben, hatte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking gesagt. Da könne noch viel verbessert werden. Was harmlos klang, verfehlte die Wirkung nicht. Sofort meldete sich Bernd Osterloh, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Volkswagen, zu Wort und attackierte den Porsche-Mann mit vorher nie gekannter Vehemenz.

Der habe "einen Vertrag zu Lasten der VW-Belegschaft gemacht". Das Vorgehen des Porsche-Chefs stehe "dem Demokratieprinzip der sozialen Marktwirtschaft entgegen." Sogar vom "Schlag ins Gesicht" der Arbeitnehmer im VW-Konzern war die Rede. Osterloh attackierte überdies seinen Betriebsratskollegen von Porsche, Uwe Hück. Der habe die Unwahrheit gesagt, und stürzte damit die IG Metall in einen Konflikt, den sie in den letzten Tagen nur mit Mühe unter Kontrolle bekam.

Der Kleine schluckt den Großen

Zwischen VW und Porsche fallen ungewohnt harte Worte. Bisher galten der große und der kleine Autohersteller als Geschwister im Geiste, die beide ihren Ursprung dem alten Autoingenieur Ferdinand Porsche verdanken, dem Erfinder des VW-Käfers und Gründer der Sportwagenfabrik in Stuttgart-Zuffenhausen. Beide Firmen arbeiten traditionell zusammen.

Die Verbindung wird noch dadurch verstärkt, dass Ferdinand Piëch, der langjährige Vorstandsvorsitzende von VW und heutige Aufsichtsratschef, ein Enkel des alten Porsche ist. Jetzt ist der Friede gestört, weil sich Porsche anschickt, Volkswagen zu übernehmen.

Der Kleine schluckt den Großen. Die Zuffenhausener, die knapp 100.000 Autos im Jahr bauen, halten schon 31 Prozent der Aktien des Konzerns, der weit über fünf Millionen Autos herstellt. Spätestens in einem halben Jahr halten sie die Mehrheit an Volkswagen.

Daher baut Porsche-Chef Wiedeking schon eine Holding-Gesellschaft, die beide Autohersteller führen soll. In der Oberfirma sind aber keine VW-Manager vorgesehen und die VW-Betriebsräte dürfen nur die Hälfte der Arbeitnehmersitze im Aufsichtsrat besetzen. Den Rest bekommen die Arbeitnehmer von Porsche. Das sorgt für Wut und Verunsicherung in Wolfsburg.

Zwischen Porsche und VW ist ein regelrechter Kulturkampf ausgebrochen. Die mächtigen Betriebsräte bei VW fürchten um ihren Einfluss. Mit dem Einzug von Porsche kommen auch die Methoden des Zuffenhausener Sportwagenherstellers in Wolfsburg an. Die unterscheiden sich erheblich von denen bei VW. Vor allem gilt das für den Umgang von Management und Betriebsräten.

Bei Porsche führt seit 13 Jahren der selbstbewusste Wendelin Wiedeking die Regie. Er macht Druck auf die Fabriken und erwartet jedes Jahr einen Produktivitätsfortschritt von mindestens fünf Prozent.

"Nicht für Weicheier"

Die Gewerkschaft hält sich Wiedeking vom Hals, indem er mit wachsendem Umsatz auch für mehr Arbeitsplätze sorgt. Der Betriebsratschef von Porsche, Uwe Hück, hat eine starke Stellung. Aber er ist nicht Co-Manager des Vorstandschefs, sondern Gegenspieler. "Das ist nichts für Weicheier", sagt Hück.

Wiedeking sekundiert: "Ich habe von Schmusekurs noch nie etwas gehalten". Das ist bei VW traditionell anders. In Wolfsburg gibt es eine enge Symbiose zwischen Betriebsräten und Management.

Ohne den Betriebsrat läuft nichts in Wolfsburg. Ein Aufsichtsrat drückt das so aus: "Betriebsrat und Vorstandschef treffen die Entscheidungen. Die anderen im Aufsichtsrat sind nur Kopfnicker". Daran hat sich auch nach dem Skandal um Lustreisen und bestochene Betriebsräte bei VW nach Auskunft von Unternehmenskennern bisher nur wenig geändert.

Das ist bei Porsche anders. Ein Manager sagt: Bei uns gibt es keine Co-Manager in der Belegschaft. Wir teilen dem Betriebsrat eine Entscheidung mit und beraten mit ihm, wie die Sache umgesetzt wird." Bei Porsche ist daher nur verächtlich vom "Mauschelsystem in Wolfsburg" die Rede.

Sensationell billig

Das sorge dafür, dass wichtige Entscheidungen verzögert werden. So blieb der Aktienkurs des größten Autoherstellers in Europa so niedrig, dass das Unternehmen zum Übernahmekandidaten wurde. Nach Brancheninformationen waren Finanzgesellschaften längst damit beschäftigt, Pläne für die Übernahme von VW zu schmieden.

Weil VW an der Börse so sensationell billig war, konnte sich der kleine Sportwagenhersteller die Übernahme leisten. Doch sie muss sich rentieren. Das geht aber nur, wenn der Gewinn bei VW stimmt. Und der ist nach der Schätzung von Porsche zu gering.

Bei VW herrscht daher Alarmstimmung, als hätte eine Heuschrecken-Firma das Regime übernommen. Denn längst wirkt sich der Porsche-Führungsstil auch in Wolfsburg aus. Keine Aufsichtsratssitzung vergeht, in der nicht die von Porsche entsandten Mitglieder Wiedeking und Holger Härter ihre Vorstellungen darlegen. "Die beiden bringen da Schwung rein", heißt es aus dem Gremium. Der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn lässt sich nichts anmerken.

Porsche verlangt eiserne Kostendisziplin. "Ich habe eine klare Devise", sagt Porsche-Chef Wiedeking. "Es gibt keine Projekte, die kein Geld verdienen". Die gibt es bei VW allerdings reichlich, wie das Luxus-Auto Phaeton oder das 1000-PS-Geschoss Bugatti, das viele im Konzern für ein reines Hobby von Piëch halten. Wiedeking war auch wenig erbaut, als VW-Chef Winterkorn im Frühjahr die Entscheidung traf, das VW-Werk von Brüssel doch nicht zu schließen. Das hatte sein Vorgänger Bernd Pischetsrieder beschlossen.

Er wollte die Macht der Gewerkschaften in Wolfsburg beschneiden, überschüssige Kapazitäten stilllegen, für bessere Auslastung sorgen, Kosten sparen. Doch bevor der Plan umgesetzt wurde, feuerte Piëch den Unternehmenschef und holte seinen Vertrauen Martin Winterkorn in die VW-Spitze.

Seitdem konnten sich die Betriebsräte wieder über steigende Bedeutung im Unternehmen freuen. Winterkorn unterstützte seinen verärgerten Betriebsratsvorsitzenden Osterloh sogar bei dessen Attacke auf Porsche. "Wir müssen dem Betriebsrat zugestehen, wenn er Bedenken hat, diese auch zu äußern."

© SZ vom 29.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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