Ehemaliger Finanzbetrüger:"Im Knast sind sie alle Millionäre"

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Er lebte ein großspuriges Leben: In Marbella zockte Heinz Rant seine Kunden mit erfundenen Finanzprodukten ab. Doch er flog auf und musste lange ins Gefängnis. Jetzt will er in die Arbeitswelt zurück - mit 61 Jahren.

Von Pia Ratzesberger

Zum Vorstellungsgespräch trug er wieder den Anzug. Schwarz gestreift, feinster Zwirn. In dem Anzug hatte er in Marbella jahrelang seine Geschäfte gemacht. Mit Immobilien, mit Sicherheitsdiensten. Und mit Geldwäsche. Wenn Heinz Rant all seine Firmen von früher aufzählt, von denen viele nur auf dem Papier existierten, dann spricht er sehr schnell und verschluckt manche Silben. Rant ist einer, der keine Zeit mehr zu verlieren hat.

Der gelernte Kaufmann ist jetzt 61 Jahre alt. Sieben Jahre davon war er in Haft, insgesamt. Zuletzt von 2009 bis Mitte dieses Jahres. Von Januar an will Rant wieder arbeiten. Diesmal in einem legalen Job. Es ist ein später Aufbruch in ein neues Leben.

In Rants Situation würden andere sich vielleicht sagen: Das war es jetzt. Sich mit dem Arbeitslosengeld begnügen, die Bewährungszeit absitzen und versuchen im Alter ruhige Tage zu verleben. Rant aber, der in Wirklichkeit anders heißt, will mehr.

Wenn der 61-Jährige in München ein Café betritt, gibt er sich noch immer wie der scheinbar erfolgreiche Geschäftsmann von Marbella. Geht aufrecht durch die Tür, lehnt sich locker an den Tresen und ruft der Kellnerin mit selbstbewusster Stimme zu: "Schöne Maid, für mich einen Kaffee". Großes Kino.

Rant wirkt im Gespräch nicht, als schäme er sich für das, was er getan hat. Zuerst hatte er mehrere Millionen D-Mark Steuern hinterzogen. Ergebnis: Drei Jahre Haft. Später versprach er Kunden von Marbella aus, ihr Geld in rentable Anlagen zu investieren, stattdessen flossen viele Hunderttausend Euro auf sein eigenes Konto. Vier Jahre Haft. "Es war natürlich schlecht", sagt er. Aber die Leute, deren Geld er wusch oder deren Geld er vorgab anzulegen, hätten ihr Vermögen womöglich auch nicht auf legalem Weg erlangt, denkt er manchmal.

Nein, Rant klingt nicht wie jemand, der ein schlechtes Gewissen hat. Nur wie jemand, der sich vor dem Urteil der anderen fürchtet. Moral war nie eine feste Größe in seinem Wertesystem. Er wollte Geld verdienen, schnell und viel. Sein erstes Praktikum machte er bei einem großen Bekleidungsunternehmen, ging in die kaufmännische Lehre, handelte mit Immobilien und gründete eine Baufirma. Zuerst lebte er in Deutschland, doch nach der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in den Neunzigern und den drei Jahren Haft ging Rant nach Spanien.

Gefängnisstrafen, das ist die Theorie, sollen ja eigentlich der Abschreckung dienen oder der Läuterung. Zumindest bei Rant hat das irgendwie nicht funktioniert. Die drei Jahre im Knast hielten ihn nicht ab, weiter gegen das Gesetz zu wirtschaften. Er gründete Dutzende von Briefkastenfirmen, so erzählt er die Geschichte selbst, er schob Geldbeträge so lange hin und her, bis niemand mehr nachvollziehen konnte, woher das Geld eigentlich kam. Er verlangte hohe Provisionszahlungen von seinen Kunden, versprach ihnen atemraubende Renditen - die sie nie ausgezahlt bekommen sollten.

Wenn Rant davon berichtet, zieht er immer wieder Papiere aus seinem großen Aktenkoffer, den er wie einen Bauchladen vor sich herträgt. Auszüge aus den Urteilen, Schreiben der Anwälte, Rechnungen der Firmen. "Im Knast sind sie alle Millionäre", sagt er über die prahlerischen Geschichten seiner Mitinsassen. "Aber ich war es tatsächlich". Er grinst. Es ist ein breites, schelmisches, fast schon charmantes Grinsen. Wie er nach außen wirkt, ist ihm wichtig. Seine Freunde und Bekannten von früher, von der Zeit, als er in Marbella residierte mit Finca und Fuhrpark, will Rant nicht mehr sehen. "Die kennen mich groß, die sollen mich jetzt nicht klein sehen".

