Ein bizarrer Streit:Die Herren Energieminister

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Sowohl Michael Glos als auch Sigmar Gabriel fühlen sich für die Energiepolitik zuständig. Das schafft viele Probleme.

Michael Bauchmüller

Das Vaterunser der Umweltpolitik kann Sigmar Gabriel längst runterbeten. Befragt nach den Schwerpunkten seiner Politik zeigt er sich knallhart beim Atomausstieg, erklärt Klimaschutz zur Menschheitsfrage, er will "Megawattstunden arbeitslos machen" und erneuerbare Energien zukunftsfähig.

Umso seltsamer war die Äußerung, die er dem Insider-Dienst Energie & Management kürzlich in den Block diktierte. Er wünsche sich, sagte Gabriel ganz am Schluss des Interviews, dass Ökoenergie-Unternehmen mehr Ausbildungsplätze schaffen. "Viele Schüler", wusste SPD-Mann Gabriel, "suchen momentan händeringend eine Ausbildung." Ein Appell zur Ausbildung? Vom Umweltminister?

Die Äußerung wäre weniger pikant, läge das Thema Ausbildung nicht bei Gabriels Wirtschaftskollegen Michael Glos (CSU). Und hätte der nicht zur gleichen Zeit in Sachen Ausbildung eher mit Gegenwind zu kämpfen: Er tue zu wenig für neue Lehrstellen, hörte Glos zuletzt verschiedentlich.

Der kleine Absatz eines Interviews bekommt da einen ganz anderen Geschmack. Er ist symptomatisch für das, was zwischen Glos und Gabriel in den letzten Wochen abläuft.

Es gibt keine Paarung im Kabinett, die in den vergangenen Monaten so oft von sich behauptete, alles laufe prima. Man streite sich, komme aber auch wieder zusammen, lautete die offizielle Version.

Unglückliche Kombination

Hinter den Kulissen aber ist der Frieden längst vorbei. Gabriel gibt sich neuerdings deutlich kampflustiger, und immer mehr erinnern beide an das rot-grüne Widersacher-Gespann Clement/Trittin: Wieder geht es um Energiepolitik.

Die beiden Ministerien sind in diesem Feld aufs Unglücklichste miteinander verwoben: Gabriel, qua Amt Förderer erneuerbarer Energien, ist in der Koalition der Bewacher des Atomausstiegs. Glos aber, offiziell für die Energiepolitik zuständig, wirbt bei jeder Gelegenheit für einen "breiten Energiemix"; und der ist nach seiner Auffassung nur breit, wenn er auch die Kernkraft beinhaltet. Glos wiederum verantwortet den großen Komplex Energiesparen.

Den aber hat Gabriel zum zentralen Feld seiner Politik gemacht: Sparen die Deutschen Energie, brauchen sie auch weniger Kraftwerke. Das könnte der Umwelt helfen. Gabriel dagegen verantwortet das schwierige Feld des Emissionshandels. Doch der betrifft vor allem konventionelle Kraftwerke - für die in der Kabinetts-Hackordnung Glos zuständig ist.

Diverse Briefwechsel zwischen beiden Häusern belegen die Spezial-Beziehung. Erlaubte sich etwa Gabriel anfangs noch süffisante Untertöne ("Es ist gut zu wissen, dass Sie sich in der Lage fühlen, mir unaufgefordert Ratschläge zu geben"), ist der Ton inzwischen deutlich rauer.

Einen Vorstoß zum Emissionshandel richtete Glos neulich nicht mehr an Gabriel direkt, sondern an ihm vorbei an Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Der zuständige Umweltminister fand sich nur noch in der Reihe jener Minister, die das Schreiben in Kopie erhalten durften. Gabriel tobte: "Inakzeptabel" sei so etwas.

Für Gabriel, 46, ist das Umweltministerium vor allem ein Bewährungsposten. Wenn er in der SPD noch mehr werden will - und das will er sicher - braucht er hier ein Profil. Glos, 61, der als CSU-Vorkämpfer einst bei jeder Gelegenheit verbal zulangte, machte ihm das zunächst leicht.

Er galt lange Zeit als farblos, das Ministerium im Zweifel als verlängerter Arm der Energiekonzerne. Derzeit arbeitet Glos erkennbar daran, diesen Ruf loszuwerden. Und unter Deutschlands Energieministern bleibt er derjenige, der diesen Titel auch tragen darf.

Somit nimmt er auch, sehr zum Verdruss seines Umweltkollegen, an den internationalen Treffen der Energieminister teil - und findet sich dort häufig im Kreis von Gleichgesinnten, die in Abschlusserklärungen auch gerne mal die Kernkraft loben. Derzeit bereitet das Ministerium fieberhaft die deutsche Doppel-Präsidentschaft im kommenden Jahr vor.

Dann wird Deutschland sowohl dem Industriestaaten-Club G8 als auch der EU vorsitzen. Da wächst auch im Umweltministerium die Angst, Glos könnte über die internationale Bühne etwa den deutschen Atomausstieg wieder in Frage stellen.

Gabriel, der in der SPD auch für Energiepolitik zuständig ist, versucht dies nun über die Parteischiene zu verhindern: Deutschland müsse Klimaschutz, Sparsamkeit und erneuerbare Energien in den Fokus seiner Präsidentschaft stellen, heißt es in einem Papier, das Gabriel zusammen mit SPD-Generalsekretär Hubertus Heil entworfen hat. Dazu allerdings bräuchten sie auch Michael Glos.

Erst am Dienstag, bei einem Kongress des Industrieverbandes BDI, hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem Zeugnis der Ernüchterung aufgerafft: Die deutsche Energiepolitik sei zur Zeit "planlos", gestand sie ein. Mit dieser Einsicht dürfte sie richtig liegen.

© SZ vom 22.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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