Emissionshandel im Internet:UN planen Online-Shop für Umweltverschmutzer

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Wer besonders viel Dreck in die Luft pustet, kann dafür Emissionsrechte kaufen - bald auch auf einer Online-Plattform der Vereinten Nationen. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
  • Die Vereinten Nationen wollen künftig für den Handel mit Emissionsrechten einen eigenen Online-Shop starten. Er soll sich sowohl an Firmen als auch an private Umweltverschmutzer richten.
  • Kritiker fürchten, dass das zu mehr unnützen Klimaschutz-Maßnahmen führen werde.

Von M . Bauchmüller, A . Spinrath, Berlin

Das Verfahren soll so leicht sein wie der Einkauf im Internet. Nur zu kaufen gibt es nichts, stattdessen soll Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen werden, irgendwo auf der Welt. Und wenn anderswo etwas verschwindet, lässt sich hierzulande der Ausstoß von Treibhausgasen wiedergutmachen. Soweit die Theorie.

Ein Ablasshandel für Klimasünden - erstmals wollen die Vereinten Nationen dafür eine Plattform schaffen, an der jeder seine Emissionen kompensieren kann, weltweit. Nach Informationen von WDR und Süddeutscher Zeitung laufen die Arbeiten an der Plattform auf Hochtouren, schon nächste Woche soll sie erstmals vorgestellt werden. "The United Nations Climate Credit Store" ist der vorläufige Name, der Klimakredit-Laden der Vereinten Nationen. Eine Art Amazon für Klimasünden.

Funktionieren soll das Ganze mit internationalen Klimazertifikaten, wie sie seit vielen Jahren ausgegeben werden. Wenn Firmen in China oder Brasilien saubere Technologien einsetzen, wenn Unternehmen Dörfer in Afrika mit Solarlampen ausstatten, dann können sie im Gegenzug Zertifikate beanspruchen. Dieser sogenannte "Mechanismus für saubere Entwicklung", auf englisch CDM abgekürzt, läuft so gut, dass sich im Lauf der Jahre massive Überschüsse angehäuft haben. Die Zertifikate wurden zwar ausgestellt, aber kaum einer wollte sie kaufen. Zu wenige Staaten handeln mit Emissionsrechten, und im Emissionshandel der EU ist der Ablass per CDM eingeschränkt. So fehlte die Kundschaft.

Emissionshandel auch für Privatpersonen

Das soll sich nun ändern. Internen UN-Unterlagen zufolge soll der Online-Shop selbst auf Handys verfügbar sein. Wer also von A nach B geflogen ist und den Flug kompensieren möchte, kann sich online die entsprechenden Zertifikate kaufen. Mit dem Kauf werden sie automatisch gelöscht. Mitmachen kann jeder: "Es ist egal, ob man eine Privatperson, eine kleine Firma, eine große Firma, eine Stadt oder eine Regierung ist", sagt Niclas Svenningsen, der für die UN das Konzept entwickelt hat.

Selbst die Art des Klimaschutzes soll man sich aussuchen können, anhand von Beschreibungen der verschiedenen Projekte. "Einfach sichtbar und suchbar" solle das System sein, heißt es in den Unterlagen. Bezahlt wird anschließend per Kreditkarte oder über das Internet-Bezahlsystem Paypal. Den Preis der Zertifikate legen die Anbieter fest, also die Betreiber der jeweiligen Projekte. Schon innerhalb eines Tages soll die Kundschaft dann einen Beleg für die "freiwillige Löschung" der zugehörigen CDM-Zertifikate bekommen. Es attestiert ein reines Gewissen - und entzieht dem Markt einen Teil seines Überschusses. Schon ganze Klimakonferenzen wurden auf diese Weise "klimaneutral". Nur für Privatleute war das nie möglich.

Aber ist das wirklich klimaneutral? Umweltschützer hegen daran Zweifel. Denn CDM-Zertifikate wurden in der Vergangenheit auch für die Errichtung neuer Kohlekraftwerke vergeben - wenn sie nur halbwegs effiziente Technologie einsetzten. Selbst Zertifikate, bei denen in Chemieanlagen erst absichtlich Treibhausgase erzeugt wurden, um sie dann gewinnbringend zu zerstören, finden sich noch in dem globalen CDM-Register - obwohl derlei Projekte inzwischen nicht mehr gefördert werden.

Rund die Hälfte aller Zertifikate seien deshalb letztlich ohne jeden Nutzen für das Klima, schätzt Juliette de Grandpré, Klimaexpertin bei der Umweltstiftung WWF. "Der Konsument wird da getäuscht. Man sagt ihm, er kann seine Emissionen kompensieren, aber er kompensiert mit heißer Luft." Letztlich sei das Angebot an diesem Markt immer höher als die Nachfrage. "Deshalb sagen wir: Man kann dieses System nicht mehr retten", erklärt Grandpré - auch nicht per Onlineshop.

Auch Anbieter wie Atmosfair, bei denen sich mit Klimaschutz-Maßnahmen schon jetzt Flüge kompensieren lassen, haben Bauchschmerzen. "Viele CDM-Projekte haben dem Klima eher geschadet als genutzt", sagt Atmosfair-Chef Dietrich Brockhagen. Es fehlten Vorgaben für die Nachhaltigkeit der Projekte.

Wirklich nützliche Projekte sollen besonders gekennzeichnet werden können

Im Online-Shop müssen die Kunden schon selbst darauf achten, dass sie vernünftige Projekte wählen - aber im Zweifel dann auch einen höheren Preis zahlen. Allerdings muss man sich im Dschungel der internationalen Zertifikate-Märkte gut auskennen, um gute von schlechten Projekten zu unterscheiden. Handreichungen will die UN dafür nicht geben - um nicht einzelne Projekte zu diskriminieren. "Eine Reduzierung ist für uns eine Reduzierung, egal, woher das Zertifikat stammt", sagt auch UN-Mann Svenningsen. "Wir unterscheiden da nicht." Anbietern soll aber freistehen, auf einen besonderen ökologischen Nutzen hinzuweisen. Das solle den wirklich nützlichen Projekten helfen, sich finanziell über Wasser zu halten, heißt es in Kreisen der UN.

Ob das gelingt, wird sich bald erweisen, in der ganz realen Welt. Schon kommende Woche soll der Klimashop der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO vorgestellt werden - die Flieger haben besonders großes Interesse, ihre Emissionen möglichst billig zu kompensieren. Und bei der Klimakonferenz in Paris sollen sogar eigene Terminals mit dem neuen Programm aufgestellt werden: damit Delegierte elegant ihren "Fußabdruck" loswerden können.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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