Ende der Ära Kirchhof:Schwarzer Tag für Steuerzahler

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Das Bundesverfassungsgericht hat den "Halbteilungsgrundsatz" des Staatsrechtlers Paul Kirchhof gekippt. Daraus hatte der kurzzeitige Polit-Einsteiger des vergangenen Jahres eine Obergrenze der Steuerbelastung von etwa 50 Prozent abgeleitet.

Marc Beise

Paul Kirchhof hat schon bessere Zeiten erlebt. Erst scheiterte der Steuerreform-Professor aus Heidelberg bei dem Versuch, seinen großen Reformentwurf an der Seite von Angela Merkel durch den Bundestagswahlkampf zu bringen.

Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes. (Foto: Foto: AP)

Jetzt kippen seine Nachfolger am Bundesverfassungsgericht den "Halbteilungsgrundsatz", mit dem Kirchhof einige Berühmtheit erlangt hat. Der Staatsrechtler hatte aus der Verfassung eine Obergrenze für den Zugriff des Steuerstaates von ungefähr 50 Prozent abgeleitet.

So steht das zwar nicht im Grundgesetz, aber dank einer beherzten Auslegung und mit Verweis auf die deutsche Verfassungstradition zurück bis zu Friedrich dem Großen legten Kirchhof und seine Kollegen dem Gesetzgeber im Vermögensteuerurteil von 1995 Fesseln an - zu Recht.

Umstritten

In Politik und Wissenschaft blieb das allerdings heftig umstritten, und auch der Bundesfinanzhof hat immer wieder gegen den Stachel gelöckt, den Kirchhof dem gefräßigen Fiskus ins Fleisch gesetzt hatte.

Nun zieht der Zweite Senat mit fünf zu drei Stimmen einen Schlussstrich unter die Ära Kirchhof. Das ist - auch wenn es offiziell nicht zugegeben wird - die bewusste Abkehr von einer Steuerrechtsprechung, die sich einmischen wollte. Es ist ein Rückzug ins Unpolitische.

Den Bürgern erweisen die fünf Richter keinen Gefallen. Denn nun gilt wieder allein der alte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Natürlich darf der Staat den Bürger auch weiterhin nicht komplett aussaugen.

Auswirkungen auf den Mittelstand

90 Prozent Steuerbelastung wären sicher nicht mehr verhältnismäßig. 50, 60, 70 Prozent aber schon. Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus Auswirkungen gerade auf den Mittelstand, erst recht für Familien, die viel konsumieren (müssen).

2007 soll die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent steigen, zugleich werden Steuervergünstigungen gestrichen. Inklusive Einkommen- und anderen Steuern kommt ein Bürger mit einem Jahreseinkommen ab 40.000 Euro dann auf eine Gesamtsteuerbelastung von bis zu 60 Prozent, von Abgaben und Gebühren ganz zu schweigen.

Diese Entwicklung trifft zusammen mit der vordringenden Ansicht, dass Unternehmen weiter steuerlich begünstigt werden sollen, Arbeitnehmer jedoch nicht. Für Letztere zieht sich die Steuerschlinge immer stärker zu.

Die Elite will nicht folgen

Kirchhof will das nicht akzeptieren. Er wirbt immer noch für sein einfaches Steuerrecht, bei dem jeder - aber dann auch wirklich jeder - 25 Prozent zahlt. Auf Veranstaltungen erhält er dafür weiterhin viel Beifall. Doch die politische, wissenschaftliche und richterliche Elite folgt ihm immer weniger. Leider.

© SZ vom 17.03.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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