Dass er einmal sein würde, was er "klein" nennt, hat er lange nicht geglaubt. Selbst als die Polizei vor seiner Finca wartete, weil ihm die deutschen Behörden auf die Spur gekommen waren. Selbst als er Wochen später in den Gerichtssaal trat und der Richter die Anklage wegen Betrugs und Geldwäsche verlas. Als der Richter wiederum Wochen später das Urteil erließ: Vier Jahre Gefängnis.

Nach diesen vier Jahren aber erschien ihm plötzlich das Gegenteil unwirklich, das freie Leben. Er dachte, er träume, sagt Rant über den Moment, als er die Haftanstalt im Sommer dieses Jahres wieder verließ. Schon in den Wochen vor seiner Entlassung hatte er darüber nachgedacht, wie es weitergehen könnte. Dass ihm Hartz IV nicht reichen würde, war klar. Die Gier ist immer noch da, irgendwo.

Wie damals als Geschäftsmann nutzte Rant also sein Netzwerk und fragte seine Anwälte um Rat. Tatsächlich vermittelten sie ihm den Kontakt zu einer Logistikfirma. Eine Woche lang hat er bereits zur Probe gearbeitet. Er hat dort wieder das getan, was er am besten kann: Sachen umhergeschoben. In seinem besten Anzug von früher. Nur diesmal waren es keine Geldsummen, sondern leere Lkws. Rants Aufgabe war es, die Leerfahrten zu organisieren, möglichst viel Profit aus jeder bereits geplanten Strecke herauszuholen. Gemeinsam mit ihm waren noch zwei andere Bewerber eingeladen und wer am Ende der Woche am meisten Gewinn gemacht hatte, bekam den Job.

Es ist nicht sehr überraschend, dass er gewonnen hat. Sein künftiger Chef interessiert sich wenig für Rants Vergangenheit. Er weiß, dass er vorbestraft ist, aber nicht warum. Sein neuer Arbeitgeber habe ihm gesagt: "Du bist ein guter Arbeiter, den ich jetzt billig einkaufen kann. Das zählt für mich", sagt Rant. Außerdem, glaubt der Chef, könne er sich sicher sein, dass der Neue ihm keinen Ärger einbringe: Die Jahre, die Rant bis zur Rente noch beschäftigt sein wird, ist er auf Bewährung.

Aber die Versuchung? Die Lust aufs große Geld? Rant nimmt einen großen Schluck von seinem Kaffee und zögert einige Sekunden. Er denke schon oft über mögliche Geschäftsmodelle nach, sagt er und grinst wieder. Legale Modelle natürlich. In Südamerika könne man jetzt gerade gut Geld verdienen und, ach, in Spanien mit so einer Jobvermittlung. Doch es wird wohl bei den Gedankenspielen bleiben. Nicht unbedingt aus Furcht vor einer weiteren Haftstrafe, sondern vor allem aus Respekt vor dem eigenen Alter: "Ich würde jetzt viel zu viel nachdenken. Aber das ist, wie wenn man in den Boxring steigt. Man darf nicht überlegen, sonst hat man in der ersten Sekunde verloren", sagt Rant und schiebt den leeren Kaffee von sich weg. Außerdem, sagt er, würde ihm sowieso niemand mehr ehrliches Unternehmertum abnehmen: Sobald er einen Fehler begehe, selbst "mit bestem Wissen und Gewissen", glaube ihm doch niemand mehr.

Mitte Januar geht es in der Logistikfirma los, den Vorvertrag hat Rant bereits unterschrieben. Auch wenn er bisher mehr von einem Handschlag gehalten hatte: "Die großen Gangster halten mit einem Handschlag nun einmal ihr Wort. Die Kleinbürger dagegen rennen mit jedem Vertrag gleich zum Anwalt." Dass er Glück hatte, so schnell wieder eine Anstellung zu finden, weiß er. Eine zweite Bewerbung bei einem großen Autoverleiher musste er gar nicht mehr abschicken. Viele andere dagegen haben nach der Haft Probleme erneut einen Job zu kriegen, kehren nie in ein mit dem früheren vergleichbares Arbeitsverhältnis zurück.

Doch Heinz Rant will noch immer aus allem das Maximale herausholen. Mit seinem neuen Arbeitgeber hat er schon die Bereitstellung eines Dienstautos besprochen. Ein kleines, aber immerhin. So ein Wagen kann im Gegensatz zu einem Privatauto nicht gepfändet werden, obwohl Rant noch immer Schulden hat. Ein bisschen tricksen, das hat er immer noch drauf.

Bloß die Ziele sind heute sehr viel kleiner als noch vor ein paar Jahren: Wieder mobil und selbstbestimmt zu sein, das ist alles. Wenn er das hinkriegt, wäre es trotzdem eine ganze Menge, die er so einer Existenz auf Bewährung noch abgetrotzt hat. Aber das großspurige Leben sei jetzt vorbei, sagt Rant. Nur den Anzug von damals, schwarz gestreift, feinster Zwirn, den wird er trotzdem weiter tragen.

© SZ vom 02.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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