Ein Jahr nach dem Lidl-Skandal:Kameras erst nach Absprache

Lesezeit: 2 min

Vor einem Jahr flog der Überwachungsskandal beim Discounter Lidl auf - Betriebsrätin Ulrike Schramm-de Robertis bilanziert, was sich geändert hat.

S. Haas

Ulrike Schramm-de Robertis klingt heute gelassener als vor einem Jahr. Damals kam heraus, dass der Lebensmittel-Discounter Lidl mit Hilfe von Detektiven und Videokameras Beschäftigte in zahlreichen Filialen monatelang überwacht hatte.

Vor einem Jahr wurde der Überwachungsskandal bei Lidl bekannt. (Foto: Foto: AFP)

"Das Verhalten der Führungskräfte ist besser geworden. Lidl achtet mehr darauf, dass sie sich ihren Mitarbeitern gegenüber korrekt verhalten", sagt die 44-Jährige. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi registriere "kleine Verbesserungen", da Überstunden aufgeschrieben und bezahlt würden, so die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Margret Mönig-Raane zur SZ.

Als Betriebsrätin eine "Exotin"

Ulrike Schramm-de Robertis arbeitet seit 2001 bei Lidl, leitet heute eine Filiale in Bamberg und ist Chefin von 17 Mitarbeitern. Gleichzeitig ist sie Betriebsratsvorsitzende in der Filiale. "Betriebsräte haben nach wie vor kein leichtes Leben bei Lidl. Bis zur gesetzlich vorgeschriebenen vertrauensvollen Zusammenarbeit von Geschäftsleitungen und Betriebsräten ist es noch ein langer, steiniger Weg", sagt Gewerkschafterin Mönig-Raane. Als Betriebsrätin ist Schramm-de Robertis bei Lidl immer noch eine "Exotin".

Nach Angaben des Unternehmens gibt es nur in acht von etwa 3000 Filialen eine solche Arbeitnehmervertretung. Die Frau ist inzwischen aber auch so etwas wie das Gesicht der Lidl-Belegschaft. Wann immer es darum geht, die Rechte der Arbeitnehmer öffentlich "einzuklagen", ist Schramm-de Robertis an vorderster Front, wie beispielsweise am Sonntag in der Talkshow von Anne Will. Im Anschluss an einen Tatort-Krimi, der im Discounter-Milieu spielte, wurde über die Arbeitsverhältnisse bei den Billigheimern diskutiert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Lidl seine Manager zum Seminar schickt.

"Ich will meinen Arbeitgeber nicht schlechtmachen. Im Gegenteil: Lidl zahlt gut und hält die Tarifverträge ein. Das könnte ein super Arbeitgeber sein, wenn der Führungsstil in einigen Vertriebsgesellschaften besser wäre", sagte die Betriebsrätin vor einem Jahr. Deshalb ist sie froh, dass Lidl heute sein Management in Führungsseminaren schult. Immerhin lautet ein Führungsgrundsatz des Unternehmens: "Wir gehen fair und respektvoll miteinander um."

Kameras erst nach Absprache

Der Discounter hat nach eigenen Angaben 34 regionale Vertriebsgesellschaften, die eigenständig sind und jeweils eine eigene Geschäftsführung haben. "Da bekommt die Zentrale nicht immer alles mit", sagt Schramm-de Robertis. Sie wünscht sich, dass die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen den Betriebsräten und der Lidl-Zentrale in Neckarsulm besser wird. Dennoch habe sie den Eindruck, dass die Zentrale inzwischen stärker prüft, ob der von ihr vorgegebene Führungsstil umgesetzt ist. Immerhin seien die Verkaufsleiter, die "auffällig" wurden, nicht mehr an ihren alten Stellen. Was aus ihnen geworden ist, weiß sie nicht.

"Lidl bemüht sich", sagt sie. Videokameras gebe es heute nur, wenn Mitarbeiter darüber informiert seien. In ihrem Bamberger Markt allerdings habe es noch nie eine Videoüberwachung gegeben, weil der Betriebsrat dies abgelehnt habe. Die Videoüberwachung der Kassenzone ist im Einzelhandel nicht selten. Sie dient der Aufklärung von Diebstählen und Raubüberfällen und ist damit auch ein Schutz für die Beschäftigten. Allerdings darf die Überwachung nicht dem Ziel dienen, in die Privatsphäre der Mitarbeiter einzudringen. Dies war in einigen Lidl-Filialen jedoch geschehen.

Der Umgang sei insgesamt besser geworden, sagt Schramm-de Robertis. So seien die Verkaufsleiter angehalten, Probleme zunächst mit den jeweiligen Mitarbeitern zu erörtern, bevor sie ihnen gleich eine Abmahnung schicken. In Ostdeutschland jedoch sei "die gute Führungskultur noch nicht so richtig angekommen". "Einige Mitarbeiter haben mich anonym angerufen, um mir ihr Leid zu klagen", sagt sie. Dort gehe man oft ruppig mit ihnen um. "Anbrüllerei ist dort wohl keine Seltenheit." Gewerkschafterin Mönig-Raane sagt, Lidl sei bisher "den Beweis eines normalen Umgangs mit Betriebsräten schuldig geblieben".

© SZ vom 06.02.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: