E-Mobilität:Unter Strom

Lesezeit: 2 min

Turbulente Tage im Autoland: Die Beschäftigten der Autohersteller in Baden-Württemberg fürchten um ihre Jobs, wenn ihre Arbeitgeber schneller als erwartet auf elektrische Antriebe umstellen. Einer der Vorreiter: Der Sportwagenhersteller Porsche.

Von Stefan Mayr

Die deutsche Auto-Industrie steht vor einem drastischen Wandel von der Verbrenner-Technologie zum Elektro-Antrieb? Falsch. Sie steckt schon richtig tief drin. Das wurde in dieser Woche nicht nur in Berlin durch Winfried Kretschmanns Wutausbruch beim Grünen-Parteitag deutlich. Auch Stuttgart und Ingolstadt stehen mehr denn je unter Strom. Bei Daimler und Audi fürchten die Mitarbeiter um ihre Jobs, was vor allem in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle wütende Proteste und Pfiffe gegen das Management auslöste. Der Nachbar Porsche demonstriert demgegenüber, wie man die Elektroschocks in positive Energie umwandeln kann; einfach mal mal aufs Tempo drücken treten und der Konkurrenz die Rücklichter zeigen.

Porsche-Boss Oliver Blume plant nach einem Bericht des Manager-Magazins, dass bereits 2022 die Hälfte aller produzierten Fahrzeuge ausschließlich von Elektro-Motoren angetrieben werden. Das wäre eine wuchtige Ansage angesichts der heranbrausenden Konkurrenz von Tesla und der drohenden Elektro-Quoten in China - und das ausgerechnet von jenem Sportwagen-Hersteller, dessen Kunden angeblich "Benzin im Blut" haben? Muss der Spruch umformuliert werden in "Strom im Blut"? Ein Porsche-Sprecher wiegelt ab, allerdings nur sachte. Es seien noch keine Entscheidungen gefallen, betont er. Aber dementieren will er die kühnen Pläne auch nicht. Gut möglich also, dass die nächste Version des SUV-Modells Macan ab 2022 ausschließlich von Batteriestrom angetrieben wird. Weil der Macan das mit Abstand meistverkaufte Porsche-Modell ist, wäre die Flotte dann tatsächlich zur Hälfte elektrisch.

Die Mitarbeiter fragen sich, ob es ihre Jobs künftig noch geben wird

Blumes E-Offensive ist auch eine Antwort auf die Dieselkrise des Volkswagen-Konzerns. Zuletzt kamen auch Porsche-Modelle in die Kritik, weil ihre Dieselmotoren aus dem Hause Audi bei Abgasen tricksen könnten. Schon seit 2015 verkauft er in den USA kein Diesel-Modell - und wird es voraussichtlich nie mehr tun. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sich Porsche auch in Europa vom Diesel verabschiedet. Das Fabrikgelände in Zuffenhausen wird jedenfalls schon aufs E-Zeitalter vorbereitet. Die ersten Betonpfeiler der neuen Werkhallen stehen, von 2019 an sollen pro Jahr 20 000 Einheiten des ersten rein-elektrischen Flitzers Mission E hergestellt werden.

Auch bei Daimler (EQ) und Audi (E-tron) tragen die Elektro-Projekte ein E im Namen. Doch die Mitarbeiter in Ingolstadt und Stuttgart wissen noch nicht, ob es ihre Jobs im Zeitalter der E-Mobilität noch geben wird. Audi-Betriebsratschef Peter Mosch kritisiert die Entscheidung des Vorstands, auch das zweite Elektroauto in Brüssel zu bauen. Auch in Deutschland müssten künftig volumenstarke, alternativ angetriebene Modelle vom Band fahren, fordert Mosch. Noch größer ist der Ärger im Daimler-Stammwerk in Untertürkheim. Weil dort Verbrenner-Motoren und Getriebe entwickelt und produziert werden, fürchten 19 000 Mitarbeiter um ihre Jobs. Bislang dachten sie, sie könnten künftig die Elektro-Antriebe der Hinterachsen fertigen. Doch diese Zusage wischte die Werkleitung plötzlich vom Tisch. Betriebsrats-Boss Wolfgang Nieke nennt das "inakzeptabel". Er droht, keine Überstunden mehr zu machen und damit die Produktion lahmzulegen. Die Verhandlungen laufen. Eine Forderung der Manager: 2021 soll die Zahl der Auszubildenden sinken. Die Stromstöße in der Autobranche werden mehr - und schmerzhafter.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: