Ein Hauch von Kanzlerschaft:Unter Bossen wird genossen

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Bei seinem ersten Auftritt als Gazprom-Manager kann Gerhard Schröder sich an ein paar fast echten Kanzlermomenten erfreuen.

Daniel Brössler

Der größte Gaskonzern der Welt hat natürlich auch einen Saal für Pressekonferenzen. In angemessenem Abstand zum imposanten Moskauer Gazprom-Turm aus hellem Stein und dunklem Glas befindet er sich im dritten Stock eines Nebengebäudes.

Es ist ein schmuckloser, nicht eben geräumiger Saal, in dem Wirtschaftsreporter normalerweise Förderziffern notieren und unübersichtliche Schaubilder betrachten.

Gerhard Schröder, der den Raum mit ziemlicher Sicherheit zum ersten Mal betritt, schaut sich um. Langsam wandert sein Kopf von einer Seite zur anderen, und was er sieht, scheint ihm zu gefallen. Ganz vorn kauern die Fotografen, die ihn soeben standesgemäß mit Blitzlichtgewitter empfangen haben.

In Diensten des Kremls

Dahinter steht die gewohnte Mauer aus Kameras. Es sind zehn. Der Altbundeskanzler lächelt. Und er wartet. Wartet auf die Fragen der hinter der Kameramauer lauernden Reporter. Es ist Schröders erste Pressekonferenz nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Es ist eine Heimkehr.

"Ich begrüße sehr, dass Sie nachfragen", entgegnet er einem Journalisten mit englischem Akzent, der wissen will, ob Herr Schröder sich nun weniger freue über die neue Aufgabe angesichts der vielen Kritik daran. Seit wenigen Minuten ist Gerhard Schröder, der deutscher Bundeskanzler und SPD-Vorsitzender war, ganz offiziell so etwas wie ein Top-Manager.

Der Aktionärsausschuss der "North European Gas Pipeline Company" hat ihn eben einstimmig zum Vorsitzenden gewählt, was Schröders Stimmung zumindest nicht trübt. "Es gibt überhaupt gar keinen Grund, über diese Aufgabe nicht erfreut zu sein", erläutert der Vorsitzende des Aktionärsausschusses, den man in Deutschland Aufsichtsrat nennen würde.

Mit Kritik habe er zu leben, "gar keine Frage", sagt Schröder und spricht über "den wachsenden Bedarf an Gas und die sinkende Eigenversorgung Westeuropas", weswegen es wichtig sei, die Pipeline zu bauen. Er erklärt das alles sehr laut und sehr deutlich.

Zu Schröders Linken sitzt ein blässlicher Herr namens Alexej Miller, der auf Fragen betont leise und unverständlich antwortet. Sein Auftreten sagt: Es gibt Leute, denen ich Rechenschaft schulde, aber von denen sitzt garantiert keiner hier.

Er blickt gelangweilt, verzieht keine Miene, als der Altkanzler doziert, die Pipeline sei ein Projekt "dreier privater unabhängiger Gesellschaften".

Miller ist Chef von Gazprom, einem Konzern, der mehrheitlich dem russischen Staat gehört und insofern Anweisungen des Kreml unbedingt Folge zu leisten hat. Es ist kein Geheimnis, dass eine Anweisung den Mann betrifft, der neben ihm sitzt und mit dem Putin so gerne Schlitten fuhr.

"Meine Zusage datiert exakt vom 9.12.2005, und ich habe sie gegenüber dem russischen Präsidenten gemacht", sagt Schröder. Er will klar machen, dass er sich nicht aus dem Kanzleramt um einen neuen Job gekümmert hat und bestätigt eigentlich nur, dass er in die Dienste des Kreml getreten ist.

Drei Partner bauen die Pipeline, die ab 2010 jährlich 27,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Deutschland pumpen soll. Je 24,5 Prozent gehören den deutschen Energieunternehmen Eon und BASF, 51 Prozent dem russischen Gazprom-Konzern. Im Aufsichtsrat vertritt Schröder aber keine der deutschen Firmen, sondern die russische Gazprom.

Es sitzen, vor der Kulisse vieler blauer Gazprom-Logos, Männer neben Schröder, denen er einst wohlwollend über die Schulter blickte. Im September etwa, als Schröders Freund Putin so zufällig in den deutschen Wahlkampf platzte und den blassen Herrn Miller mit nach Berlin brachte, damit die Bosse von Gazprom, Eon und BASF den Pipeline-Deal perfekt machen.

Schröder sprach damals von einem "wichtigen Beitrag zur Energieversorgung und zur Stabilität ganz Europas". Damals war er Kanzler. Heute sagt er, "dass wir nicht nur in Deutschland, sondern in Westeuropa einen wachsenden Bedarf an Gas haben und eine sinkende Eigenversorgung". An seinen Positionen habe sich nichts geändert, versichert er. Verändert hat sich nur seine Position. Schröder ist kein Politiker mehr, sondern Geschäftsmann.

Die Liga der Kollegen

"Die Kritik kann ich nicht nachvollziehen", antwortet er auf die Frage, ob der Politiker dem Geschäftsmann nicht ein wenig auf die Beine geholfen habe. Fest steht, dass der Geschäftsmann nun von der rhetorischen Routine des Politikers profitiert.

"Dass ich allgemeiner Auffassung bin, dass die Energiepartnerschaft zwischen Russland und Deutschland für die Versorgungssicherheit in Deutschland von enormer Bedeutung ist, daraus mache ich überhaupt keinen Hehl", erläutert er. "Ich war immer dieser Auffassung.

Ich bin es auch jetzt, aber das heißt nicht, dass ich an irgendwelchen Unternehmensentscheidungen in irgendeiner Form beteiligt war. Das war ich nicht." Es musste natürlich auch die Frage nach dem Geld fallen, auch wenn sie Schröder beim ersten Mal überhört.

"Das hat die Gesellschafterversammlung heute beschlossen", sagt er schließlich trocken, "die Mitglieder des Shareholder-Gremiums erhalten eine Aufwandsentschädigung von 200.000 Euro, und der Vorsitzende erhält 250.000 Euro."

Schröder weiß, dass er für diese Summe etwas bieten muss, dass er ein wenig wie die Manager werden muss, die neben ihm sitzen. Er sagt Sätze wie: "Wir wollen das Momentum, das wir geschaffen haben, nutzen, um die Planungen so weit wie möglich voran zu treiben."

Was nicht wirklich klingt, als hätte er auf dieses Momentum sein ganzes Leben gewartet. Er spielt eben nicht nur in einer anderen Liga als die Herren neben ihm, er spielt eine andere Disziplin. Das wird klar, als sich eine BBC-Reporterin nach den ethischen Problemen seines Rollenwechsels erkundigt.

Burckhard Bergmann, Vorstandschef der Eon Ruhrgas AG, springt dem neuen Kollegen ungebeten zur Seite. "Ich verstehe die Logik hinter ihrer Frage nicht", blafft er die Reporterin an, worauf Schröder gut gelaunt verkündet: "Die verstehe ich schon." Der Altkanzler hat die Lacher auf der Seite, der Ruhrgas-Mann blickt verdrossen, die Fotografen drücken ab. Das sind die Kanzlermomente im Leben des frisch gewählten Aktionärsausschuss-Vorsitzenden, und Schröder genießt sie.

Natürlich nimmt der Altbundeskanzler den neuen Job trotzdem ernst. Gerade hat er sich zum Polarkreis fliegen lassen, wo er sah, wie das viele Gas eigentlich gefördert wird. Man präsentierte dem Gast den Ort Nowyj Uregnoj, eine Gazprom-Mustersiedlung im hohen Norden Westsibiriens, führte ihn in hübsche Kindergärten und Schulen.

Im Deutschunterricht durften Gymnasiastinnen Schröder fragen, was er nun, da er nicht mehr Kanzler sei, eigentlich mache. "Jede freie Minute verbringe ich im Kreise der Familie", habe der geantwortet, vermeldete eine russische Agentur. Schröder, der auch als Berater für den Ringier-Verlag wirkt und bei einer New Yorker Redneragentur unter Vertrag steht, will keinesfalls, dass man ihn für gelangweilt hält.

Er sei mit seiner neuen Tätigkeit "wirklich ausgelastet", entgegnet er in Moskau einem Journalisten, der nach seinen weiteren Plänen fragt. Für eine gute halbe Stunde ist er es wohl wirklich. Ungefähr so lange dauert die Pressekonferenz.

© SZ vom 31.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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